Im Staate der Eidgenossen

Dank der Armee herrscht Freude im Lande. Wir werden daran erinnert, auf welcher Seite wir im Krieg standen, und wie es damals wirklich zu und her ging. Mit einer Blitzaktion in Libyen müssen wir wieder unsere Ehre herstellen, denn die ist viel wichtiger als die Jugendarbeitslosigkeit. 

Zugegeben, es gibt im ganzen Jahr keinen Tag, an dem eine Militärparade Sinn macht. Wenn aber für die perverse Zurschaustellung des Kriegs der 1. September gewählt wird, muss die Frage gestellt werden, ob der Respekt für die Opfer des Zweiten Weltkriegs fehlt. Er begann am besagten Datum des Jahrs 1939. Genau 70 Jahre später marschierte das Panzergrenadier-Bataillon 28 durch Basel und gab zum Ende des WK ehrenvoll die Fahne ab. Wir fragen: Regierung des Kantons Basel-Stadt, wo bleibt der Respekt vor den 60 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs?

 

Auf der «anderen Seite»

Regierungssprecher Marco Greimer bestätigte gegenüber Radio DRS, dass die Regierung die Einladung der Armee für den Apéro am Militärdefilee besprochen hat. Nicht besprochen wurde jedoch die Terminwahl und so sagt er: «Das dies jetzt der Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs ist, das ist niemanden bewusst gewesen». Nicht erst seit «jetzt», Herr Greimer, sondern seit 70 Jahren gibt es diesen Jahrestag… Sein Chef, der Grüne Regierungspräsident Dr. Guy Morin, muss denn auch etwas beschämt zugeben: «Die unglückliche Terminkoinzidenz ist uns nicht bewusst gewesen». Basel ist eben weit weg von Deutschland und das Datum vom 1. September 1939 nur schwer in den Geschichtsbüchern zu finden.

Dr. Christoph Eymann, Vorsteher des Erziehungsdepartements, will «keine historischen Zusammenhänge herstellen und persönliche Schlüsse daraus ziehen». Für das sei er nicht da, sagt er. Und er gehe gerne an den Anlass, denn es sei «schlicht und einfach eine Anstandshandlung der Truppe gegenüber Dankeschön zu sagen. Weil die jetzt ihren WK zu Ende gehen lässt und sie schliesslich sehr viel gemacht hat für die Allgemeinheit». Ach ja? Was konkretes denn Herr Dr. Eymann? Sinnlos mit Steuergeldern in der Landschaft rumgeballert?

Baschi Dürr, FDPler im Grossen Rats des Kantonsparlaments und Vizepräsident seiner Fraktion, erinnerte daran, dass die «Armee auch wegen dem Krieg» da ist. Für Herr Dürr ist so ein Aufmarsch auch am 70. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs «nicht problematisch». Er sagt am Radio: «Und dann kommt auch dazu, dass es nicht die Deutsche Wehrmacht ist, die sich da zeigt, sondern es ist die Schweizer Armee und öhhh… es ist immer noch so, dass die Schweiz in diesem Krieg auf der anderen Seite gestanden ist.» Ja Herr Dürr, genau so war es: Die Schweiz war eine antifaschistische Widerstandsinsel im heldenhaften, unbeugsamen Kampf gegen den Faschismus. Deswegen war das Boot ja auch voll und Tausende von Kindern, Frauen und Männer wurden an der Grenze wieder zurück ins Dritte Reich in den sicheren Tod geschickt. Sie wurden erschossen oder vergast. Weil wir auf «der anderen Seite» standen, durften wir bis kurz vor Kriegsende Kriegsmaterial nach Deutschland exportieren. Und weil wir die Nazi-Barbarei bekämpften, nahmen die Banken freundschaftlich dankend das Nazi-Gold auf und stopften sich damit die Taschen voll. Danke Herr Dürr, dass Sie uns daran erinnert haben, wie es wirklich war. Wir hatten schon fast vergessen, auf welcher Seite wir standen.

Freude herrscht

Natürlich meldete sich auch der nationale Chefkrieger Ueli der Maurer zu Wort. Ja und er sagte, dass man sich am Truppenaufmarsch in Basel «freuen könne, dass die Schweiz eine eigene Armee hat und daher keine Fremde braucht». Ja, dank der Armee herrscht im Lande der Eidgenossen Freude, die man auch «an einem vorbelasteten Datum wie dem 1. September zeigen kann und zwar gerade an einem heiklen Termin». So, und warum denn Herr Maurer? Ueli erklärt zum Nazi-Überfall in Polen: «Da hat ein Land gezeigt, das keine Armee hatte, das sich nicht wehren konnte, dass man überrannt wird und wir können sagen: Wir haben eine Armee, das passiert uns nicht». Stimmt, auch das hatten wir fast vergessen: Die Schweiz blieb vom Krieg verschont, weil unsere Armee an der Grenze stand und die Wehrmacht sich vor Angst in die Hose gepinkelt hat. Nur gut, dass der Kriegsminister uns daran erinnert, ist ja auch sein Job!

Bei so viel Freue und heroischen Taten unserer Armee, drängt sich eine Kriegserklärung schon fast zwingend auf. Dies will dann auch die «Lega dei Ticinesi». Sie fordert die Schweiz auf, «Libyen den Krieg» zu erklären. «Die in Tripolis festgehaltenen Geiseln müssten mit Waffengewalt befreit werden», schreibt Lega-Grossrat Boris Bignasca in einer Resolution. Er verlangt von den Tessiner Behörden, dass sie sich vor der Bundesversammlung für diese «aussergewöhnliche, aber unausweichliche Initiative» stark machen. Dabei soll das Schweizer Volk die «Risiken und Opfer eines bewaffneten Konflikts mit Entschlossenheit» angehen. Bignasca schlägt vor, dass «Schweizer Soldaten in einer Blitzaktion die in der Schweizer Botschaft festgehaltenen Geiseln befreien». Der Typ schaut zu viele Ami-Kriegsfilme. Mit der Blitzaktion «würden die Rechte, Interessen und nicht zuletzt auch die Ehre der Schweiz gewahrt», schreibt der 22-jährige Student der Rechtswissenschaften und Sohn von Lega-Präsident Giuliano Bignasca in der Resolution. Der Apfel fällt wirklich nicht weit vom Stamm.

Billige Jugend

Und wenn es um Ehre und Ruhm der Nation geht, müssen die anderen Problemchen in den Hintergrund gestellt werden. So zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit: 9,4 Prozent aller SchweizerInnen im Alter von 20 bis 24 Jahren werden im kommenden Jahr keine Stelle finden, lautet die Prognose des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). «Das sind rund 32 000 junge Männer und Frauen – der höchste Wert, der hierzulande je verzeichnet wurde», schreibt der Tagi in seiner Ausgabe vom 7. September. Das liegt «insbesondere an den Einstellungsstopps der Unternehmen», erklärt Bernhard Weber, Arbeitsmarktexperte beim Seco. Und ich dachte schon der Grund sei die notorische Faulheit der Jugendlichen. Nun «kümmert sich die Politik um die Jungen», ist im Tagi weiter zu lesen. Das ist wirklich beruhigend und sieht so aus: Für «Übergangslösungen wie Sprachaufenthalte im Ausland oder Module an Hochschulen» sollen 40 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden. Und für «die Einarbeitung von schwer vermittelbaren jungen Erwachsenen zahlt der Staat den Unternehmen eine Entschädigung. Budgetiert sind 12 Millionen Franken». Total 52 Millionen Franken im Rahmen des dritten Konjunkturpakets im Gesamtwert von 400 Millionen Franken. Wenig mehr als 10 Prozent ist die Jugendarbeitslosigkeit den PolitikerInnen wert und verglichen mit den 68 Milliarden für die UBS gar weniger als ein Prozent. Weniger klar ist, «inwieweit die Massnahmen Wirkung zeigen werden», denn das weiss niemand so genau, selbst das Seco nicht. Tja, Wunder darf man auch im Staate der Eidgenossen nicht erwarten, ausgenommen für unsere glorreiche Armee natürlich.

Aus dem vorwärts, der am 18.September erscheint!