Mythos entzaubert!

In der Schweiz ist der Arbeitnehmerschutz nur schwach ausgeprägt. Das sei gut, behaupten viele ArbeitgeberInnen, denn so begründe sich die tiefe Arbeitslosigkeit. Diese bei Patrons so beliebte These hat aber einen kleinen Haken: Sie ist falsch. Das belegt das soeben erschienene Dossier Nr. 92 des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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Zwar ist es keine neue Erkenntnis, aber dennoch von höchster Aktualität: Der Arbeitnehmerschutz in der Schweiz ist mies! Im neuen SGB-Dossier  «Der ‹liberale› Arbeitsmarkt der Schweiz – Entzauberung eines Mythos» verweisen die Autoren Daniel Lampart und Daniel Kopp auf OECD-Studien, die belegen, dass die Schweiz hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes in vielen Bereichen auf den hinteren Rängen liegt. «Beim Kündigungsschutz etwa hat die Schweiz Rang 31 unter 34 erfassten Ländern inne. Nur unwesentlich besser schneidet die Schweiz bei Mindestlöhnen, befristeten Arbeitsverhältnissen und bei der Temporärarbeit ab», informieren die Autoren.

Schenkt man vielen ArbeitgeberInnen und WirtschaftsexpertInnen Glauben, dann ist der schwache Arbeitsschutz in der Schweiz ein Segen für alle in diesem Land. Sie verweisen dabei gerne aufs Ausland, wo Reformen im Arbeitnehmerschutz «à la Suisse» durchgeführt werden sollen, wie zum Beispiel in Italien. Die Schweizer Patrons geben offen zu, dass es hierzulande viel einfacher ist, den Beschäftigen zu kündigen. Dies sei aber ein wichtiger Grund dafür, dass mehr neue Betriebe in die Schweiz kämen und neue Stellen schaffen würden. Ihre Schlussfolgerung ist daher simpel: Schlechter Arbeitsschutz gleich tiefe Arbeitslosigkeit und daher soll am Arbeitsschutz nichts geändert werden. Doch so simpel diese Gleichung ist, so falsch ist sie. Sie vermittelt und propagiert schlichtweg pure neoliberale Ideologie.

Umdenken angesagt

«Wieso unterscheidet sich dann die Arbeitslosigkeit in Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden kaum von derjenigen in der Schweiz?», fragen die Autoren des SGB-Dossiers. Diese beiden Staaten kennen nämlich einen ausgeprägten Arbeitnehmendenschutz. Die Studie von Lampart und Kopp verweist auf die richtige Kausalität zwischen Arbeitnehmendenschutz und Arbeitslosigkeit: «Der Zusammenhang dürfte gerade umgekehrt sein. Weil die Gefahr der Arbeitslosigkeit vor allem früher relativ gering war, haben die Schweizer Arbeitnehmenden einen schlechteren Schutz akzeptiert.»

Doch wirkt sich mittlerweile der schwache Arbeitnehmendenschutz markant negativ aus. Seit den 1990er Jahren ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz stark gestiegen. Atypische Arbeitsverhältnisse wie die Temporärarbeit nehmen zu. Temporärjobs bieten den Arbeitnehmenden im Vergleich zu Normalarbeitsverhältnissen ein geringeres Schutzniveau. Betroffen sind vor allem die ArbeiterInnen «in stark gewachsenen Dienstleistungsbranchen wie zum Beispiel Call Center, Kuriere, Kosmetikinstitute etc.», hält die Studie fest. Und die Autoren des SGB kommen zum Schluss: «Das Fazit ist klar: In der Schweizer Arbeitsmarktpolitik ist Umdenken angesagt.»

Dossier  «Der ‹liberale› Arbeitsmarkt der Schweiz – Entzauberung eines Mythos» zu finden unter www.sgb.ch

 

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