Leistungsfreies Einkommen besteuern

Florian Sieber. Die Juso hat Anfang Oktober mit der Sammelphase ihrer neuen Initiative begonnen. Das Sammeln der benötigten Unterschriften leitete die Jungpartei mit gleich zwei aufsehenerregenden Aktionen ein. Die Bürgerlichen bringen sich bereits gegen das Anliegen in Stellung.

Bei der Berichterstattung zur neuen Juso-Initiative tischten die bürgerlichen Blätter mit dem grossen Löffel auf. Der «Tages-Anzeiger» titelte «Klassenkampf Reloaded» und schrieb von «der grössten Umverteilung in der Schweizer Geschichte». Auch vom «Blick» wurde die Geschichte aufgegriffen. Die Juso plane die «grösste anzunehmende Umverteilung». Die Rede ist von der 99%-Initiative, die von den JungsozialistInnen (Juso) am 4. Oktober lanciert wurde. Was also hat die Juso vor, was den Bürgerlichen die Furcht vor Umverteilung und Klassenkampf in die Knochen jagt? Tatsächlich handelt es sich bei der 99%-Initiative um eine zwar fortschrittliche, aber nicht besonders radikale Initiative, die eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen zum Ziel hat.

Vermögenskonzentration bekämpfen
In einem 22-seitigen Argumentarium erklären die Jusos, weshalb sie ihre Initiative lanciert haben. Der Reichtum in der Schweiz balle sich immer mehr in den Händen einiger weniger. So waren 1981 noch ein Drittel aller Vermögenswerte in den Händen des reichsten Prozents. 2011 waren es schon mehr als 40 Prozent. Auf dieses eine Prozent von Superreichen beziehen sich auch die JungsozialistInnen mit ihrem der Occupy-Bewegung entlehnten Initiativnamen. Gleichzeitig sind die steuerbaren Vermögen der Ärmsten in der Schweiz zwischen 2003 und 2013 um 2100 Franken gesunken. Gegen diese Ballung von Reichtum in den Händen einiger weniger KapitalistInnen bei gleichzeitiger Verarmung Vieler will die Juso mit einer stärkeren Besteuerung von Kapitaleinkommen vorgehen. Diese werden im Moment gegenüber Steuern auf Lohneinkommen nur zu 60 Prozent besteuert. Die Juso fordert neu eine höhere Besteuerung von Dividenden, Zinsen usw. im Faktor 1,5 gegenüber Lohnsteuern. Mit den Mehreinnahmen sollen mittlere und niedrige Einkommen steuerlich entlastet, sowie Krankenkassenprämien reduziert sowie Krippen, Pflegeleistungen und Ähnliches finanziert werden. Ziel gemäss Juso-Argumentarium: «Dank dieser Initiative werden 5 bis 10 Milliarden Franken leistungsfreie Einkommen pro Jahr an die arbeitende Bevölkerung zurückverteilt!»

Aktivismus nach Juso-Manier
Mit Schildern bewaffnet, auf denen die gerechte Besteuerung von Kapital gefordert wird, tauchten noch am Tag der Lancierung eine Handvoll Jusos vor dem Haus der Nationalrätin Martullo-Blocher an der Zürcher Goldküste auf. Die Blockade wurde schnell durch die Polizei beendet. Gegenüber «20 Minuten» erklärte Juso-Präsidentin Tamara Funiciello die Wahl des Ziels: «Sie ist das Sinnbild des Superreichen. Sie badet wie Dagobert Duck im Geld, während andere ihre Miete oder Krankenkasse nicht bezahlen können.»
Szenenwechsel: Bundesplatz in Bern. Eilig wird eine lange Reihe von Tischen aufgebaut. Insgesamt 99 Personen nehmen an den Tischen Platz. Es sind Junge und Ältere aus den verschiedensten Berufen, darunter Jusos, GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und Parteilose. Die Szene findet bei der Pressekonferenz anlässlich der Lancierung statt. Die Bildsprache ist klar – bei der Initiative soll es um die Massen gehen, die sich wieder ein grösseres Stück vom Kuchen des superreichen einen Prozents zurückholt. Nicht am Tisch sind die Mitglieder der sogenannten «reformorientierten Plattform» in der SP. Die sozialliberale Gruppe, die letztens mit der Forderung nach der 60-Stunden-Woche von sich reden machte, warnt vor der Juso-Initiative. Das Kleinunternehmertum würde durch die Initiative bedroht, wie die Winterthurer Stadparlamentarierin Yvonne Beutler gegenüber der «Aargauer Zeitung» angab. Auch Bürgerliche wie der Präsident der Jungfreisinnigen Andri Silberschmidt kritisieren das Anliegen der Jusos von rechts. Dieses würde den sozialen Zusammenhalt im Land gefährden.

Arbeit gegen Kapital
Doch auch aus linker Sicht gibt es einige Punkte, die Fragezeichen aufwerfen. So soll ein Freibetrag bis 100 000 Franken sicherstellen, dass «KleinsparerInnen» von der Initiative nicht betroffen seien. Dass Kapitaleinkommen in solcher Höhe bei KleinsparerInnen wohl kaum die Regel sind, wirft die Frage auf, warum auf Kapitaleinkommen überhaupt ein Freibetrag gelten soll, wenn es hier um den Widerspruch zwischen Arbeit auf der einen und Kapital auf der anderen Seite gehen soll. Dies wurde von den UrheberInnen der Initiative erklärt, nachdem sich die Juso unter zahlreichen Initiativvorschlägen aus der Parteibasis für die 99%-Initiative entschieden hatte. Dennoch handelt es sich beim Juso-Anliegen um ein wichtiges Anliegen, welches zwar nicht den von bürgerlichen Blättern angekündigten Klassenkampf entfesselt, aber dennoch eine elementare Frage zurück aufs politische Podest bringen kann: Die Rückverteilung des durch Ausbeutung in den Händen einiger weniger konzentrierten, aber durch die Arbeit der Massen geschaffenen Wohlstands.

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