Confoederatio Nestlé

sit. Schon fast klammheimlich wurde Ex-Nestlé-Mann Christian Frutiger als Vizedirektor beim Departement für Entwicklung und Zusammenarbeit eingesetzt. Es ist ein weiterer Schritt, der den Einfluss des Weltkonzerns innerhalb der Regierung festigt und Steuergelder für die Wasserprivatisierung sichert.

Wie verwandelt man Wasser in Geld, in sehr viel Geld? Es gibt insbesondere eine Firma, die diese Alchemie bestens beherrscht: Nestlé. Der Schweizer Multi verkauft weltweit abgefülltes Trinkwasser. Unter den über 70 Marken befinden sich Henniez, San Pellegrino, Perriers und Vittel. Im Jahr 2018 erzielte Nestlé weltweit einen Umsatz von rund 7,4 Milliarden Franken mit Wasserprodukten.
Dies ist bekannt. Weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass Nestlé einen immer stärkeren politischen Einfluss mit gütiger Unterstützung der Schweizer Regierung bekommt. Der letzte Beweis dafür ist die Ernennung von Christian Frutiger als Vizedirektor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Zuvor war Frutiger Vizepräsident und Global Head of Public Affairs (Verantwortlicher öffentlicher Angelegenheiten) von Nestlé. Doch der Reihe nach – es lohnt sich.

Es begann am WEF
Auf Initiative von Nestlé, Coca-Cola und Pepsi, alle drei Weltkonzerne sind fett im Trinkwassergeschäft, entstand am Word Economic Forum (WEF) 2008 in Davos die Water Resource Group (WRG). Sie begann «eine neue Denkweise zu entwickeln», und zwar, «erstens über Wasser als Ressource mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen und zweitens über die Rolle des Privatsektors als Teil der Lösung und nicht nur als Teil des Problems». So auf der Website zu lesen. Vier Jahre später begann sie «operativ» zu werden, heisst konkret ihren Beitrag zur Privatisierung des Wassers zu leisten. Dies mit freundlicher Unterstützung der Schweizer Regierung, die von 2012 bis 2017 einen Beitrag von 5,3 Millionen beisteuerte und für 2018 bis 2020 weitere drei Millionen zusicherte. In anderen Worten: Die Privatisierung des Wassers wird mit acht Millionen Franken Steuergeldern unterstützt. Ihr Sekretariat hat die WRG in den Räumlichkeiten der Weltbank in Genf. Innerhalb der WRG-Gremien hat Nestlé das grösste Gewicht und stellt ständig das Präsidium. Die Schweiz ist mit dem Direktor der Deza, Manuel Sager, hochrangig vertreten.

Internationale Konzernoligarchie
Im Februar 2019 kündigte die Schweizer Regierung durch ihren Aussenminister Ignazio Cassis stolz die Gründung der Stiftung «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GSDA) an. Cassis unterstrich dabei die rasante Entwicklung der neuen Technologien. Ein Ziel der GSDA sei, die Folgen dieser Entwicklung für Gesellschaft und Politik zu «antizipieren». Was auch immer er damit meint. Von Bedeutung ist jedoch folgendes, denn es beweist, was der tatsächliche Sinn und Zweck der Stiftung ist: Als Präsident dieser Stiftung wurde Peter Brabeck-Letmathe ernannt. Von 2005 bis 2017 war er Vorstandsvorsitzende von… richtig: Nestlé! Vizepräsident ist Patrick Aebischer, der Ex-Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und seit 2015 auch Mitglied des Health Science Steering Committees. Es ist das wissenschaftliche Forschungszentrum von Nestlé, das 2011 von dem Konzern gegründet wurde und sich direkt auf dem Areal der EPFL befindet. Der Bund sponsort die Stiftung mit einem Beitrag von drei Millionen Franken.
In einem Beitrag auf der Webseite amerika21.de schreibt der brasilianische Umweltaktivist und Mitglied des Vorstands der Solidaritätsorganisation Alba Suiza Franklin Frederick dazu: «Dass die Wahl für die Leitung der Stiftung ausgerechnet auf Brabeck und Aebischer fiel – beide mit enger Verbindung zu Nestlé – folgt einer klaren Logik: der Anerkennung der Macht des Unternehmens innerhalb der Schweizer Regierung». Und er fügt hinzu: «Die Wahl von Brabeck ist zudem ein weiteres Beispiel der immer engeren ‹Partnerschaft› zwischen Regierungen und grossen transnationalen Unternehmen. Solche ‹Partnerschaften› ermöglichen die Herausbildung einer internationalen Konzernoligarchie, die allmählich sichtbar wird und die Macht in den westlichen Demokratien übernimmt.»

38 Millionen Steuergelder jährlich
Die Ernennung Frutigers als Vizedirektor ist daher ein weiterer Schritt, der bestens in diese Logik hineinpasst. Seine Karriere bei Nestlé begann er 2007 als Public Affairs Manager. Es war die Zeit, als der Weltkonzern kräftig ins Wassergeschäft investierte, unter anderem mit der Marke Pure Life und mit der Übernahme von Henniez AG. Die verschiedenen Skandale des Schweizer Multis rund um dieses Geschäft (aber nicht nur) sind bestens dokumentiert und bekannt. Frutigers Job war es, alles schön zu reden und zu minimieren.
Als Deza-Vizedirektor wird Frutiger verantwortlich für die Abteilung Globalprogramme sein. Da befindet sich auch die Abteilung Wasser, was für ein Zufall. Sie «pflegt den politischen Dialog auf globaler Ebene und nimmt mit ihren Projekten auf die regionale und internationale Politik Einfluss», informiert die Deza. Sie bringt sich «auf globaler Ebene in den politischen Dialog ein, unterstützt innovative Projekte zur Bewältigung von grossen Herausforderungen wie Trinkwasserzugang und fördert und mobilisiert die Expertise der Schweizer Akteure im Wassersektor». Das Budget für das Globalprogramm Wasser beträgt jährlich 38 Millionen Franken. Frutiger hat als Chef der Abteilung einen entscheidenden Einfluss, wie diese Millionen verteilt werden. Nestlé wird es freuen. Wie bereits festgehalten: Die Ernennung Frutigers beweist den wachsenden Einfluss und der Präsenz von Nestlé innerhalb der Schweizer Regierung. Ach ja, fast vergessen: 850 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser – für Nestlé und ihren Mann beim Deza wohl einfach nur potentielle Neukund*innen.

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