Mehr Kohle, weniger Druck!

Lode Koelewijn/Ewout v. d. Berg. Am 27. Juni haben GrundschullehrerInnen überall in den Niederlanden für eine Stunde die Arbeit niedergelegt. Der Streik war der erste Ausstand im niederländischen Bildungssystem seit 2012. Sie forderten mehr Lohn und weniger Arbeitsbelastung.

Der Streik am Morgen des 27. Juni ging einher mit einer Demonstration am zentralen Malieveld in der niederländischen Stadt Den Haag am Mittag danach. Die Streikaktion und die Kundgebung in Den Haag wurden in erster Linie vom LehrerInnenbündnis «PO in Aktion» (PO steht für Primarschule) organisiert, aber auch die Gewerkschaften CNV, Aob und FNV wie auch die Schulleitungen beteiligten sich daran. Aus dem ganzen Land sind etwa 2000 LehrerInnen und solidarische Eltern mit vielen selbst gemalten Transparenten nach Den Haag gekommen.

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Lohnerhöhung erkämpft

Anne Rieger/UZ. Mit dem ersten Streik überhaupt in einem grossen Automobilwerk in der Slowakei konnten die ArbeiterInnen eine Lohnerhöhung um 13,5 Prozent erkämpfen. Die ArbeitgeberInnen toben und fürchten sich vor einem Flächenbrand in Osteuropa.

Der Streik von rund 8000 VW-Beschäftigten in der Slowakei, die höhere Löhne einforderten, führten laut VW-Konzern nun zu einer Lohnerhöhung von 13,5 Prozent mit einer Laufzeit bis August 2019. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von 500 Euro. Die Betriebsgewerkschaft Moderné Odbory Volkswagen (Mov), die zum Streik aufgerufen hatte, gibt auf ihrer Facebookseite sogar eine «Tariferhöhung von 14,12 Prozent schrittweise bis November 2018, plus 500 Euro zur Lohnzahlung im Juni» an.

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IWF-Programm absichern»

Mitglieder der Gewerkschaft Numsa demonstrieren.

David Brown. Im afrikanischen Binnenstaat Sambia wurden die demokratischen Rechte stark eingeschränkt. Die Notstandsmassnahmen zielen vor allem auf die Opposition ab, aber auch auf die Proteste, die sich gegen die Sparpolitik der Regierung richten.

Der Präsident des afrikanischen Binnenstaats Sambia, Edgar Lungu, hat am 6. Juli die Notstandsermächtigung in Kraft gesetzt, die der Artikel 31 der Verfassung ermöglicht, und damit die demokratischen Rechte eingeschränkt. Lungu versucht inmitten einer zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Krise, seinen Griff auf das Land zu festigen. Mit dem «Gesetz zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit» kann die Polizei jedeN ohne Prozess inhaftieren, öffentliche Zusammenkünfte verbieten und Medien zensieren. Die Notstandsmassnahmen wurden die Woche darauf vom Parlament ratifiziert.

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Der Zerfall des öffentlichen Lebens»

Reinaldo Iturriza

Federico Fuentes. Die venezolanische Regierung ist heftigen ökonomischen und politischen Aggressionen ausgesetzt. Ein Gespräch mit Reinaldo Iturriza über die Herausforderungen, denen der Chavismo gegenüber steht, und über die bevorstehende Verfassungsgebende Versammlung.

Der revolutionäre Aktivist und Soziologe Reinaldo Iturriza arbeitet bereits seit Langem in den sozialen Bewegungen Venezuelas. Zwischen 2013 und 2016 war er Minister für Kommunen und soziale Bewegungen sowie Kulturminister im Kabinett des Präsidenten Nicolas Maduro. Zusammen mit AktivistInnen aus unzähligen revolutionären Organisationen und Grasswurzelbewegungen kandidiert er für die Verfassungsgebende Versammlung, mit der versucht wird, durch eine neue Verfassung den Weg aus dem Chaos zu finden.

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«Verschärfter Terror»

Peter Nowak. Von den Gezi-Protesten scheint in der Türkei nicht viel übrig zu sein. Die Opposition sieht Erdogans autoritären Staatsumbau machtlos zu. Ein Gespräch mit dem linken türkischen Regisseur Imre Azim.

Der Regisseur Imre Azem ist seit Jahren Teil der ausserparlamentarischen Linken in der Türkei. In seinen neuesten Film «Türkei: Ringen um Demokratie» begleitete er vier türkische Oppositionelle ein Jahr lang bei ihrer politischen Arbeit.

Eine der ProtagonistInnen im Film ist das Vorstandsmitglied der Istanbuler Architektenkammer Mücella Yapici, die etwas despektierlich «Mutter der Gezi-Proteste» genannt wird. Auf dem Höhepunkt der Proteste schrieben viele, eine Rückkehr zur autoritären Türkei sei jetzt nicht mehr möglich. Warum haben sie sich so geirrt?

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Sackgasse Serbien

Verlassene Ziegelei bei Subotica

Klaus Petrus. Internierungslager für Familien und Minderjährige, gewalttätige GrenzpolizistInnen, noch striktere Gesetze. Die Rechnung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán geht auf: für die Geflüchteten wird Ungarn zur Festung und Serbien endgültig zu einer Sackgasse.

Noch im Januar dieses Jahres gingen sie um die Welt: die Bilder der Geflüchteten aus Afghanistan, Pakistan, Syrien und dem Irak, die bei Minustemperaturen in leeren Lagerhallen hinter dem Belgrader Busbahnhof hausten, verzweifelt und verloren. Im Mai wurden die Baracken dann von der serbischen Regierung geräumt und abgerissen, doch darüber hat kaum jemand mehr berichtet.
Auch Zarar G. war damals in Belgrad, er erinnert sich: «Plötzlich kreuzte die Polizei auf, wir mussten unsere Namen auf eine Liste schreiben und die Sachen packen. Tags darauf kamen sie mit Bussen, und wir wurden in die staatlichen Camps gebracht.» Für den 24-jährigen Mann aus Pakistan ist das keine neue Erfahrung. Er ist im Frühjahr 2016 vor den Taliban geflüchtet und hält sich nun schon seit fast acht Monaten in Serbien auf. Zuerst war er in einem Lager in Sid an der kroatischen Grenze, dann für Monate in einer verlassenen Ziegelei bei Subotica nahe der ungarischen Grenze, daraufhin in Obrenovac nahe der Hauptstadt, später in den Baracken von Belgrad und nun wieder im Norden Serbiens, in einem Lager bei Sombor. «Wir treten an Ort», sagt Zarar. » Weiterlesen

«Die Bevölkerung ist traumatisiert»

Amy Goodman. Weil der Präsident des Südsudans seine Macht bedroht sah, führt die Regierung ethnische Säuberungen gegen das Volk der Nuer durch. Der Journalist Nick Turse hat mehrere Wochen im Südsudan und in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer verbracht. Ein Gespräch.

Südsudan ist das jüngste Land der Welt. Die USA haben 2011 die Unabhängigkeit des Landes massgeblich unterstützt, ebenso den jetzigen Präsidenten Salva Kiir, dessen Truppen beschuldigt werden, für die Mehrheit der Verbrechen im aktuellen Konflikt verantwortlich zu sein. Sie waren kürzlich im Südsudan. Was geht dort vor sich?

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Gipfel der Repression

David Christopher Stoop. In Hamburg hat die Repression gegen die GegnerInnen des G20-Gipfels, der dieses Wochenende stattfindet, bereits zwei Wochen vorher begonnen.

Der G20-Gipfel in Hamburg hatte noch nicht begonnen, die staatliche Repression schon. Dies konnte eindrucksvoll auf zwei Demonstrationen in den vergangenen Wochen beobachtet werden. Einerseits haben in Hamburg-Mitte Geflüchtete zu einer Refugee-Demo gegen den G20 aufgerufen. Eine weitere Demo gab es im Hamburger Süden, dort statteten etwa 500 Menschen der sogenannten Gefangenensammelstelle (GeSa) einen Besuch ab, die dort für mehrere Millionen Euro in Vorbereitung auf den G20 errichtet wurde.

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«Wir sind müde»

Barbara Veger. In südamerikanischen Suriname protestierte die Bevölkerung in grossen Demonstrationen gegen die Sparpolitik und für den Rücktritt der Regierung. Durch den Druck konnten gewisse Kürzungen bereits wieder rückgängig gemacht werden.

In Suriname, der früheren niederländischen Kolonie an der lateinamerikanischen Küste nördlich von Brasilien, fanden in den letzten Monaten grössere Proteste statt. Im April und im Mai sind Tausende Menschen auf die Strassen gegangen gegen die Regierung von Präsident Dési Bouterse. Am 6. April und nochmals am 13. Mai haben 10 000 ArbeiterInnen und Jugendliche protestiert, eine beachtliche Zahl angesichts einer EinwohnerInnenzahl von einer halben Million in Suriname.

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Italien wegen Folter verurteilt

sit. Die äussert brutale Räumung der Schule Diaz in Genua durch die italienische Polizei während dem G8-Treffen im Jahr 2001 war Folter. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Weiter wurde das Land verurteilt, weil Folter keine gesetzliche Straftat ist.

Blenden wir kurz zurück: Genua, 21. Juli 2001. Es ist kurz nach 22 Uhr, als die italienische Polizei die Schule Diaz stürmt, eines der drei Hauptzentren des «Genoa Social Forum», das die Proteste gegen das G8-Gipfeltreffen der Mächtigen der Welt mitorganisiert- und koordiniert. Über 100 AktivistInnen aus ganz Europa befinden sich in den Räumlichkeiten der Schule, viele von ihnen am Ausruhen in ihren Schlafsäcken. Die schreckliche Brutalität und Gewalt der StaatshüterInnen kennt keine Grenzen: 93 AktivistInnen werden verhaftet, 82 Personen werden verletzt, 63 müssen ins Spital gebracht werden, teilweise mit schweren Verletzungen.

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«Für Europa entscheidend»

tai. Auf Drängen Frankreichs erklärte sich die Uno bereit, eine militärische Einsatztruppe in der Sahelzone politisch zu unterstützen. Die EU mit Deutschland an der Spitze sagten 50 Millionen Euro zu, um ihre imperialistischen Interessen in der Region zu sichern.

Seit 2013 kontrolliert Frankreich wieder einen Teil seines ehemaligen Kolonialreichs im Westen der Sahelzone in Afrika. Damals intervenierte die imperialistische Macht militärisch in Mali, vorgeblich um im Norden des Landes IslamistInnen und separatistische Tuaregs zu bekämpfen. Die Operation wurde im Sommer 2014 auf Burkina Faso, Tschad, Mauretanien und Niger ausgeweitet. Ein wichtiger Grund für das militärische Engagement Frankreichs in der Region ist die Sicherung der grossen Uranvorkommen im Niger, auf die die französische Atomindustrie angewiesen ist; aber auch andere Rohstoffe wecken Interesse.

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Leben von Mindestsicherung in Wien

Michael Wögerer. In der reichen Stadt Wien können Menschen, die von der Sozialhilfe leben, nur 7,50 Euro pro Tag für Lebensmittel, Freizeit und Dinge des persönlichen Bedarfs ausgeben. Wie lebt man von diesem Geld? 31 Tage Mindestsicherung – eine experimentelle Annäherung.

Österreich ist eines der reichsten Länder dieser Welt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag das «Land am Strome» laut Eurostat im Jahr 2016 innerhalb der Europäischen Union auf Platz 4, vor Dänemark und hinter Norwegen. Doch das BIP gibt nur sehr bedingt Auskunft darüber, wie es den Menschen in einem Land wirklich geht. Es erlaubt keine Aussagen über Wohlstand, Lebensqualität oder Gerechtigkeit für und zwischen den Menschen einer Volkswirtschaft. Dafür braucht es alternative Methoden.

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«Sie haben die Demokratie ausgehebelt»

Temer und Rousseff

Amy Goodman. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wurde letztes Jahr durch einen parlamentarischen Putsch entmachtet. Ihre GegnerInnen versuchten, sich so den Ermittlungen wegen Korruption zu entziehen. Ein Gespräch mit der abgesetzten Präsidentin.

Letztes Jahr wurden Sie aus dem PräsidentInnenamt enthoben. Wie und weshalb ist das geschehen?

Dilma Rousseff: Meine Absetzung als Präsidentin erfolgte durch einen Staatsstreich, da meinerseits keine Verbrechen und kein Fehlverhalten vorlagen. Drei Gründe waren ausschlaggebend: Erstens hatte es mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Zum ersten Mal wurde in Brasilien eine Frau Präsidentin. In der Politik werden Frauen und Männer unterschiedlich wahrgenommen: Frauen sind schroff und gefühllos; Männer sind stark und einfühlsam. Hart arbeitende Frauen werden als obsessiv betrachtet, während Männer einfach harte Arbeiter sind. Alle Mittel, um eine Frau anzugreifen, wurden gegen mich mobilisiert – neben vielen unschönen Worten. Zweitens versuchten die PutschistInnen vom konservativen PMDB und sozialdemokratischen PSDB, die strafrechtlichen Untersuchungen wegen Korruption von sich fernzuhalten. Drittens hat unsere ArbeiterInnenpartei PT vier Wahlen hintereinander gewonnen mit einem Programm, das sich klar gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft richtete. Die Ungleichheit ist ein sehr altes Problem in Brasilien. Wir waren das letzte Land in Amerika, das die Sklaverei abschaffte. Und die SklavInnen bekamen nichts. Die Situation in der Sklaverei wurde dadurch weitergeführt. Und es hat mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu tun. Armut hat in Brasilien ein Gesicht: Es ist weiblich und schwarz.
Unsere Regierung hat wichtige Errungenschaften erzielt: Wir haben 86 Millionen Menschen aus der extremen Armut gehoben. Wir verkaufen unser Land nicht mehr einfach an ausländische Inves-torInnen. Und vor allem haben wir eine komplette Struktur des sozialen Schutzes errichtet. Unser Programm stärkte die sozialen Rechte und die ArbeiterInnen und das mussten die PutschistInnen stoppen. Das konnten sie nicht mittels Wahlen erreichen, also haben sie es durch das Amtsenthebungsverfahren gemacht.

Was sind Ihre Gedanken zu Eduardo Cunha, der die Anklage gegen Sie geführt hat und dem nun selber 15 Jahre Gefängnis wegen Korruption bevorstehen?

Was ich betrüblich finde, ist, dass alle Beweise, die zu seiner Verurteilung führten, der Justiz bereits vor meiner Absetzung vorlagen. Er ist aber nicht nur eine Person. Er repräsentiert einen sehr gefährlichen Prozess in Brasilien. Cunha ist ein Ultrakonservativer bezüglich der sozialen Rechte, er ist homophob und hat absurde Vorurteile gegenüber Frauen. Er hat die politische Mitte weit nach rechts verschoben. Dass er nun im Gefängnis sitzt, bedeutet nicht, dass die politische Praxis, für die er steht, erledigt ist. Im Gegenteil, Leute wie er sind in der Regierung.

Gegen viele wichtige PolitikerInnen, darunter einen Drittel vom Kabinett des jetzigen Präsidenten Temer, laufen Korruptionsverfahren. Glauben Sie, dass Sie abgesetzt wurden, um die Untersuchungen zu stoppen?

Ich bin nicht die einzige, die das glaubt. Die Medien haben ein Gespräch zweier Senatoren veröffentlicht, in dem wörtlich gesagt wurde: «Wir müssen sie entfernen mit einem nationalen Bündnis, um zu verhindern, dass uns die Untersuchungen erreichen.» Sie haben die Wahlen gegen uns immer verloren, also mussten sie einen Putsch durchführen. Sie wollten Brasilien wirtschaftlich, sozial und politisch neoliberal machen, wir haben das immer blockiert. Sie haben die Amtsenthebung unterstützt, weil sie ihr Programm nicht über demokratische Mittel erreichen konnten. Also mussten sie die Demokratie aushebeln. Es lag kein grösseres Vergehen von mir vor. Die Vorwürfe drehen sich um drei Dekrete im Umfang von 0,15 Prozent der Primärausgaben des Budgets. Ich habe eine Überweisung für ein Hilfsprogramm an BäuerInnen budgetär zurückgelegt, was in Brasilien seit 1994 gemacht wurde.
Ich habe aber auch wirkliche Fehler gemacht. Niemand, der in einem solch komplexen Prozess involviert ist, kann keine Fehler machen. Die Wirtschaftskrise erreichte Brasilien erst 2014. Ich habe damals die Privatunternehmen von Steuern befreit, um Arbeitsplätze zu erhalten. Was haben die Privatunternehmen getan? Sie haben ihre Profite steigern können, ohne die Produktion oder die Beschäftigung zu erhöhen. Dadurch verloren wir Steuereinnahmen. Unser Haushaltsbudget wurde noch unsicherer. Das war ein Fehler. Ein weiterer Fehler war weniger vermeidbar. Man kann ein Land wie Brasilien nicht regieren ohne Koalition. Man bringt alleine keine Gesetze durch. Ein furchtbarer Fehler war die Ernennung meines Vizepräsidenten Temer. Er konspirierte gegen mich und brachte sich so an die Macht. Man kann ihm nicht trauen. Brasilien kann ihm nicht trauen.

Sie waren während der Diktatur als Guerillera im Untergrund aktiv. Können Sie uns etwas über diese Zeit berichten?

Damals wurde Brasilien abgeriegelt. Niemand konnte mehr Kritik äussern, andernfalls wurden sie für eine lange Zeit ins Gefängnis gesteckt. Die Repression war sehr hart. Meine Generation war stark davon betroffen. Also gingen wir in den Widerstand. Der Widerstand konnte nur im Untergrund stattfinden, weil, wenn man zum Beispiel gegen die Verschlechterung der ArbeiterInnenrechte protestierte, man ins Gefängnis gesteckt wurde. Ab 1970 begann die Regierung, AktivistInnen umzubringen. Viele Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, wurden in jenen Zeiten umgebracht. Ich bin im Januar 1970 ins Gefängnis gekommen. Ich hatte Glück und überlebte. Trotzdem war es eine sehr schwere Zeit. Man wurde als Gefangene sofort gefoltert, damit man seine GenossInnen verriet. Es war ein Kampf gegen die Zeit. Es gibt keine HeldInnen unter der Folter. Etwas habe ich gelernt aus dieser Erfahrung: Wie man standhält. Die Folter damals und der Putsch heute werden mich nicht unterkriegen.

Wurden die Personen, die Sie und die anderen gefoltert haben, jemals zur Verantwortung gezogen?

In der Übergangszeit von der Diktatur zur Demokratie wurde eine Amnestie für die Folterer verhandelt. Sie wurden also nicht verurteilt. Diese Abmachung wurde unter den Eliten in der Übergangszeit verhandelt. Erst 2011 gab es eine Wahrheitskommission. Bei der Veröffentlichung des Abschlussberichts musste ich weinen. Für mich gab es nicht nur einen politischen, sondern auch einen persönlichen Bezug dazu. Es gibt Menschen, die ich kannte, die nicht überlebt haben, die nicht die Chance hatten, weiterzuleben. Sie hatten nicht die Chance, Kinder und Enkel zu haben.

Sie wussten, dass Sie Ihr Leben riskieren, und haben trotzdem im Untergrund gekämpft?

Was die Leute in einer solchen Situation dazu bringt, zu kämpfen, ist die Überzeugung, dass man für eine bessere Welt kämpft. Wir waren überzeugt davon, wir waren uns absolut sicher, dass wir für eine bessere Welt kämpften. Die Kraft, die uns vorantrieb, war der Glaube an die Demokratie. In Brasilien wurde immer wieder durch Putschs, Notstandsgesetze und «Retter des Vaterlands» die Demokratie reduziert; dadurch wurde auch die Möglichkeit eines sozialen Wandels reduziert oder eliminiert. Ich glaube, wir können nur in der Demokratie gewinnen und wir verlieren, wenn die Demokratie angegriffen wird.

Draussen vor den Deichmauern

Pierre Laurent (links) von der KP Frankreich und Jean-Luc Mélenchon von der linken LFI.

Bernard Schmid. Die Partei des wirtschaftsliberalen Emmanuel Macron konnte bei den französischen Parlamentswahlen eine Mehrheit der Sitze gewinnen. Bereits plant seine Regierung die Verschlechterung der Arbeitsrechte. Die Linke mit der KP kann mit 27 Sitzen rechnen.

Die Deiche haben noch einmal gehalten und ein politisches System, das in weiten Kreisen als diskreditiert bezeichnet worden war, erfolgreich vor den Stürmen der Zeit abgeschirmt. Aber viele, sehr viele Menschen bleiben ausserhalb der Deichmauern stehen und werden sich nicht angesprochen fühlen von dem, was innerhalb der von ihnen gebildeten Festung passieren wird. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem aus dem Inneren neue Anordnungen ergehen, die auch sie betreffen werden, weil sie in ihr Alltagsleben eingreifen. Dies könnte vielleicht in Bälde passieren.

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Europas Leitkultur

Horst Teubert. Mit der Veröffentlichung eines neuen «Reflexionspapiers» und eines Konzepts für einen «Vertei-digungsfonds» treibt die EU-Kommission die Militarisierung des europäischen Staatenbundes voran. Es wird ein «durchsetzungsfähiges Europa» angestrebt.

Künftig sollen jährlich 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für die Rüstungsforschung und -entwicklung bereitgestellt werden; die Gelder sollen als Anreiz dienen, die Rüstungsindustrie EU-weit stärker als bisher zu verschmelzen. Darüber hinaus stellt die EU-Kommission Szenarien für die Militärpolitik zur Debatte, die auf «strategische Autonomie» zielen und es der EU auf lange Sicht ermöglichen sollen, nicht nur «an der Seite ihrer Hauptverbündeten», sondern bei Bedarf auch «allein zu handeln». Neue Beschlüsse der EU zur Militärpolitik werden für das zweite Halbjahr 2017 erwartet, allerdings vermutlich erst nach der deutschen Bundestagswahl. Unterdessen treibt Deutschland die Unterstellung von Truppenteilen fremder Staaten unter die Bundeswehr energisch voran. Wie es an der Münchner Bundeswehr-Universität heisst, könnten im nächsten Schritt skandinavische Einheiten ihre Einbindung in die deutschen Streitkräfte in Angriff nehmen. Einflussreiche deutsche PolitikerInnen plädieren zudem dafür, Einsätze «europäischer» SoldatInnen der nationalen Kontrolle zu entziehen und sie von EU-Beschlüssen abhängig zu machen.

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In die Offensive gehen

Redaktion. In Venezuela wurde von sozialen und revolutionären Organisationen, darunter die Kommunistische Partei Venezuelas, der Aufbau einer antiimperialistischen und antifaschistischen Volksfront beschlossen. Ihre Perspektive ist der Sozialismus. Im Folgenden dokumentieren wir ihre Erklärung in Auszügen.

Die schwere politische, soziale und wirtschaftliche Krise in Venezuela erfordert die breiteste Einheit der revolutionären Volkskräfte für den Sieg über den Imperialismus und Faschismus. Die Bolivarische Republik Venezuela wird einmal mehr durch die Entwicklung von politischen Gewaltaktionen durch Teile der extremen Rechten bedroht, die einem vom US-Imperialismus entworfenen Destabilisierungsplan folgen. Dessen Ziel ist es, durch Gewalt und Erpressung eine Regierung zu installieren, die der Hegemonie des Imperialismus auf dem Kontinent dient, und die in Lateinamerika zu Beginn dieses Jahrhunderts begonnenen nationalen Befreiungsprozesse zu zerstören. So sollen die fortschrittlichen Veränderungen umgekehrt werden, die es den ArbeiterInnen und dem ganzen Volk erlaubt haben, Rechte und soziale Errungenschaften zu erreichen, die ihnen historisch von den Regierungen verweigert wurden. (…)

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Und plötzlich ist man TerroristIn

Die Akademikerin Nuriye Gülmen und der Lehrer Semih Özakca.

ISKU/Redaktion. Die Akademikerin Nuriye Gülmen und der Lehrer Semih Özakca befinden sich seit etwa hundert Tagen im Hungerstreik. Sie kämpfen für ihre Arbeit und Würde und gegen die mittels Notstandsgesetzen durchgesetzten Massenentlassungen von fortschrittlichen Staatsangestellten.

Nuriye Gülmen und Semih Özakça sind seit etwa hundert Tagen im Hungerstreik. Bis zu dem Tag, an dem sie aus dem Staatsdienst entfernt wurden, hatten beide ein einwandfreies Führungszeugnis. Sie Akademikerin, Dozentin für Literatur, er Grundschullehrer. Nicht gerade Berufszweige, denen der Ruf anhängt, staatsgefährdend zu sein. 

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Wahl gewonnen, Wahl verloren

Jeremy Corbyn der Labour Party.

Manfred Idler/UZ. Die linke Labour Party unter Jeremy Corbyn konnte bei den Wahlen in Grossbritannien stark zulegen. Die konservativen Tories klammern sich trotzdem noch an die Macht. Die Unterhauswahlen brachten keinen Regierungswechsel.

Das Urteil der Mainstream-Medien ist einhellig: eine gewaltige Wahlschlappe hätten die Konservativen in Britannien erlitten. Es scheint eine Retourkutsche für den «harten» Brexitkurs der britischen Premierministerin zu sein, denn immerhin hat ihre Partei die Wahl und auch prozentual an Stimmen gewonnen. Seltsamerweise teilt Theresa May diese Einschätzung, nachdem sie zuerst – «Niederlage? Welche Niederlage?» – nichts davon wissen wollte. Klar ist: Die absolute Mehrheit der Tories ist dahin.

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