Keine Waffen, keine Kriege! Nato abschaffen!

In einem Bus haben sich Anfang April über 40 Linke von der Schweiz aus Richtung Strassburg zu den «No Nato-Protesten» aufgemacht. Doch an der Grenze Basel-Mühlhausen durften wir nicht einreisen – warum nicht? Ein Bericht des vorwärts-Redaktors T. Dzikowski. Fotos: http://www.flickr.com/photos/dzitris/sets/72157616527140755/show/

Nach drei Stunden warten, Leibesvisitation, Pass- und Gepäckkontrolle händigten sie jedem vom uns ein Schreiben aus, dass unsere Einreise untersagt wird. Einer der leitenden französischen Beamten erklärte mir, ich sei eine potentielle Gefahr für Frankreich. Deshalb dürfe ich nicht einreisen. Ich musste laut lachen: Frankreich besitzt Atomwaffen und ich nur eine Kamera – wer bedroht hier eigentlich wen? Ich dachte, für den Frieden nicht demonstrieren zu dürfen ist eine Menschenrechtsverletzung. Auffallend war die internationale Zusammenarbeit: auf französischem Boden wurden unsere Pässe kontrolliert. Die französischen Beamten sassen in ihren Einsatzfahrzeugen und notierten per Hand Nummern aus jedem der Pässe bzw. Identitätskarten. «Gesichert» hat den Platz die Schweizer Grenzwache Region 1/Basel – wohl gemerkt auf französischem Territorium. Ich bat um ein Interview. Die Franzosen waren zu keinem bereit. Ein Schweizer Beamter rief über Natel den zuständigen Stabsadjutanten an. Herr Zumbach erklärte mir, die Schweiz leiste Amtshilfe nach Artikel 23 des Schengener Abkommens. Was die Franzosen genau machen, das wisse er nicht und darauf hätte er keinen Einfluss. Die Schweizer Grenzwache sichere nur den Platz. Akribisch durchsuchten die Staatsdiener unser Gepäck. Pro «Bedroher» wurden drei Uniformierte abgestellt. Einer durchsuchte das Gepäck, der zweite versuchte mit den Durchsuchten verhörähnlich ins Gespräch zu kommen, der dritte sorgte für den notwendigen Sicherheitsabstand zwischen dem wehrlosen «Bedroher» und den drei Bewaffneten. Nach drei Stunden ging es zurück in die Schweiz.

Polizeistaat

Engagement für den Frieden wird schon an der Grenze geschwächt. Drei Stunden warten macht mürbe. Doch irgendwie bin ich doch noch nach Strassburg gekommen. Schon in den Aussenbezirken standen an jeder zweiten Strassenecke mindestens ein Polizist, wenn nicht zwei. Unzählige Polizeiautos waren im Einsatz, Gruppenwagen, mindestens drei Helikopter waren in der Luft, LKWs mit aufmontierten Wasserwerfern waren zu sehen. Die Geschäfte waren geschlossen, keine Tram und kein Taxi fuhren. Die Stadt wurde zur Ausnahmezone. Wozu das alles? Für Tausende von DemonstrantInnen, die man – wie mich – schon an der Grenze, vor allem von deutscher Seite aus nicht durchlassen wollte? Mit einer Gruppe Demonstrierender gehe ich Richtung Demo – Tränengas liegt in der Luft, Schüsse waren zu hören. Eine Unmenge von Polizei ist zu sehen – dann Demonstrierende. «Zu gefährlich», meinte einer. So gingen wir auf das Festgelände. Hier lagen wir ein bisschen herum, bis uns eine schwarze Rauchsäule am Horizont auffiel. «Das ist vielleicht ein brennender Reifen?», meinte ein anderer. Die Neugier trieb uns zur Wolke. Gleich angrenzend ans Festgelände brannten Möbelstücke vor einem Hotel. Keine Polizei weit und breit – obwohl sie überall sonst war. Aber hier, nur zehn Schritte vom Festgelände war kein einziger. Zufall? Vermummte zerlegten die Inneneinrichtung des Hotels – später brannte das Haus. Gegenüber auch eine Apotheke. Erst viel später kam die Polizei. Und noch viel später die Feuerwehr. Sie kam so spät, dass die Apotheke völlig niederbrannte und das Hotel sehr grossen Schaden genommen hatte. Die Polizisten stellten sich auf und taten so, als würden sie gegen Autonome kämpfen. In Wirklichkeit liessen sie sich von der internationalen Presse fotografieren. Und wenn schon Schweizer Grenzbeamte auf französischem Boden sich für die Interessen der eigenen Bürger nicht interessieren – welche Interessen vertreten französische Polizisten, wenn sie sich fotografieren lassen, während hinter ihrem Rücken alles brennt?

Aus dem vorwärts, der am Freitag, 17. April erscheint

NATO-Gipfel: Der Widerstand beginnt

Der Aufbau des Widerstandscamps zum NATO-Gipfel in Strasbourg hat am 25. März offiziell begonnen. Auf dem Gelände im Stadtteil Ganzau wächst ein wichtiger Teil der Infrastruktur des internationalen Protests.

Das Gelände ist in vier Flächen unterteilt. Außer den Zelten der Demonstranten entstehen Küchen, ein alternatives Medienzentrum, ein Infopunkt, Platz für Anwälte und Rechtshilfeaktivisten, autonome Demosanitäter sowie Zelte für Workshops und Gesamtplenum.

Die Präfektur Strasbourg hatte die Camp-Organisatoren zunächst mit hohen Auflagen konfrontiert, die von den Aktivisten rundherum abgelehnt wurden. Mit der Aussicht, dass im Falle des Scheiterns der Verhandlungen anreisende AktivistInnen «out of control» campen oder notfalls leerstehende Häuser besetzen, hat die Behörde dennoch bereits letzte Woche begonnen Sanitäranlagen und Befestigungen für Wege zu installieren.

Währenddessen üben Gipfelgegner erneut heftige Kritik an extremistischen Äusserungen der Polizei. Zuletzt hatte der Polizeipräsident Baden-Württembergs, Hetger, davon gesprochen dass Demonstranten an der Grenze «selektiert» und «verarbeitet» würden.
«Im 70. Jahr nach dem deutschen Überfall auf Polen und der dann durch die deutsche Polizei unterstützten fabrikmäßigen Vernichtung von Menschen ist es unerträglich, dass ein deutscher Polizeiführer wieder Menschen aussortieren will», kritisiert Monty Schädel, Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK.

Die Polizei in Strasbourg hat diese Woche versucht, Einwohner der Stadt einzuschüchtern und antimilitaristische Transparente an Fassaden und Balkonen zu entfernen. Dies hatte landesweite Entrüstung hervorgerufen.

Am Montag nächster Woche findet unter dem Motto «Make militarism history» in Freiburg eine nicht angemeldete Auftaktdemonstration zum NATO-Widerstand statt. Am Mittwoch darauf öffnet das Camp in Strasbourg. Der Protest in Frankreich wird am gleichen Tag mit einer «Parade gegen den Sicherheitszirkus» begonnen.

Auch die Vorbereitungen gegen den G20-Gipfel in London laufen auf Hochtouren. Britische Polizei, Militär und Geheimdienste rechnen mit den heftigsten Protesten seit Einführung von Thatchers «Poll Tax». Aktivisten wollen Hotels stürmen, Transportrouten blockieren und haben mehrere Demonstrationen angekündigt. Die britische Polizei wertet den Widerstand als Auftakt zu einem «Summer of rage» («Sommer der Wut») und hat bereits Notfallpläne zur Evakuierung der Delegierten ausgearbeitet. Notfalls soll das Treffen an einem anderen Ort zu Ende gebracht werden.

Deutsche und französische Gruppen haben gestern einen Aufruf in verschiedenen Sprachen veröffentlicht, der zu einem «Summer of resistance» («Sommer des Widerstands») aufruft. Unter dem Motto «Sicherheitsarchitekturen einstürzen!» kritisieren die Aktivisten die fortschreitende Verschränkung innerer und äusserer Sicherheit. Nächste Etappen der Proteste sind der G8-Gipfel im Juli in Italien und ein Widerstandscamp gegen die «EU-Grenzschutzagentur Frontex» im August in Griechenland. Ende des Jahres wollen die EU-Inneminister unter schwedischer EU-Präsidentschaft das «Stockholm Programm» beschliessen, das weitreichende Verschärfungen europäischer Innenpolitik vorsieht. Gegen das Treffen wird eine europaweite Kampagne organisiert.

Kontakt:
Camp-Organisation: 0160 – 951 806 51
Résistance des deux rives: 0152 – 014 305 44