Ein Risiko für alle!

Bei strahlend blauem Himmel und wunderbarem Wetter sind Tausende dem Ruf von Greenpeace, den Grünen und Umweltverbänden gefolgt und haben sich der Aktion «MenschenStrom gegen Atom» angeschlossen. Unter ihnen sehr, sehr viele alte Menschen. Männer und Frauen, die sich schon vor über 30 Jahren bei der Besetzung in Kaiseraugst beteiligten. Aber auch viele Familien mit Kindern und junge Menschen aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland sind angereist. Lange ist es her, seit in der Schweiz das Thema AKW so viele Menschen bewegte und auf die Strasse brachte.

Zynisch und kriminell

Entsprechend gut und ausgelassen ist die Stimmung in Mülidorf bei Gösgen, wo der Grossteil der Demonstrierenden zum Marsch dazustösst. In Redebeiträgen wird über Gefährlichkeit von AKW‘s, die Machenschaft der Atomlobby, den Vorteil von erneuerbarer Energie oder von den Erfahrungen und dem Widerstand gegen die Atomlobby in anderen Ländern berichtet. Mit der Aktion wird bewusst an die alte Tradition der Pfingstmärsche in den späten 70er Jahren angeknüpft, als AKW-GegnerInnen mit einem massiven Tränengaseinsatz vom besetzen Baugelände in Gösgen vertrieben wurden. Es war eine der letzten Niederlagen der Anti-AKW-Bewegung. Zwar ging 1984 noch Leibstadt ans Netz, Kaiseraugst und Graben konnten jedoch erfolgreich verhindert werden.
Derzeit ist von drei neuen AKW‘s in Gösgen, Mühleberg und Benken die Rede. Zudem sollen die Betriebszeit der bestehenden Anlagen verlängert werden. Zum einen wollen die Energiekonzerne aus den bereits amortisierten Altreaktoren noch möglichst viel Geld herausschlagen, zum anderen versuchen die Energiekonzerne die Atomkraft als einzige ökologisch verträgliche Energie der Zukunft zu präsentieren. Es wird so getan, wie wenn es nie ein Tschernobyl gegeben hätte und beim Betrieb der heutigen AKW‘s kein Restrisiko bestehen würde. Das ist nicht nur zynisch, sondern schlichtweg kriminell. Das einzige, das beim Betrieb von Atomkraftwerken sicher ist, ist der millionenfache Profit der Betreiber, das Risiko jedoch tragen wir alle.

Immer wieder kommt es zu schweren Störfällen. So auch 2006 im schwedischen Forsmark, wo nur dank der Geistesgegenwärtigkeit eines Mitarbeiters ein Super-Gau in letzter Minute verhindert werden konnte. Bis dahin galt Forsmark als eines der sichersten AKW‘s der Welt und hat gezeigt, dass immer ein Restrisiko bestehen bleibt. Wer das einfach negiert und ignoriert, der spielt skrupellos mit dem Leben von Millionen von Menschen. Und die Atomlobby schweigt zum Raubbau von Uran, dass die meisten Abbaugebiete sich meist auf Gebieten indigener Gemeinden befinden und alleine schon durch den Normalbetrieb von AKW‘s gefährliche Radioaktivität entsteht. Und ganz zu schweigen, dass bis heute weltweit kein einziges sicheres Endlager existiert und sich Hunderte von Generationen nach uns mit unserem radioaktiven Restmüll herumschlagen müssen. Und viele gehen der Atomlobby auf den Leim. «Es ist peinlich, dass viele Menschen heute das Märchen von der sauberen Energie glauben und ignoriert wird, dass der Betrieb von AKW‘s alles andere als ökologisch ist», erklärt Michael Tanner, Mediensprecher von MenschenStrom gegen Atom. «Die entstehende Radioaktivität ist mindestens so ein grosses Problem wie der CO2-Ausstoss», betont Tanner. Deshalb ist für Tanner klar, dass nebst dem Verzicht auf den Bau von neuen AKW’s auch die heutigen Anlagen sofort vom Netz genommen und auf erneuerbare Energie gesetzt werden muss.

(Noch) keine neue Anti-AKW-Bewegung

«Wir sind überrascht wie viele Leute heute gekommen sind, gerade an einem so schönen Tag wie heute ist das nicht selbstverständlich», strahlt der sympathische Mitorganisator Ueli Wildberger übers ganze Gesicht. «Es ist eine bunte, generationsübergreifende und friedliche Angelegenheit und die Stimmung ist ausgelassen und gut». Auch Michael Tanner ist sichtlich zufrieden, bleibt aber trotz des Erfolgs sachlich und realistisch. Von einem Revival der Anti-AKW-Bewegung in der Schweiz mag Tanner im Gegensatz zu andern noch nicht sprechen. «Wie es nach heute weitergehen soll, ist noch unklar und wird die Zukunft zeigen», betont Tanner und fügt hinzu, «aber wir hoffen natürlich, dass der heutige Tag schon ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf ist».

Eins ist klar, auch heute noch bewegt das Thema Atom Tausende von Menschen. Ende April meldete sich die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland mit voller Wucht zurück und über 150000 Menschen demonstrierten gegen die Pläne für neue Atomkraftwerke sowie den Weiterbetrieb von veralteten Anlagen. Und sogar die ÖstreicherInnen können nachts TV schauen und das obwohl sich Österreich schon 1978 gegen den Bau von AKW’s in einem Volksbegehren ausgesprochen haben.

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Ein Kommentar

  • Sie wächst. Im Interview wollte ich den gelungenen Anlass nicht als Projektion für die Zukunft nehmen. Drum war ich zurückhaltend auf die Frage, ob das jetzt ein Revival sei. Ein Revival ist ja etwas, das weiterlebt und nicht nur einen kurzen Moment aufatmet.

    Nach dem Aufatmen am 24. Mai 2010 stelle ich fest: Ja. Die Anti-AKW-Bewegung lebt und wie:
    * Am Bahnhof lachen mir auf Plakaten Anti-AKW Leute entgegen
    * Buttons und Kleber finden steigenden Absatz, gesehen habe ich sie noch nicht oft
    * Auf Facebook (ja, ich bin noch nicht bei „Diaspora“…) habe ich gestern den ersten „AKW-Nein Danke“ Button auf einem Profil-Foto entdeckt.
    * Die Rundschau informiert über Uranabbau (die Atom-Lobby organisiert daraufhin eine Defensiv-Pressekonferenz und gibt sich naiv).
    * Flyer von einem Vollmond-Picknick machen die Runde.
    * Uran-Story Visitenkarten als Tischbeilage an einem Weihnachtsessen.
    * ArtistInnen geben auf der Website „Widergsang“ ihr Bestes.
    * Junge Grüne im „Strahlenschutzgewand“ am Silvesterlauf in Zürich.
    * Der Gemeinderat Dulliken bei Gösgen spricht Klartext (gegen neue AKW).
    * Die Städte Bern und St. Gallen haben für den Ausstieg entschieden.
    * Die Zeitungen berichten wie lange nicht mehr
    * Regelmässige Sternmärsche im Weinland
    und vermutlich habe ich einiges noch gar nicht mitbekommen.

    Und: Es melden sich immer wieder aktive Leute, welche mithelfen wollen, dem MenschenStrom 2011 zum Erfolg zu verhelfen. Das freut mich sehr, denn wir brauchen noch viele Hirne, Hände und freiwillige Arbeitsstunden, damit es gelingt.

    Bei persönlichen Gesprächen stelle ich fest, wie viele Menschen sich nicht über das Potenzial in der von Sonne und Wind im Klaren sind. Es braucht also noch viel Informationsarbeit auf der Strasse, an Festen, etc. Vor einem oder zwei Jahren habe ich geschrieben „Die Anti-AKW-Bewegung darf wachsen“. Das gilt unverändert. Nur würde ich heute hinzufügen: „Sie wächst“.

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