„Wenn ich es will, steht Zürich still!“

1.500 Menschen demonstrierten gestern gegen eine geplante Budgetkürzung in Zürich. 220 Millionen Franken sollen eingespart werden, davon 60 Millionen beim Personal. Die Demonstranten -Gewerkschafter und Angestellte im öffentlichen Bereich- äusserten ihren Unmut über die bürgerliche Sparpolitik vor dem Rathaus.

Ein zynisches Sparpaket

Hintergrund der Demonstration sind die geplanten Budgetkürzungen von 220 Millionen Franken. Auf Betreiben der bürgerlich-rechten Mehrheit, will die Stadt Zürich diesen Betrag 2011 einsparen. 60 Millionen Franken sollen dabei auf den Personalbereich entfallen – stagnierende Löhne, gestrichene Lunch-Checks, Lohnkürzungen und mehr Arbeit für weniger Geld sind die Folge. Aber auch soziale Projekte und wichtige öffentliche Institutionen -u.a. Spitäler- sind von den Massnahmen betroffen.

Was sich auf den ersten Blick schrecklich liest, wird beim genaueren Hinsehen geradezu zynisch. Es ist noch nicht lange her und deshalb gut bekannt, dass die selbe Stadt Zürich, die jetzt 220 Millionen einsparen will, ihren Fussballclubs mehr als 400.000 Franken an Miete zu „schenkte“. Arme Stadt. Weniger bekannt ist die Doppelmoral des bürgerlichen Lagers in anderer Hinsicht: Im Mai wird über ein „bürgerliches Steuerpaket“ abgestimmt, das insbesondere die SVP propagiert. Dessen Ziel: Steuersenkungen für Topverdiener. Ein Zitat von der SVP-Website: „Während unser Kanton bei mittleren und hohen Einkommen (50’000-250’000 Fr.) eine moderate Besteuerung aufweist, ist insbesondere die Besteuerung sehr hoher Einkommen unverhältnismässig.“ Im Klartext heisst das, dass man sich nicht scheut, die Löhne der „kleinen“ Angestellten anzugreifen und gleichzeitig die, die Millionen und Abermillionen an Geldmitteln haben, weiter zu entlasten. Sparen will gelernt sein…

"Zürich steht still"Zürich steht still!

Verständlich also, dass sich Gewerkschaften und Angestellte des öffentlichen Sektors zum Protest versammelt haben. Von gut 1.500 Menschen, die an der gestrigen Demonstration teilnahmen, wurde gesprochen. Die Demonstration begann um 17:30 Uhr am Bürkliplatz und marschierte durch die Zürcher Innenstadt, bis sie um 18:45 Uhr am Rathaus ankam. Dabei verlief die Demonstration ganz und gar friedlich: Weder Ausschreitungen noch Sachbeschädigungen wurden begangen. Es war der Marsch von Menschen, die sich um ihr Recht betrogen fühlen und die nicht gewillt sind, dies hinzunehmen.

Festzuhalten ist, dass es tendenziell eher ältere Menschen waren, die an der Demonstration teilnahmen. Das Durchschnittsalter dürfte zwischen 30 und 50 gelegen haben; das oft suggerierte Bild, dass Demonstrationen allein Sache von Studenten und Jugendlichen sind, trifft hier also nicht zu. Geprägt wurde die Demonstration vor allem von den Gewerkschaften: VPOD, Transfair und Unia waren wohl am stärksten vertreten, daneben liessen sich auch Juso- und SP-Abgeordnete finden. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass Sozialisten und Kommunisten die Demonstration begleiteten. Die „Bewegung für den Sozialismus“, Vertreter der Partei der Arbeit und -umstritten- Mitglieder des revolutionären Aufbaus waren anwesend. Ihre Personenstärke war nicht gross, aber es ist ein Fakt, dass sie sich solidarisch zeigten.

Hingegen gab es im Vorfeld der Demonstration eine unschöne Begebenheit. Die Polizeigewerkschaft sagte ihre Teilnahme an der Demonstration ab. Man begründete diesen Schritt mit der Anwesenheit des revolutionären Aufbaus und dessen „Gewaltbereitschaft“. Jedoch ist diese Reaktion zu kritisieren: Nicht nur hat sich gezeigt, dass der Aufbau keinerlei Gewalt ausübte, sondern es sollte auch anerkannt werden, dass der Aufbau seit Jahren Arbeitskämpfe unterstützt. So erscheint die Abwesenheit der Polizisten deplatziert, strategisch falsch und insgesamt vermittelt man den Eindruck, sich mehr auf ein Feindbild zu konzentrieren als auf das eigentliche Ziel der Demonstration.

Die Schlusskundgebung

Vor dem Rathaus fand die Schlusskundgebung der Demonstration statt. Unter dem Motto „Wenn ich es will, steht Zürich still!“ griff man die Politik an, die hinter dem Sparpaket steht. Markus Bischoff (AL) sprach an, dass die Bürgerlichen „nicht mal sagen können, warum die Angestellten auf Lohn verzichten sollen“ und kam zu dem Schluss, dass es „den Bürgerlichen nur um die eigene Ideologie geht“.

Noch interessanter als die eigentliche Kundgebung waren allerdings die Reaktionen der Protestierenden selbst. Buh-Rufe und Pfiffe, „Uuse! Uuse!“-Schreie: So zeigte man sich gegenüber den bürgerlichen Vertretern im Rathaus. Man machte seinem Ärger Luft, man artikulierte sich auf eine Weise, die nicht ignoriert werden konnte. Der Gegenpol zu dieser Form des Protests waren die überraschend differenzierten Meinungen der Demonstranten. Auf die Frage, was sie motiviere, an der Demonstration teilzunehmen, antwortete eine ca. 60-jährige Frau die im Präsidialdepartement arbeitet: „Wir arbeiten nach dem Leistungslohn, wir werden jetzt streng überwacht, aber dann findet die Stadt durch dieses Sparpaket doch einen Weg, uns nicht besser zu bezahlen. Es ist einfach dieser Widerspruch, dass wir härter arbeiten aber am Ende doch nichts rüberkommt.“ Eine andere Frau, um die 30 und im Spital schaffend, drückte sich so aus: „Es geht ja darum, ein Zeichen zu setzen. Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch etwas erreichen können, aber es geht auch um die zukünftigen Debatten.“ Diese interessanten Antworten können wohl als Zeichen eines hohen politischen Bewusstseins gewertet werden – einzig bleibt zu hoffen, dass sich dieses Bewusstsein in den Wahlen im April manifestiert.

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