Über 30’000 Arbeitsplätze in Gefahr

Die Autoindustrie bekommt Milliarden vom Staat, um Zehntausende von Arbeitsplätze zu vernichten.

Das einstige industrielle Herz der USA, der Autokonzern General Motors, hat am Montag 1.Juni 2009 Insolvenz angemeldet. Unter Regierungsaufsicht soll am Ende des Insolvenzverfahrens ein neues GM entstehen. Dazu übernimmt die US-Regierung 60 Prozent an dem Konzern. Das neue GM soll nur die lukrativen Konzernteile behalten. Ein Dutzend Fabriken werden geschlossen und 21.000 Arbeiter verlieren ihre Jobs.
Opel, ein europäisches Tochterunternehmen, ist vorerst vor der Insolvenz gerettet. In letzter Minute haben sich der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna und die russische Sberbank mit GM geeinigt. Sie übernehmen die Mehrheit an Opel. GM und Sberbank sollen künftig je 35 Prozent der Anteile an GM Europe halten, das im Wesentlichen aus dem deutschen Autobauer Opel und der britischen Schwester Vauxhall besteht. 20 Prozent will sich Magna sichern, und mit zehn Prozent sollen sich die Opel-Mitarbeiter beteiligen.

11.000 Opel-Arbeitsplätze auf der Abschussliste
Die vier deutschen Opel-Standorte Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach sollen erhalten bleiben; vorgesehen ist ein Abbau von 2500 bis 2600 Arbeitsplätzen in Deutschland und von bis zu 8500 Jobs in anderen europäischen Werken. Gefährdet sind die Werke in Antwerpen in Belgien und ein Standort in Grossbritannien.
Die Bundesregierung spendiert so viel Geld und Bürgschaften, dass Magna und Sberbank ohne Risiko bei Opel einsteigen können. Der Bund und die vier Bundesländer mit Opel-Standorten sichern einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro staatlich ab. Insgesamt übernimmt der Bund Bürgschaften für Kredite von bis zu 4,5 Milliarden Euro. Bei den von Magna genannten Eigeninvestitionen handelt es sich nicht um eigenes Geld. Zum Einen erhält Magna Bürgschaften, zum Anderen sind die Magna-Gelder «vorrangig abgesichert». Würde das Unternehmen pleite gehen, dann wird zuerst Magna aus der Insolvenzmasse bedient. Bund und Länder können dann ihre Kredite und Bürgschaften abschreiben.
Schon am Dienstag, nur einen Tag nach dem der Deal eingefädelt war, hat die Bundesregierung die ersten 300 Millionen Euro an Opel überwiesen – als Vorschuss auf die zu erwartenden 1,5 Milliarden Euro Überbrückungskredit sozusagen. Noch am vergangenen Mittwoch, beim ersten Opel-Gipfel im Kanzleramt, hatten die Vertreter der Bundesregierung reagierten empört, als GM eine Überweisung von 300 Millionen Euro erbeten hatte. Jetzt erspart der Finanzminister ganz überraschend dem Investor Magna die Vorkasse.

Arbeitsplätze nicht auf Dauer gesichert

Was in Berlin und Rüsselsheim als Durchbruch verkauft wird, könnte sich schon bald als Sackgasse erweisen. Das merkwürdige amerikanisch-kanadisch-österreichisch-russische Konsortium erklärt, dass Opel eine Zukunft habe, weil Russland immer mehr Autos braucht, aber selbst über keine Produktion verfüge. Opel könne nach Osten exportieren und so seine Fabriken in Deutschland auslasten. Opel könne den russischen Autoherstellern auch mit Entwicklung und Lizenzen unter die Arme greifen.
Aber da ist auch noch der russische Autohersteller Gaz, ein marodes Unternehmen mit 100.000 Beschäftigten und ohne Zukunft, weil die Fahrzeuge nichts taugen. Gaz ist so verschuldet, dass es seine Aktien längst an die staatliche Sberbank verpfändet hat. Dass das Konsortium keine Garantie für die Arbeitsplätze in Westeuropa machte, hat einen Grund: Gaz steigt zwar nicht selbst bei Opel ein, fungiert aber als industrieller Partner. Die Moskauer Regierung wird alles tun, um mit Hilfe von Opel aus GAZ einen modernen Autofabrikanten zu machen und möglichst viele Arbeitsplätze in Russland zu retten. Dass die Opel-Beschäftigten künftig mit zehn Prozent an dem Unternehmen beteiligt sind, wird nicht verhindern können, dass die Arbeitsplätze nach Osten abwandern. Spätestens dann, wenn die Fabriken in Russland modernisiert sind.

Spätestens dann wird sich auch die Frage stellen, warum die Bundesregierung so viel Geld investiert hat, ohne eine langfristige Perspektive für die Beschäftigten und das Unternehmen zu eröffnen.

Chance vertan – DKP fordert sozialen und ökologischen Umbau der Automobilindustrie
«Der Staatseinfluss bei Opel muss dazu genutzt werden, den Einstieg in den Ausstieg aus der klassischen Automobilproduktion sozialverträglich einzuleiten. Sozusagen als Pilotprojekt für die ganze Branche», meint die Automobilspezialistin und DKP-Frau Ulrike Schmitz. Alfred Hartung, Redaktionsmitglied des «Roten Käfer», der DKP Betriebszeitung für VW Braunschweig und Wolfsburg ergänzt: «Eine ökologische und ökonomische Wende braucht aber neue gesellschaftliche Visionen. Neue vernetzte Verkehrssysteme sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zum direkten Menschenschutz. Für den Personen- und Warenverkehr, zunächst in den Grossstädten weltweit, brauchen die Menschen effiziente, preiswerte, leise und umweltfreundliche Transport- und Verkehrssysteme. Solch ein Umbau ist aber nur mit Staatseinfluss zu stemmen. Er erfordert eine gesamtgesellschaftliche Planung und Arbeitsplatzgarantien. Beides keine Merkmale des Kapitalismus. .. Von unseren belgischen Genossen kennen wir die Forderung, Opel zu einem europäischen Staatsunternehmen zu machen. Das geht sicherlich nicht unter Führung durch die EU-Kommission, die ja ein Hort des Neoliberalismus ist. Die belgischen Genossen verbinden mit Staatseinfluss eine bessere gesamtgesellschaftliche Planung und den Einstieg in die Umorientierung der Automobilindustrie. Um das zu verwirklichen, muss sich der Charakter der EU von einem Zusammenschluss für die Interessen der Konzerne hin zu einem Europa der Beschäftigten verändern. Das heisst: Angleichung von Arbeitszeit nach unten, von Löhnen und sozialen Standards nach oben, das heißt gesellschaftliche Kontrolle, letztlich ein anderes Gesellschaftssystem. Das im EU-Wahlkampf zu thematisieren macht ja durchaus Sinn.»

Quelle: kommunisten.de

Deutsche Autoindustrie: Das grosse Klagen

Finanzkrise, Absatzprobleme – die Autoindustrie schreit um Hilfe. EU-Kommissar Verheugen will einen Auto-Krisengipfel einberufen. Deutsche Politiker fordern, der Staat müsse eingreifen. Der Steuerzahler soll’s jetzt richten.

Deutsche Autos haben derzeit keine Konjunktur. Sie sind übermotorisiert, zu schwer, zu teuer – Europas Nummer 1 beim Spritverbrauch. Das Problem der Autoindustrie ist nicht die Finanzmarktkrise, sondern ihre verfehlte Modellpolitik, sagt Marc Specowius von Greenpeace folgerichtig. Würden die deutschen Hersteller sparsamere, leichtere Autos bauen, würden die Verbraucher ihnen diese Autos aus den Händen reißen.

Trotzdem läuft die deutsche Autoindustrie zurzeit Sturm gegen die CO2-Vorgaben der EU-Kommission. Dabei wird sie aktiv unterstützt von Kanzlerin Angela Merkel und Umweltminister Sigmar Gabriel.

Verkehrsexperte Specowius fordert die Bundesregierung auf, jetzt nicht einen Cent aus Steuergeldern direkt an die Autoindustrie zu zahlen. Stattdessen müsse sie endlich steuerliche Anreize für spritsparende Autos schaffen.

Die Bundesregierung müsse Dienstwagenbesteuerung und Kfz-Steuer am CO2-Ausstoss ausrichten. Ausserdem sollen Anreize für den Kauf von sparsamen Autos geschaffen werden, etwa eine Bonus-Malus-Regelung nach französischem Vorbild.

Die Autohersteller erhielten schon heute Milliardenhilfe vom Staat. Dazu gehört auch die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstwagen – für Specowius ein staatlich finanziertes Förderprogramm für Neuwagen mit häufig hohem Verbrauch. Ergebnis: Steuerausfälle von 8,6 Milliarden Euro pro Jahr.