Ein starkes Zeichen!

Gegen 5’000 MigrantInnen, Sans-Papiers, Flüchtlinge und BesitzerInnen eines Schweizer Passes haben heute an einer kraftvollen und lauten Demonstration in der Berner Innenstadt mit Schlusskundgebung auf dem Bundesplatz teilgenommen. Die Demonstration stand unter dem Motto «Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich.» und forderte auch ein doppeltes NEIN zu Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag. Die Demo verlief ohne jegliche Zwischenfälle.

Die Demo eine Woche nach dem Flüchtlingstag wurde von der migrationspolitischen Organisation Solidarité sans frontières organisiert, der Demoaufruf von fast hundert Organisationen unterzeichnet. Darunter auch die Partei der Arbeit der Schweiz. Dessen Forderungen wurden von auf dem Bundesplatz von den Teilnehmenden mit einer Abstimmung via Handmehr bekräftigt:

  • Ja zur Regularisierung von Sans-Papiers. Flüchtlinge brauchen Schutz, nicht Abschreckung. Kein Mensch ist illegal. Zwangsausschaffungen sind unmenschlich.
  • Ja zum Recht auf Ehe auch für Menschen, die keine Papiere haben. Liebe kennt keine Grenzen.
  • Ja zum Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte. Unterstützungsgruppen von und für Menschen, die ausgegrenzt werden dürfen nicht kriminalisiert werden.
  • Ja zur Sozialhilfe für alle, die sie benötigen. Die Nothilfe muss in Sozialhilfe umgewandelt werden und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Die Arbeitslosenversicherung muss in der Krise aus- und nicht abgebaut werden.
  • 2xNein zur Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag. Ein liberales Strafrecht gilt für alle gleich.

Immer noch hier, immer noch ausgegrenzt

Vor einem Jahr ist die Predigerkirche für drei Wochen von den Sans-Papiers besetzt worden, was ihnen erlaubte, für einen kurzen Moment auf ihre unerträgliche und ausweglose Situation aufmerksam zu machen und ihre Forderungen zu stellen.

Die Sans-Papiers, die in klirrender Kälte vor der verschlossenen Kirche ausgeharrt haben, sind noch immer dieselben, wie im vergangenen Jahr und auch ihre Forderungen sind noch immer dieselben. Denn an ihrer unerträglichen Situation hat sich nichts geändert. Sie leben noch immer heimlich am Rande der Gesellschaft, oder in Zivilschutzanlagen ennet der Autobahn auf einer Pritsche. Noch immer erhalten sie durch das Nothilferegime den täglichen Betrag von 8.50 nicht in Bar und haben daher immer noch keine Möglichkeit, sich fortzubewegen. Noch immer werden einige von ihnen jede Woche in einer anderen Zivilschutzanlage untergebracht, um sie zu desintegrieren, und noch immer haben die Sans-Papiers keine behelfsmässigen Ausweise, um sich gegenüber der Polizei auszuweisen, womit die regelmässigen Verhaftungen der Sans-Papiers für einige Nächte hinfällig würde.

Der zuständige Regierungsrat Hans Hollenstein setzt auf Gnadenlosigkeit und hat die Fertigmach-Malschiene, die er gegen die Sans-Papiers ins Werk setzt, kein bisschen abgemildert. Als einziges Feigenblatt seiner Migrationspolitik hat Hollenstein eine Härtefallkommission eingesetzt. Diese hat inzwischen vier der schätzungsweise 30 000 Sans-Papiers im Kanton Zürich beurteilt. Wie sie entschieden hat, will sie nicht sagen. Alleine aber die Dimension des Problems zeigt, dass nur eine kollektive Regularisierung eine pragmatische Antwort auf das Anliegen der Sans-Papiers sein kann.

Scheitern der Migrationspolitik wird offensichtlich

Diese Forderung fällt in eine Zeit, wo einerseits das Klima gegen über Migranten durch die Minarettininitiative nachhaltig vergiftet ist, sich andererseits aber das komplette Scheitern des noch nicht einmal seit zwei Jahren in Kraft stehenden verschärften Asylgesetzes unübersehbar abzeichnet, wenn das auch niemand eingestehen möchte. Die praktische Abschaffung des Nichteintretens-Entscheides (NEE), die Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf diese Woche angekündigt hatte, bedeutet nichts Geringeres, als dass die zentrale Neuerung des verschärften Asylgesetzes wieder rückgängig gemacht werden soll, weil dadurch, dass man Asylbewerbern keinen materiellen Entscheid zugestehen möchte, weder Zeit noch Kosten gespart werden können und auch die Zahl der Migranten nicht abgenommen hat. Die Politik der Unerbittlichkeit ist damit fehlgeschlagen, sie hat sich sogar als kontraproduktiv erwiesen, weil es nicht mehr darauf ankommt, ob man einen Nichteintretensentscheid erhält oder nicht, dem Fertigmach-Regime der Nothilfe kann man so oder so nicht entrinnen. Die Nivellierung nach unten führte zu nichts als menschlichem Leid und einer Abstumpfung des Abschreckungsdispositiv, das die Schweiz so sorgfältig aufgebaut hat.

In absehbarer Zeit wird auch das zweite zentrale Element des verschärften Asylgesetzes – der Ersatz der Sozialhilfe durch Nothilfe – umgestürzt werden, wenn sich die Kantonalen Sicherheitsdirektoren beim Bund endlich mit ihrer Ansicht durchsetzen können, dass die Nothilfe so nicht weiter tragbar ist, weil sie die Betroffenen systematisch krank macht und sie dennoch nicht gehen können, weil sie überwältigende Gründe hatten, herzukommen.

Türen bleiben verschlossen

Das Bleiberecht-Kollektiv hat sich im vergangenen Jahr darauf konzentriert, den Sans-Papiers, die keinerlei Beschäftigungsmöglichkeiten haben, Deutsch beizubringen, damit sie sich wirksam für ihre Anliegen wehren können. 120 abgewiesene Asylsuchende bringen sich in der autonomen Schule in Oerlikon in einem System der Selbsthilfe an drei Nachmittagen pro Woche gegenseitig Deutsch bei.

Da im vergangenen Jahr zwar das Scheitern der aktuellen Migrationspolitik offensichtlich wurde, die Bereitschaft zum Umdenken aber noch nicht eingesetzt hat, werden in der Zukunft wieder vermehrt politische Aktionen nötig sein.

Die Kirchen tun gut daran, ihre Türen auch weiterhin abzuschliessen, wenn sie Angst davor haben, im Kampf um Menschlichkeit und Augenmass in die Pflicht genommen zu werden.

Härtefallkommission in ZH!

Heute wird die Härtefallkommission ihre Arbeit formell aufnehmen. Das Bleiberecht wird die Tätigkeit der Kommission sehr aufmerksam verfolgen, verspricht sich aber durch ihre Einführung kaum Verbesserung für die unerträgliche Situation der Sans-Papiers im Kanton Zürich.

Die Härtefallkommission ist auf einem Widerspruch aufgebaut, da sie sich gemäss Verordnung aus Fachleuten und nicht politischen Vertretern zusammensetzt, aber sehr schnell ins Kreuzfeuer politischer Kontroversen geraten wird und somit politische Entscheidungen wird fällen müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Kirchen- und Hilfswerkvertreter, aus welchen die Kommission unter anderem zusammengesetzt sein wird, lavieren, wenn es darum geht, sich auch auf politischer Ebene für die Schwächsten einzusetzen.

Für die Sans-Papiers wird sich kaum etwas ändern. Hoffnung besteht einzig, dass die Kommission die bisherigen willkürlichen Kriterien des Zürcher Migrationsamtes zur Zulassung als Härtefall fairer gestaltet. Die Kriterien waren bisher so restriktiv, dass letztes Jahr kein einziger Härtefall zugelassen wurde. Realistische Zulassungskriterien zu entwickeln wird nun in der Verantwortung der Härtefallkommission liegen.

Das Bleiberechtkollektiv möchte betonen, dass die Schaffung der Härtefallkommission die Misere im Asylwesen im Kanton Zürich nur geringfügig zu verbessern vermag. Das Schweizerische Migrationsrecht hat zum Ziel, das Leben von Menschen, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Dasein in die Schweiz geflüchtet sind, so hart wie nur möglich zu gestalten. Härtefalle zu kreieren ist das Ziel der Schweizerischen Migrationspolitik. Eine Härtefallkommission hat die zynische Aufgabe, zwischen harten und noch härteren Fällen zu unterscheiden. Nur eine kollektive Regularisierung, wie sie in anderen europäischen Ländern erfolgreich durchgeführt wurde, kann aus Härtefällen Menschen und aus Nothilfebezüger Steuerzahler machen.

Flucht ist kein Verbrechen!

Bleiberecht für Alle!

Kontakt: alle@bleiberecht.ch

3000 demonstrierten in Bern für eine andere Migrationspolitik

<p>Foto: Balthasar Glättli</p>

Foto: Balthasar Glättli

Trotz des schlechten Wetters demonstrierten am Samstag in Bern gegen 3000 Personen verschiedenster Nationalitäten, mit und ohne legalen Aufenthaltsstatus für das Bleiberecht für alle. Die gesamtschweizerische Demonstration wurde durch die Bleiberechtkollektive aus Zürich, Bern, Freiburg und Waadt organisiert.

Der Aufruf wurde von vielen Gruppen und Organisationen unterstützt. Der bunte Demozug führte von der Schützenmatte über den Breitschplatz und endete auf dem Waisenhausplatz. Auf der Strecke sprachen zahlreiche Flüchtlinge und Sans-Papiers über die Misstände mit denen sie täglich leben müssen. Weiter spielte vor der Marienkirche eine deutsche Theatergruppe und sangen die Rapperin Stef de la Chef und die Politjodlerin Momo.

Die aktuelle Migrationspolitik schaffe laufend neue Probleme, statt welche zu lösen, heisst es in der Medienmitteilung der Organisatoren. Abgewiesene Asylsuchende und solche, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, dürften in der Schweiz nicht arbeiten und wohnten in Notunterkünften mit minimaler Nothilfe.

Menschen mit vorläufiger Aufnahme lebten in Dauerprovisorien mit geringen Chancen auf Arbeit, Wohnung oder eine Lehrstelle. Sans-Papiers führten ein Schattendasein ohne Rechtsschutz. Sie alle lebten mit der ständigen Furcht, ausgeschafft zu werden.

An der Kundgebung vom Samstag standen vier Forderungen im Vordergrund: die kollektive Regularisierung, ein sofortiger Ausschaffungsstopp, die sofortige Umsetzung des Härtefallartikels und das Recht auf Familienzusammenführung.