Soumaila, einer von uns!

sit. Am 2. Juni wurde in Süditalien der 29-jährige Soumaila Sacko erschossen, weil er schwarz war und sich für die Rechte der TaglöhnerInnen einsetzte. Das Urteil steht bereits fest und zeugt vom Klima des Hasses gegen die MigrantInnen in Italien. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind und es täglich anheizen, sitzen jetzt am Schalthebel der Macht.

«Ich werde mit Orban Europa verändern», kündigte der neue Innenminister und Vize-Premierminister Italiens Matteo Salvini der rechtspopulistischen, rassistischen Lega an und reichte so seinem politischen Busenfreund aus Ungarn die Hand. Mehr als eine Ankündigung ist es eine ernstzunehmende Drohung. Und in gewohnter Manier heizte Salvini die Stimmung gegen die MigrantInnen weiter an: «Das schöne Leben ist vorbei!», richtete er ihnen aus vor laufenden Kameras.

«Sie werden keine Ruhe haben!»
Einen Tag später, am 2. Juni, wird in der süditalienischen Region Kalabrien der sich legal im Lande aufhaltende 29-jährige Taglöhner Soumaila Sacko erschossen, zwei Freunde von ihm werden verletzt. Vier Schüsse werden abgefeuert. Die zuständige Staatsanwaltschaft beeilt sich zu erklären, dass Soumaila und seine Freunde bei einem Diebstahl erwischt worden seien und es sich somit bei der Tat um Notwehr handle. Doch: Der junge Mann aus Mali, der sich aktiv für die Rechte der TaglöhnerInnen in der Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) engagierte, wurde von den Unbekannten aus einer Distanz von 150 Metern mit einem Gewehr ermordet. Notwehr aus 150 Metern? Als die tödlichen Schüsse fielen, befand sich Soumaila in einem seit Jahren verlassenen Fabrikgebäude auf der Suche nach Blech, um sich eine Hütte zu bauen. Er lebte im Zeltdorf San Ferdinando in der Provinz Vibo Valentia unter erbärmlichen Bedingungen mit weiteren 4000 rechtlosen MigrantInnen, die als TaglöhnerInnen zehn bis zwölf Stunden am Tag für einen Hungerlohn unter der Sonne in der brütenden Hitze Süditaliens Gemüse und Früchte ernten.
«Notwehr, Abschiebungen, eiserne Faust, Ende des schönen Lebens; auf der Basis dieser Anweisungen empfand es der Mörder als sein Recht, das Feuer gegen Soumaila und seine Freunde zu eröffnen», schreibt die USB. Sie fügt hinzu: «Es gibt nicht nur einen Verantwortlichen, es ist auch kein Zufall; es herrscht ein Klima des Hasses, geschaffen von denen, die versuchen, die Wut der betroffenen Menschen über die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen gegen die MigrantInnen zu richten».
Unter andrem ist damit auch Salvini gemeint, der sich nicht zum Mord äusserte. Warum auch? Soumaila ist ja nur ein Migrant, ein Schwarzer und nach offizieller Darstellung noch ein Dieb dazu. Maurizio Acerbo, nationaler Sekretär von Rifondazione Comunista sowie Exponent der nationalen Koordination der Bewegung Potere al Popolo (PaP), fragt in seiner Stellungnahme: «Warum twittert Salvini, wie bei ihm sonst so üblich, nichts zum Mord?» Der Genosse liefert eine Antwort, die kaum sehr weit von der Wahrheit entfernt liegt: «Vielleicht weil für Salvini das Leben eines Migranten nichts Wert ist und weil er wohl vermutet, dass ein Anhänger von ihm die Schüsse abgefeuert hat».
Kompromisslos auch die Stellungnahme der nationalen Sprecherin von PaP, Viola Carofalo: «Hereinspaziert, meine Herren, hereinspaziert. Hier schiesst man auf Schwarze, ein Cent der Schuss!», schreibt sie sarkastisch, um dann klar zu stellen: «Sie haben einen von uns ermordet! Sie haben einen Arbeiter ermordet, der ständig an vorderster Front mit der USB für die Rechte der TaglöhnerInnen stand.» Und die Genossin kündigt an: «Sie werden keine Ruhe haben, bis sowas nie mehr geschieht!»

Gleiches Blut, gleiche Rechte
Zwei Tage nach dem Mord traten die TaglöhnerInnen in den Streik. Lautstark skandierten sie die Parolen «Soumaila, einer von uns!» und «Niemals Sklaven!». Sie forderten, endlich als Menschen behandelt und respektiert zu werden und nicht mehr als billige Ware. Die TaglöhnerInnen sind in Süditalien die modernen SklavInnen, nichts anderes. Sie werden von den Gutsherren ausgewählt, als wären sie im Supermarkt ausgestellt und müssen dann zu unmenschlichen Bedingungen für maximal drei Euro pro Stunde in den Feldern schuften. Die Gutsherren erzielen so einen riesen Profit. Das ist die Realität in einem sogenannten zivilisierten Land der EU!
«Salvini sagen wir, dass das schöne Leben vorbei ist und zwar für ihn, denn das schöne Leben gibt es für uns nicht. Wir kennen nur harte Arbeit», sagte Ababacur Sauomaoure, Mitglied der nationalen Leitung der USB, an der Protestkundgebung der Streikenden. Die Wut, aber vor allem seine Entschlossenheit, standen ihm ins Gesicht geschrieben: «Wir sind ArbeiterInnen, ItalienerInnen, AfrikanerInnen, weisse, schwarze und gelbe. Wir haben das gleiche Blut und wir wollen die gleichen Rechte! Sie wollen den Krieg zwischen uns Armen, zwischen uns ArbeiterInnen. Das dürfen wir nicht zulassen!» Der Basisgewerkschafter stellte klare Forderungen: «Wir wollen Wahrheit und Gerechtigkeit. Wir verlangen die lückenlose Aufklärung des Mords!»

44 Tote, darunter Kinder
Soumaila hinterlässt eine fünfjährige Tochter. Er wurde ermordet, weil er schwarz war und sich für die Rechte der TaglöhnerInnen einsetzte. Diese Wahrheit wird aber niemand offen aussprechen, denn das Urteil steht bereits geschrieben und lautet: Sie haben einen Schwarzen erschossen, weil er am Stehlen war, also ein Dieb. Wo ist das Problem? Diese weit verbreitete Meinung in der Bevölkerung wiederspiegelt das aktuelle politische sowie gesellschaftliche Klima des Hasses gegen die MigrantInnen in Italien, was äusserst besorgniserregend ist. Aber noch schlimmer: Wer dafür die Verantwortung trägt, wer dieses Klima geschaffen hat und es weiterhin täglich anheizt, sitzt jetzt an den Schalthebel der Macht! All dies während am gleichen Tag des Mordes an Soumaila erneut ein Boot voller Flüchtlinge von den Wellen des Mittelmeers verschluckt wurde: 44 Tote, darunter auch Kinder, 66 Überlebende und mehr als 70 vermisste Personen, darunter wiederum Kinder!

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