Massive Streiks in Italien

Italiens autonome Linksgewerkschaften COBAS gehen heute gegen die Regierung Berlusconi auf die Strasse. Gegen die wirtschaftliche und soziale Linie des Mitte-Rechts-Kabinetts planen sie einen Streik, der das ganze Land lahmlegen soll.

Von 9 bis 17 Uhr wollen die Bahnbediensteten die Arbeit niederlegen. Geplant ist auch ein achtstündiger Protest im öffentlichen Nahverkehr. Betroffen ist auch der Flugverkehr. Das Flug- und Bodenpersonal wird von 10.00 bis 18.00 Uhr die Arbeit niederlegen. Eine Grossdemonstration ist in Rom geplant.

„Wir planen den massivsten Streik und die größte nationale Kundgebung in der Geschichte der Basisgewerkschaften. Wir werden beweisen, dass die Basisgewerkschaften einen beträchtlichen Teil der italienischen Arbeitnehmer repräsentieren“, sagte COBAS-Sprecher Piero Bernocchi der Medienagentur APA.

„Angesichts der globalen Krise verlangen wir eine reale und gerechte Einkommensverteilung. Schluss mit der Regierung Berlusconi, die jegliche Form von Wohlfahrtstaat abbaut“, sagte Bernocchi.

Die COBAS fordern eine Erhöhung der Mindestlöhne, einen verstärkten Einsatz gegen unsichere Jobs mit einer Reform der Arbeitsgesetze, Modernisierung des Schulwesens, des öffentlichen Gesundheits- und Fürsorgesystems. Auch das Recht auf Wohnung zu Sozialpreisen zählt zu den Forderungen der Gewerkschaften.

Protestkundgebungen gegen die Schulreform

Kommende Woche planen die autonomen Gewerkschaften auch massive Protestkundgebungen gegen die Schulreform der Regierung Berlusconi. 87.000 Lehrerstellen und 44.500 Jobs im administrativen Schulbereich sollen innerhalb der nächsten drei Jahre gestrichen werden, was dem Staat Einsparungen im Wert von sieben Prozent der jährlichen Ausgaben für die Schulen bescheren wird. Auch die Universitäten sind in Aufruhr wegen der von der Regierung beschlossenen Kürzungen. Gegen die Schulreform gingen Schüler und Lehrer auch am heutigen Mittwoch in mehreren Städten auf die Straße.

COBAS-Chef Bernocchi appellierte an Lehrer, Schüler und Eltern, sich massiv an einer am 27. Oktober geplanten Demonstration gegen die Schulreform zu beteiligen. „Premierminister Berlusconi will mit seiner skandalösen Reform das öffentliche Schulsystem zugunsten des privaten Bildungswesens aushölen“, so Bernocchi.

Unia-Kongress hat neue Geschäftsleitung gewählt

Der Unia-Kongress hat am Samstag in Lugano eine neue, schlankere Führung gewählt und prüft eine Volksinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Die rund 400 Unia-Delegierten habe eine neue Führung gewählt. Dabei wurde die Geschäftsleitung von 11 auf 9 Mitglieder verkleinert. Im Amt bestätigt wurden die bisherigen Co-Präsidenten Renzo Ambrosetti und Andreas Rieger sowie die Geschäftsleitungsmitglieder Fabienne Blanc-Kühn, Jean-Claude Rennwald, Hansueli Scheidegger, Rita Schiavi und Michael von Felten. Mit Vania Alleva und Corrado Pardini wählte der Kongress neu zwei Vertreter/innen einer jüngeren Generation in die Geschäftsleitung. Ebenfalls verkleinert wurde der Zentralvorstand, der ebenso wie die Geschäftsleitung neu mindestens ein Drittel Frauen umfassen muss. Damit stellten die Unia-Delegierten vier Jahre nach der Fusion den Generationenwechsel und die bessere Vertretung der Frauen in ihrer Führung sicher.

Einen weiteren Kongressschwerpunkt bildete die anschliessende Debatte um das Positionspapier «Gute Gesamtarbeitsverträge für alle». Die Delegierten nahmen das Papier nach intensiver Debatte und einigen Änderungen an und etablierten damit präzise Eckwerte für die künftige GAV-Politik der Grossgewerkschaft. So müssen Gesamtarbeitsverträge gegenüber den gesetzlichen Minimalbestimmungen erhebliche Verbesserungen bringen und zum Beispiel Mindestlöhne, einen 13. Monatslohn für alle und vermehrt auch wieder den automatischen Teuerungsausgleich vorsehen. Zudem fordern die Delegierten nebst etlichen weiteren Punkten Arbeitszeitverkürzungen statt Arbeitszeitverlängerungen, das Verbot von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Nationalität oder Aufenthaltsstatus und konkrete Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Papier hält zudem fest, dass sich gesetzlicher und vertraglicher Schutz nicht widersprechen sondern ergänzen müssen. Das System der Gesamtarbeitsverträge müsse von den Behörden unterstützt werden. Wenn die Regulierung über GAV nicht gelinge, müssten gute Arbeitsbedingungen vom Gesetzgeber garantiert werden: «Wenn Arbeitgeber in ihrer Branche keine sozialpartnerschaftlichen Verträge mehr wollen, bereiten sie selber den Weg zu vermehrter gesetzlicher Regulierung.» Die Delegierten nahmen in diesem Zusammenhang den Antrag zur Lancierung einer Volksinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn zur Prüfung an.

Mindestlohn-Initiative in Genf

In Genf hat solidaritéS eine Initiative für die Einführung von Mindestlöhnen eingereicht. Die Partei hinterlegte bei der Staatskanzlei 12 300 Unterschriften. Damit soll endlich die Zahl der Working-Poor sinken.

Damit in Genf eine Initiative zustande kommt, braucht es mindestens 10 000 Unterschriften. solidaritéS wertete am Montag die recht kurze Sammelfrist als Hinweis dafür, dass das Anliegen in breiten Kreisen positiv aufgenommen wird. Die Unterschriften kamen innerhalb von drei Monaten zusammen und somit einen Monat vor dem Ende der Sammelfrist.

Im Initiaitvtext ist nicht geregelt, wie hoch der Mindestlohn sein muss. Ziel sei es, in der Verfassung zuerst den Grundsatz von Minimallöhnen zu verankern, erklärte der solidaritéS Vertreter Pierre Vanek. Danach könne das Kantonsparlament die Details in einem Gesetz festschreiben.

Mindestlöhne seien gerade in Genf dringend nötig, sagte Vanek weiter. Das Tieflohnsegment sei in der Rhonestadt viel grösser als anderswo in der Schweiz. Die Zahl von «working poors» – also Menschen, die trotz 100 Prozent Erwerbstätigkeit finanziell nicht über die Runden kommen – sei in Genf «viel zu hoch».

Genf ist nicht der einzige Kanton, der in nächster Zeit über eine Mindestlohninitiative debattieren muss. Erst vor kurzem wurden in den Kantonen Waadt und Tessin ähnliche Begehren eingereicht. Diskutiert wird die Frage auch in den Kantonen Neuenburg und Wallis.