Krisengewinner sind die Millionäre!

Zehn Millionen Menschen gibt es weltweit, die mehr als eine Million Dollar flüssig haben. Flüssig bedeutet: Sie haben das Geld übrig, der Betrag ist frei verfügbar, ihr luxuriöser Lebensstil ist bereits finanziert. Die Geldsumme kann jederzeit und überall investiert werden. Noch flüssiger, geradezu  überflüssig sind die 93.000 Ultra-HNWIs (die Ultra High Net Worth Individuals), zu deutsch die Super-Reichen. Sie haben mindestens 30 Millionen Dollar an liquiden Mitteln – über ein Fünftel mehr (21,5%) als im Jahr davor.

Die zehn Millionen „einfachen“ Dollar-Millionäre sind in der Regel ebenfalls Multi-Millionäre. Sie verfügen über ein gesamtes Geldvermögen von 39 Billionen (39.000 Milliarden) Dollar, 18,9% mehr als 2008. Die Summe entspricht zwei Drittel (67,3%) des globalen BIPs. Pro Vermögenden sind es im Durchschnitt fast vier Millionen Dollar (3,9 Mio.).
In Deutschland gibt es mit Abstand die meisten Geld-Reichen in Europa. Ihre Zahl kletterte im Krisenjahr 2009 um 51.000 (+ 6,3%) auf 861.000, das sind mehr als Großbritannien  (448.000) und  Frankreich (383.000) zusammen. In Europa hatte ein Geld-Millionär im Durchschnitt 3,25 Millionen Dollar: Multipliziert mit der Zahl der deutschen Millionäre und auf Euro umgerechnet, ergibt das einen Geldschatz von von knapp 2.200 Milliarden Euro. Das gesamte Geldvermögen in Deutschland betrug Ende 2009 4.640 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Ein Prozent der Bevölkerung verfügte über fast die Hälfte (47%) des geldwerten Reichtums. Eine solche Reichtumskonzentration gab es noch nie.

Mehr noch. Die Finanzkrise führte nicht zu dem notwendigen, krisenmindernden Abschmelzen des gigantischen Geldüberhanges. Das wäre dann der Fall gewesen, wenn Banken, andere Geldinstitute und Spekulationsfonds echte Verluste hätten hinnehmen müssen oder gar Pleite gegangen wären, was aber durch die staatlichen Bankenrettungsschirme zu Lasten der Steuerzahler verhindert wurde. Oder wenn die gigantischen Geldvermögen durch eine wirksame Vermögens-, Reichtums- oder Millionärssteuer zumindest etwas abgeschöpft worden wären. Zehn Prozent Steuer auf die Geld-Millionäre hätten 2009 220 Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen gebracht und wären noch nicht einmal an die Substanz gegangen, denn der Zuwachs des Geldvermögens betrug 14,2% in Europa. Mit dem Geld aber wären wirksame staatliche Investitionen in Gütern und Dienstleistungen, Struktur- und Bildungsmassnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Anhebung des Lebensniveaus möglich gewesen.

So aber legen die Geld-Reichen ihre gewachsenen Finanzmittel erneut in der Finanzindustrie an, drehen noch gewagtere Spekulationsräder und beschleunigen die Raserei an den Finanzmärkten. Und die staatlichen Rettungspakete ließen die Staatsschulden explodieren, mit der Folge, dass mit Staatsanleihen dem Geldadel ein neues Anlagefeld eröffnet wurde, dieser jetzt auf den Bankrott ganzer Staaten spekulieren kann.

An dieser gigantischen Ausplünderung der Bevölkerung über die Staatsverschuldung und dem Diktat der Finanzmärkte ändern auch etwaige Finanzmarkt-Regulierungen nichts, wie sie jetzt von der Bundesregierung zum G-20-Gipfel vorgeschlagen werden und die ohnehin nur kosmetischer Natur sind. Das Problem ist nicht der Damm, das Problem ist die Flut. Solange die Geldfluten nicht abgeschöpft werden sondern sogar noch ansteigen, nimmt der Druck zu, werden sie an irgendeiner Stelle durchbrechen und die nächste Katastrophe herbeiführen.

„Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen?“, fragten Marx und Engels im Manifest: „Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“.

Quelle: kommunisten.de

Lateinamerika: Frühlingswinde oder Herbststürme?

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist in Lateinamerika geprägt von einem grossen Aufbruch, doch wo ist die internationale Solidarität geblieben?

200 Jahre nach der Erringung der Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialmacht sind die damals entstandenen Republiken, die bis vor kurzem durch kleine Eliten und Profiteure beherrscht worden waren, in eine grundsätzliche Krise gefallen. Längst haben es die Menschen satt, zusehen zu müssen, wie die nationalen Reichtümer ausgeplündert werden, ohne dass sich im Land eine nennenswerte soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung abzeichnet. Die Verantwortung und das Versagen der alten Regimes und des kapitalistischen Systems sind enorm. Der Ruf nach einem anderen Kurs, nach einem anderen Umgang miteinander und mit der Umwelt wird nicht nur an Weltforen laut, sondern beginnt sich ansatzweise durchzusetzen.

Der erste Bruch mit dem Alten gelang – einmal abgesehen von Cuba – vor elf Jahren in Venezuela. Ihm folgte vor sieben Jahren Brasilien, dann Bolivien und Ecuador. Selbst in Paraguay gelangte nach sechzig Jahren Diktatur erstmals ein vom Volk unterstützter ehemaliger Bischof an die Regierung, auch in Uruguay und El Salvador mussten die alteingesessenen Eliten Wahlniederlagen einstecken. Jede dieser Entwicklungen hat eigenständigen Charakter, lässt sich nicht vergleichen und ist alles andere als langfristig gesichert. Wir tun jedoch gut daran, genau hinzusehen, nicht allen Verdrehungen der Massenmedien Glauben zu schenken und uns insbesondere nicht abzuwenden.

Denn was sich da im Einzelnen abspielt, hat viel mit unserem eigenen Selbstverständnis zu tun. Im Kern geht es um vermehrten sozialen Ausgleich statt indiskriminierte Ausbeutung, um vermehrten Respekt vor der Natur statt rücksichtslose Ausplünderung. Kurz: Um eine Neugründung des Staates statt Abbau des Staates, des Service public, der Verantwortung für Mensch und Umwelt. Um eine Kultur des Lebens statt einer Kultur des Todes. Besonders spannend sind diese Bestrebungen in jenen Ländern, die auf Jahrtausende alte, aber immer noch lebendige kulturelle Wurzeln zurückgreifen können, die nicht auf dem christlich-abendländischen Modell gründen, wie zum Beispiel in Bolivien.

Neue Akteure in einer neuen Welt

Allerdings: Die globalen Hintergründe, vor denen sich diese neuen Szenarien abspielen sind bei weitem nicht mehr die Selben wie bei den früheren Emanzipationsbestrebungen der 50er bis 80er Jahre. Auf die Welt-Konfrontation zweier unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der Nachkriegszeit folgte dann kurzfristig die Alleindominanz des von den USA aufoktroyierten neoliberalen «Modells».

Angesichts der desaströsen Folgen für die überwiegende Mehrheit der gegen 600 Millionen Bewohner Lateinamerikas und der Karibikstaaten sind nicht nur national neue Bewegungen auf den Plan getreten, auch international sind neue Akteure am Werk, welche die Monroe-Doktrin der USA («Amerika den Amerikanern») ignorieren: So die EU, auch Iran, anonyme Investments-Fonds, allen voran jedoch China. Das Rennen um Rohstoffe, Pharmaka, Kredite, Territorien ist neu lanciert…

Daher sind jene Bestrebungen von besonderer Bedeutung, welche die US-Dominanz ablösen wollen durch eine lateinamerikanische Integration. Ansätze dazu gibt es mehrere, ausgehend von der Abhalfterung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist UNASUR am entstehen, daneben ist die Gruppe von Rio aktiv geworden, auf wirtschaftlicher Ebene gibt es bereits den Mercosur, und am weitesten geht die kubanisch-venezolanische Initiative ALBA, mit der nicht nur das bereits weit ausgebreitete Fangnetz von Freihandelsabkommen mit den USA hat ausgebremst werden können, sondern weit umfassender auch eine mediale Komponente (Telesur), eine Entwicklungskomponente (Banco del Sur), ja sogar eine völkerverbindende sportlich-kulturelle Achse beinhaltet.

Selbstverständlich geben sich die Vereinigten Staaten, die multinationalen Konzerne und die mit ihnen verbandelten nationalen Oligarchien alles andere als geschlagen. Nebst den altbekannten Mitteln der Gewalt (Destabilisierung, Repression, Todesschwadronen, militärische Intervention) gibt es bereits eine Grosszahl von weniger offensichtlichen, subtileren und dennoch effizienten Formen zur Aufrechterhaltung von Einfluss und Macht. Eine neue Variante ist der parlamentarische Putsch «zum Schutz der (eigenen, alten) Verfassung» à la Honduras. Alles begleitet von ideologischen Ablenkungsmanövern und grossen Medienkampagnen.

Internationale Solidarität?

Wir sollten uns darob nicht verwirren lassen. Hatten die Ereignisse in Chile (70er Jahre), Nicaragua (80er Jahre) und zuletzt noch in Chiapas (90er Jahre) eine breite Welle der Solidarität in Europa ausgelöst, sind es heute nur noch einzelne, relativ kleine und länderbezogene Gruppen, welche eine direkte Solidaritätsarbeit leisten. In der Deutschschweiz hat mit dem Zentralamerika-Sekretariat immerhin eine wichtige, übergeordnete Einrichtung überlebt, inklusive der zweimonatlichen «Correos».

Ein unschönes Zeichen der Zeit bleibt es jedoch, dass sich hier in Europa weder zu Venezuela noch zu Bolivien oder zur  Unterstützung der kontinentalen Integrationsinitiative ALBA keinerlei nennenswerte gemeinschaftliche Bewegung gebildet hat. Immerhin gibt es hierzu nun erste Ansätze zu einer Vernetzung. In Bern hat am 10. April ein Treffen verschiedener Solidaritätsgruppen mit diesem Ziel stattgefunden, und für den 8. Mai ist ein weiteres, ähnliches Treffen vorgesehen.

Zu Lateinamerika und Bolivien findet am Dienstag, 11. Mai, eine Informations- und Diskussionsveranstaltung der PdAZ mit René Lechleiter statt. Volkshaus Zürich, 19.30 Uhr.