Repression gegen Alle

ZürcherSKDie Abstimmung über das verschärfte Konkordat «über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» steht an. Mit einem Nein können sich die Zürcher StimmbürgerInnen für die Grundrechte und gegen unsachliche Law-and-Order-Politik stark machen. Ein Beitrag der Zürcher Südkurve.

vorwärts Nr. 17/18 vom 10. Mai 2013

Am 9. Juni stimmt die Zürcher Stimmbevölkerung über die Verschärfung des Konkordats «über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» ab. Dieses Konkordat ist in der Schweiz seit 2010 in allen Kantonen in Kraft. Das Konkordat enthält Bestimmungen, welche im Jahr 2008 im Rahmen des «Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit»  (BWIS) zeitlich begrenzt und extra für die Fussball-Europa- und die Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz erlassen wurden. Obwohl an diesen beiden Grossereignissen, die im Vorfeld von Politik und Polizei angekündigten und befürchteten Gewaltereignisse nicht eintraten, überführte die «Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren» (KKJPD) die Bestimmungen mittels Konkordat ins kantonale Recht. 2010 traten dem Konkordat alle Schweizer Kantone bei. Seither wird mit Rayonverboten und Meldeauflagen gegen sogenannte «GewalttäterInnen» an Fussball- und Eishockeyspielen vorgegangen. Bereits im Vernehmlassungsverfahren zu diesem Konkordat kritisieren die «Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz», dass der Begriff «gewalttätiges Verhalten» in diesem Konkordat mit dem Bundesrecht «nicht vereinbar» sei, weil diese durch das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und definiert werden. Kritisiert wurde damals auch, dass laut Konkordat bereits das Vorliegen eines bestimmten Verdachts oder Aus-sagen gewisser Personen reichen, um die Freiheit einer betroffenen Person «unverhältnismässig einzuschränken».

Eine seltene Ausnahme

Die damalige Präsidentin der KKJPD und St.Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter spielte sich mit dem Themen «Fans» und «Hooligans» ins mediale Rampenlicht. Sie berichtete von unhaltbaren Zuständen in den Stadien, von einer immensen Gefahr, welche von einzelnen «gewaltbereiten Fans» ausgehe und sie versprach mit diesem Konkordat die Probleme zu lösen. Bereits bei der Einführung des Konkordats konnte aber nicht mit Zahlen und Fakten, sondern lediglich mit einzelnen Bildern aus der Medienberichterstattung argumentiert werden. Gebetsmühlenartig wurden die Bilder vom Meisterschaftsfinale 2006 oder den Fackelwürfen von Basel 2009 gezeigt und der Stimmbevölkerung so vermittelt, dass solche Vorkommnisse in Sportstadien zur Tagesordnung gehören. Wer gegen das Konkordat aufmuckte wurde als Gewaltverherrlicher oder Verharmloser beschimpft. Karin Keller-Sutter gewann 2011 den Swiss-Award in der Kategorie «Politik» und wurde beinahe in den Bundesrat gewählt. Ihr Feingespür, mediale Schlagzeilen in die Politik einzubeziehen, zu dramatisieren und die Medien immer wieder mit neuen Geschichten zu füttern, erwies sich als voller Erfolg.

Ganz anders die Erfolgsbilanz des Konkordats. Trotz dessen Einführung kam es auch nach 2010 zu einzelnen unschönen Ereignissen in Sportstadien. Trotz minutiösen Besucherkontrollen, reinen Sitzplatzkurven, Alkoholverbot und massenhaft privater Sicherheitskräfte in den Stadien konnten weder die Ausschreitungen im Letzigrund-Gästesektor beim Spiel FC Zürich – FC Basel im Frühling 2011 noch der erneute Fackelwurf am Zürcher Derby im Oktober 2011 verhindert werden. Aufgrund dieser Vorkommnisse wurden die Boulevardpolitiker aber wieder aktiv. Angestachelt von der öffentlichen Empörung beschlossen sie, das Konkordat weiter zu verschärfen. Dass die Anzahl Personen, welche in der Hooligan-Datenbank gespeichert sind aber über Jahre relativ konstant ist, dass die Gewalt in Stadien rückläufig ist und dass solche Extrembeispiele weiterhin eine seltene Ausnahme bilden, wird ignoriert. Am 9. Juni stimmen wir im Kanton Zürich über die Verschärfung ab.

«Den Hurensöhnen haben wir es gezeigt»

Auffällig ist bei dieser Verschärfung, dass die Massnahmen nicht mehr gegen einzelne Personen, sondern gegen sämtliche BesucherInnen von Fussball- und Eishockeyspielen in den beiden höchsten Schweizer Ligen gerichtet sind. Neu sollen bei gewissen Spielen flächendeckende ID-Kontrollen durchgeführt werden. Dies obwohl eine generelle Ausweispflicht im Kanton Zürich fehlt. Weiter soll den Gästefans vorgeschrieben werden, mit welchen Transportmitteln und auf welchem Weg sie ins Stadion gelangen sollen. Ein FC Basel- Fan aus Zürich müsste also, um das Spiel FCZ-FCB im Gästesektor des Letzigrunds verfolgen zu können, zuerst von Zürich nach Basel reisen, um dort mit dem von den Behörden vorgeschrieben Transportmittel zurück nach Zürich zu kommen. Auch das im verschärften Konkordat vorgesehene Alkoholverbot im Stadion und im Stadionumfeld bestraft alle SpielbesucherInnen und das umliegende Kleingewerbe gleich mit. Störend ist, dass die V.I.P.-Logen von dieser Bestimmung ausgenommen sind. Besserbetuchte können sich also von den Schikanen freikaufen. Auch wollen die PolitikerInnen in den Logen scheinbar nicht auf ihr Bier verzichten. Die Zweiklassengesellschaft in Sportstadien wäre damit perfekt. All diese Massnahmen können die Behörden mit der sogenannten «Meldeauflage», welche neu im Konkordat wäre, erzwingen. Im Bericht der KKJPD ist sogar von Fahnen-, Megaphon- und Choreographieverboten die Rede.

Der Fakt, dass Rayonverbote und Meldeauflagen im verschärften Konkordat für maximal drei Jahre und schweizweit, statt wie bisher lokal und nur für ein Jahr ausgesprochen werden können, lässt ebenfalls jede Verhältnismässigkeit vermissen. Gerade wenn man bedenkt, dass dabei bereits Aussagen von privaten Sicherheitskräften reichen. Dass diese Sicherheitskräfte, auch zum Sicherheitsproblem werden können, zeigten verschiedene Ereignisse der letzten Jahre. So schrieb ein Mitglied der Delta-Security auf seinem Facebook-Profil nach einem Spiel: «Den Hurensöhnen haben wir es gegeben. (…) Am Samstag ficken wir die Inzuchtbuben vom Rhein gleich nochmals (…) Am Samstag werden die Basler in Sion wieder bluten».  Zudem gab es Mitglieder, die sich mit Naziemblemen oder dem Spruch «All Cops are Bastards» schmückten. Vor kurzem sorgte die Firma Protectas für Aufsehen: In einem internen Film zünden zwei Mitglieder zu martialischer Musik zwei Seenotfackeln. Auch hier soll natürlich nicht dramatisiert werden. Auch hier kann von Einzelfällen gesprochen werden, doch es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob der Staat das Gewaltmonopol in dieser bedenklicher Art und Weise aus der Hand geben soll. Zudem dürfen private Sicherheitskräfte die ZuschauerInnen nach dem verschärften Konkordat auch ohne Verdacht über den Kleidern am ganzen Körper abtasten.

«Mit Grundrechten spielt man nicht»

Wie der Zürcher AL-Kantonsrat Markus Bischoff an der Pressekonferenz des Referendumskomitees «Kollektivbestrafung Nein», sagte, gelte in der Schweiz das Störerprinzip. Die Polizei hat also gegen StörerInnen vorzugehen. Im Konkordat werden Sportfans aber grundsätzlich als StörerInnen angesehen. Das verschärfte Konkordat arbeitet mit Kollektivstrafen und schafft ein Sondergesetz für Menschen, die ihre Freizeit gerne in Sportstadien verbringen. Es tritt Grundrechte mit Füssen und schränkt die Freiheit der BürgerInnen massiv ein. Die Erfahrung zeigt, dass repressive Massnahmen gerne zuerst an in der Öffentlichkeit weniger positiv wahrgenommen Personengruppen ausprobiert werden, um sie später auf weitere Gesellschaftsbereiche auszudehnen. Der Grüne Gemeinderat Markus Kunz sagt: «Mit Grundrechten spielt man nicht!» Das Konkordat gilt es am 9. Juni wuchtig abzulehnen.

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