Schweigen verboten!

An einem Podium der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht(SBAA) hielten sie fest, dass seit den Gesetzesneuerungen Asylsuchende in der Schweizvermehrt in prekären Situationen leben. Kritisiert wurden insbesondere die Nothilfe und diefehlende Umsetzung der Härtefallregelung in verschiedenen Kantonen.

Zwei Beispiele

Eine Asyl suchende Familie, die nicht ausreisen kann, weil ihr Heimatland keinen Passfür sie ausstellt, wird plötzlich zu «Illegalen» – obwohl sie ausreisen möchte. Sie erhältnur noch Nothilfe und gerät in eine Bettelexistenz. Beide Eltern sollen zudem Bussenwegen illegalen Aufenthalts bezahlen.

Eine gut integrierte Familie, deren Kinder in der Schweiz geboren und hier zur Schulegegangen sind, soll trotz 21jährigen Aufenthalts des Vaters in der Schweiz ausreisenmüssen. Grund: Dieser ist nach einer Diabeteserkrankung erwerbslos geworden und die Familie hat zeitweise Sozialhilfe bezogen.

Dies sind nur zwei Beispiele, die aufzeigen, wie sich das Asyl- und das Ausländergesetz aufdie betroffenen Personen auswirken. Über die beiden Gesetze diskutierten am Samstag, 28. März Expertinnen und Experten an einem Podium der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht. Die Asylgesetzrevision, so der Tenor des Podiums, hat ihr Ziel –die Senkung der Zahl der Asylsuchenden – verfehlt. Hingegen geraten beide Gesetze immerwieder mit internationalen Konventionen oder der Bundesverfassung in Konflikt.

Kritisiert wurde insbesondere die Nothilfe: Sie bringe die Betroffenen in eine prekäre Lageund verletze die Menschenwürde. Auch zur Härtefallregelung, laut der in persönlichenHärtefällen Aufenthaltsbewilligungen erteilt werden können, wurde Kritik laut. «Die Härtefall-Artikel der neuen Gesetze sind in diversen Deutschschweizer Kantonen toter Buchstabe»,hielt Rechtsanwalt Marc Spescha fest. Die übersteigerten Anforderungen an einzelne Kriterien liefen, so der Experte im Ausländerrecht, auf eine Rechtsverweigerung hinaus. CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer forderte in ihrem Votum die Einrichtung vonHärtefallkommissionen. Diese seien zentral, damit Familien in prekären Verhältnissen eingeordnetes Leben ermöglicht werde.

Einhellig lehnten die Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmer die erneute Gesetzesrevisionab. Diese reduziere noch mehr die Möglichkeiten für Flüchtlinge, in der Schweiz Schutz zu erhalten, und sei aus menschenrechtlicher Sicht fragwürdig. Hintergrund der Flucht sei zudem nicht die Attraktivität der Schweiz, sondern die Situation im Herkunftsland: Verfolgung, Krieg, Verwüstung, Armut und fehlende Perspektiven.

Schweigen verboten!

Die ebenfalls am Samstag abgehaltene Generalversammlung der SBAA unter der Leitungder Präsidentin und alt-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot bekräftigte, dass die Anwendungder Gesetze beobachtet, dokumentiert und öffentlich gemacht werden müsse. Denn immer wieder geraten die beiden Gesetze in Konflikt mit der Menschenrechtskonvention, der Kinderrechtskonvention, der Flüchtlingskonvention, Schweizer Gesetzen oder der Bundesverfassung.

Nur widerwillig geduldet, auch in der Kirche!

Die Vollversammlung der Sans-Papiers hat beschlossen, ab Sonntag, den 4. Januar neu in der Kirche St. Jakob beim Stauffacher das angebotene Kirchenasyl in Anspruch zu nehmen.

Die Papierlosen haben kein Interesse an einem Konflikt mit der Kirche, zeigen sich aber enttäuscht, dass in der Predigerkirche die entrechteten Menschen nur widerwillig geduldet wurden. Die benachteiligten Menschen der Gesellschaf sind auch an diesem Ort nicht willkommen.Mit der Erfüllung der Bedingung von Regierungsrat Hollenstein kann das Gespräch am Montag stattfinden. Die Sans-Papiers begrüssen, dass Kirchenratspräsident Ruedi Reich als Vermittler auftritt. Das Gespräch soll daher beim Kirchenratspräsidenten, an einem neutralen Ort, geführt werden. Die Papierlosen erwarten ein konkretes Entgegenkommen bezüglich ihrer Forderungen. Bei der Umsetzung der Härtefallregelung, wie auch bei der Ausgestaltung der Nothilfe, hat der zuständige Regierungsrat die Kompetenzen, Verbesserungen in die Wege zu leiten und schnell umzusetzen. Die Sans-Papiers zeigen sich ein weiteres Mal gesprächsbereit, sind aber nicht gewillt sich auf später vertrösten zu lassen.

Zürich: Kirche besetzt!

Ab heute besetzen Sans-Papiers und Schweizer AktivistInnen die Predigerkirche in Zürich, um gegen die Migrationspolitik im Kanton Zürich und in der Schweiz zu protestieren. Sie fordern eine bessere Umsetzung der Härtefallregelung, Ausweispapiere für alle und eine Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylsuchende.

Auf den Tag genau ein Jahr nach der symbolischen Besetzung der Grossmünster-Kirche, fanden sich 150 Sans-Papiers und AktivistInnen in der Predigerkirche ein, um gegen die Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht zu protestieren. Auch im vergangenen Jahr, so halten die BesetzerInnen in ihrer Stellungnahme fest, habe das Migrationsamt Zürich an seiner unmenschlichen und irrationalen Migrationspolitik festgehalten.

Die betroffenen Sans-Papiers sind nun nicht mehr länger bereit, die Haltung der Behörden und der Zürcher Regierung stillschweigend zu akzeptieren. Anscheinend gelte für den Kanton Zürich das Schweizer Recht nicht: «Wie kommt es, dass der Kanton Zürich unterdessen der einzige Kanton ist, wo keine Härtefallgesuche behandelt werden? Wie kommt es, dass eine Behörde uns zwingt, strafbare Handlungen zu begehen und uns so zu Kriminellen stigmatisiert? Viele von uns Sans-Papiers, welche in den Notunterkünften leben, müssen wöchentlich einmal auf dem Migrationsamt erscheinen, wo wir eine neue Unterkunft zugeteilt bekommen. Die Nothilfe wird jedoch in Form von Migros-Gutscheinen ausbezahlt und uns bleibt nichts anderes übrig, als schwarz zu fahren!» So fassen sie die behördliche Schikaniererei in ihrem Communiqué zusammen. Und: «In allen anderen Kantonen hätte der Grossteil von uns längst ein Bleiberecht erhalten!»

Mit der Kirchenbesetzung wollen die Sans-Papiers und andere solidarische Personen auf die unerträgliche Situation aufmerksam machen und auf ihre Rechte zu pochen. Insbesondere fordern sie:

1.    Humane und unbürokratische Umsetzung der gesetzlich verankerten
Härtefallregelung!

2.    Papiere für alle! – Schluss mit der Kriminalisierung und
Inhaftierung von Sans-Papiers!

3.    Aufhebung des Arbeitsverbotes – Arbeit statt Nothilfe!

Personen, die diese Anliegen unterstützen möchten, sind herzlich eingeladen, sich an der Besetzung zu beteiligen: Einfach mit einem Schlafsack bei der Predigerkirche Zürich einfinden.