Die Vorherrschaft absichern

sit. Das diesjährige Stelldichein der Mächtigen am WEF in Davos ist vorbei. Hinter verschlossenen Türen wird zwar nichts konkretes beschlossen, dafür aber das Feld vorbereitet, um die «kulturelle Hegemonie» (Gramsci) zu sichern. Dies ist der Sinn und der Zweck des WEF.

Irgendwie war es ruhig rund um das diesjährige WEF in Davos. Vielleicht weil der zuerst angekündigte Gast aus den USA dann doch nicht anreiste. Wir erinnern uns ungerne an letztes Jahr, als ein riesiger Zirkus rund um den US-Präsidenten stattgefunden hatte. Heuer war er zu beschäftigt mit den Missständen in seinem Lande und wie wir jetzt wissen, wohl auch mit dem Putschversuch in Venezuela. Das WEF im malerisch verschneiten Davos scheint zur Normalität geworden zu sein. Das ist genau das, was sich Klaus Schwab, Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des WEF, und seine illustren Gäste wünschen, denn umso «normaler», desto weniger schaut die breite Öffentlichkeit hin. Grund genug, wieder mal genauer hinzugucken.

Der richtige Weg für die Elite
In Davos trifft sich die Crème de la Crème der Chefetagen aus der Wirtschaft und der Politik. Daher ist es weder falsch noch verschwörerisch von einer globalen Elite zu sprechen, denn zu einflussreich sind die Menschen, die sich am WEF treffen. Der globalisierungskritische Think Tank The Transnational Institut (TNI) aus Amsterdam benutzt bei der Analyse der «Davos-Elite» den Begriff der «kulturellen Hegemonie», deren sich die TeilnehmerInnen bedienen sollen. Das Institut präzisiert: «Um das zu schaffen, stellen sie ihre Weltanschauung so dar, als wenn sie grundsätzlich jedem einzelnen zuträglich ist, obwohl sie als soziokulturelles Produkt eben dieser selben Herrscherklasse den Vorteil verschaffen.»
Was damit gemeint ist, erklärt Fritz R. Glunk, der Autor des Buchs «Schattenmächte», in einem Interview mit RT Deutschland: «Man bestätigt und versichert sich gegenseitig, auf den richtigen Weg zu sein. Das ist natürlich der neoliberale Weg und man sagt sich zu, dass jegliche Bestrebungen gegen diese Wirtschaftsform eine Absage erteilen wird.» Natürlich werden dabei auch fette Geschäfte abgeschlossen oder zumindest in die richtigen Bahnen geleitet. Doch Glunk weist auch darauf hin, dass es am WEF keine gemeinsame Erklärung oder Resolution gibt, wie dies etwa beim G7- oder G8-Treffen der Fall ist. Am Stelldichein der Mächtigen in Davos ist alles informell und genau das ist der springende Punkt: Das Informelle ist die grosse Stärke des WEF.

Von der Finanzkrise zur Staatsschuldenkrise
Das WEF fasst keine Beschlüsse, gibt keine Empfehlungen ab und äussert nicht mal Wünsche, was macht es dann? Es bereitet das Feld vor, um die «kulturelle Hegemonie» der Mächtigen zu festigen. Ein konkretes Beispiel: Am G20-Treffen 2007 in Kapstadt wurde der Wunsch nach Stabilisierung des Finanzsystems laut. Der Wunsch wird in den Basler Ausschuss reingetragen, ein undemokratisches Schattengebilde, dem unter anderem die zehn führenden Industrienationen (G10) angehören und unter der Führung der in Basel ansässigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) agiert, die sogenannte Bank aller Zentralbanken der Welt. Stark beteiligt am Reorganisationsprozess der Finanzwelt ist Mark Carney, der aktuelle Gouverneur der Bank of England. Er ist übrigens der erste Ausländer auf diesem Posten in der 319-jährigen Geschichte der englischen Zentralbank. Der Ausschuss in der Rheinstadt macht sich an die Arbeit mit folgendem Lösungsansatz: Was mit dem Verständnis einer Finanzkrise begann, wurde rhetorisch und inhaltlich zu einer Staatsschuldenkrise umfunktioniert. In welchem Interesse dies geschah, liegt auf der Hand: Während die Banken und Finanzinstitute ungeschoren davonkamen – sie mussten weder für den hohen Schaden aufkommen, den sie verursacht hatten, noch konnten sie juristisch belangt werden – traf die Krise Millionen von Menschen rund um den Globus mit voller Härte. Weltweit, auch in der Schweiz, beschlossen nationale Parlamente sogenannte Sparprogramme auf Kosten der breiten Bevölkerung, um gleichzeitig Gesetze zu erlassen, welche die Gewinne der Unternehmen und das Vermögen der Superreichen in unermesslicher Höhe schnellen liessen. Die Unternehmenssteuerreform in der Schweiz lässt grüssen.

Klare Machtverhältnisse
Die Staatschefs am G20-Gipfel 2010 in Toronto dankten dann explizit dem Basler Ausschuss für die wertvolle Arbeit bei der Wiederherstellung des Finanzsystems. Die G20 sahen ihre Forderungen, die sie 2007 noch als Wünsche geäussert hatte, erfüllt. Die entsprechend nötigen Gesetze dazu wurden in den nationalen Parlamenten durchgeboxt, ohne dass dazu jemals eine öffentliche Debatte stattfand. So einfach? Ja, denn wie der Autor Glunk richtigerweise festhält: «Faktisch sind die Machverhältnisse so, dass kein einziges nationales Parlament sich traut zu widersprechen, wenn die 20 mächtigsten Industrieländer der Welt sich zusammengeschlossen und entschieden haben.»
Doch, was hat dies alles mit dem WEF zu tun? Mark Carney, führender Kopf bei der Krisenbewältigung im Interesse der G20, ist seit Jahren Dauergast beim Stelldichein in Davos. Er weiss genau, dass er dort all jene Leute trifft, die er zu treffen hat. Sie beschliessen nichts, sie reden hinter verschlossenen Türen und bereiten so eben das Feld vor, um ihre neoliberale Herrschaft zu erweitern und festigen. So wird aus einem informellen Treffen, was das WEF von Hause aus eigentlich ist, schon fast ein Epizentrum neoliberalen Diskurses und Handelns. Sinn und Zweck des WEF sind somit erfüllt, zur Freude von Herr Schwab und seinen Gästen.

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