20 minuten und die Demagogie

Gestern hörte man vom Briefbombenanschlag gegen das AKW-Konsortium Swissnuclear. Heute schon konnte man in „20 minuten“ ausgiebige Spekulationen über Motiv und Täter lesen. Dabei offenbart 20 minuten ein gerüttelt Mass an Demagogie.

Spekulation und Anschuldigung

Unter dem Titel „Wer steckt hinter dem Attentat?“ führte man ein Inverview mit Samuel Althof, seineszeichens Leiter der Fachstelle „Extremismus und Gewaltpräventation“. Schon mit der ersten Frage führte man das Interview ins Reich der Spekulationen, denn gefragt wurde, wer hinter den Anschlägen stecken könnte. Da liess es sich der ausgewiesene Experte Althof nicht nehmen, gleich den Revolutionären Aufbau ins Feld zu führen. Konsequenterweise -man spricht ja immerhin mit einem Extremismus- und nicht mit einem politischen Experten- erscheint der Aufbau dann auch nicht als revolutionär-kommunistische, sondern als „in der Schweiz domizilierte, aber international vernetzte, linksextreme Organisation“. So wurde bereits hier das Feld des Interviews abgesteckt: Beschuldigung und Spekulation, trotz (oder gerade wegen!) der Abwesenheit jedweder Beweise, sowie Entpolitisierung politischer Organisationen.

Demagogisches Meisterspiel

Von geradezu erstaunlicher Suggestivität ist dann die nächste Frage von 20 minuten: „Es könnte sich also um die gleiche linksextreme Gruppierung handeln, die die Anschläge auf verschiedene europäische Botschaften verübt hat?“ Halten wir hier inne. Augenscheinlich bezweckt man mit derart gestellten Fragen die Schuldzuweisung zu verfestigen. Es soll beim Leser keine Unklarheit mehr herrschen, wer da für schuldig zu befinden ist. Das ist die eine Seite der Manipulation, die andere äussert sich darin, dass der Zusammenhang „Aufbau = Anschläge auf europäische Botschaften“ schlichtweg falsch ist. Zu den Anschlägen auf Botschaften, die Ende letzten Jahres verübt wurden, bekannte sich ja -man sollte meinen bekanntermassen- die „Revolutionäre Zelle der anarchistischen Gruppe“. Wie kann man sich also zu der Aussage versteigen, dass, mit dem Aufbau, die selbe Organisation für die jetzigen Anschläge verantwortlich ist? Die Antwort liefert uns die Antwort von Herrn Althof. Der sagt nämlich nicht nur, dass genau das „zu vermuten“ ist, sondern bringt auch den „Ökoterrorist“ Marco Camenisch ins Spiel, der „nicht einmal vor Mord“ zurückschreckte. Der Trick bei dieser eigentlich wahllosen Zuschreibung von Zusammenhängen ist folgender: Man fasst kurzerhand alle politischen Organisationen unter „linksextrem“ zusammen. In diesem Interview offenbart sich der Begriff als Kampfmittel des Bürgertums: Indem man die Unterschiede zwischen Kommunisten und Anarchisten (generell zwischen verschiedenen politischen Strömungen) verwischt und alles in dem Begriff des „Extremismus“ zusammenfasst, ist es möglich geworden, eigentlich abstruse Verbindungen als glaubwürdige Tatsachen zu verkaufen. Ein Meisterstück der Demagogie.

Eine doppeldeutige Warnung

Aufhorchen lässt der letzte Satz von Herrn Althof: „Die Bombe hätte auch in jedem anderen europäischen Land hochgehen können.“ Wie das? Denkbar ist so eine Aussage nur, wenn man gesellschaftliche Zusammenhänge ignoriert. Das es in jedem Land passieren könne wird gesagt, weil man den Eindruck von zielloser, spezifisch linker Gewalt erwecken möchte, die sich weder um Umstände noch um einen zu erreichenden Zweck schert. Aber, kurz nachgedacht, hätte diese Bombe auch in Österreich, dem AKW-freien Land gelegt werden können? Natürlich nicht, aber ebenso natürlich werden derlei Gedanken nicht genannt. Dafür ist der Satz gleichsam eine Warnung: „Hütet euch vor den Linken, sie sind die Terroristen des neuen Jahrzehnts!“ So zeigt sich in jeder Phrase das eigentliche Ziel dieses Interviews: Hetze und Panikmache gegenüber alledem, was sich irgendwie unter dem Wort vom „Linksextremismus“ sammeln lässt. Fakten, Beweise, grundierte Analyse spielen dabei keine Rolle mehr – sie haben es wohl nie getan.