Gewonnen!

Die Unternehmenssteuerreform III (USRIII) ist versenkt und der erleichterten Einbürgerung für die Drittgeneration wurde zugestimmt. Ein perfekter Abstimmungssonntag; es gibt Grund zum Feiern. Doch berauschen sollte sich die Linke dabei nicht zu sehr und es ist sinnvoll, auch Genosse Karl Marx an die Siegesparty einzuladen.

Es wurde nicht mal knapp! Und das ist die grösste Überraschung bei der Abstimmung über die USRIII, die mit 59,1 Prozent Nein-Stimmen begraben wurde. Wunderbar! «Wir haben den neoliberalen Angriff abgewehrt», hält Gavriel Pinson, Präsident der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), mit Freude fest und fügt hinzu: «Dies ist umso bemerkenswerter, da die Unternehmen Millionen von Franken in ihre Kampagne investiert haben. Sie wussten genau, was für sie auf dem Spiel stand.» Wie unappetitliche die Kröte ist, die nun jene schlucken müssen, die von einem Ja zur USRIII profitiert hätten, ist am Abstimmungsabend schonungslos in der Onlineausgabe der «NZZ» dokumentiert: «Dieser Scherbenhaufen ist imposant. Fast fünf Jahre werkten die Behörden an der Unternehmenssteuerreform III. Sie zimmerten eine fürwahr riesige Kiste – wahrscheinlich die komplizierteste und am stärksten verästelte Gesetzgebung, die je in der Schweiz zur Abstimmung gelangte. (…) Aber die Deutlichkeit des Ergebnisses frappiert ohne Zweifel.» Oder um es mit den Worten des Präsidenten der PdAS auf den Punkt zu bringen: «Es ist eine Ohrfeige für das bürgerlich dominierte Parlament und den Bundesrat.»

Die Gründe des Neins

Was führte zu diesem überraschend deutlichen Nein? «Die Menschen haben begriffen, und vor allem eben auch der sogenannte Mittelstand, dass sie die Rechnung für die Steuergeschenke an die Unternehmen zahlen müssen», hält Gavriel Pinson fest. Das war sicher ein ausschlaggebender Grund. So haben sich die SP und die Gewerkschaften in ihrer Kampagne auf den Mittelstand konzentriert. Die PdAS hingegen hat aufgezeigt, dass Steuergeschenke an die Unternehmen einen direkten Zusammenhang mit Sparmassnahmen haben, die auf Kosten der breiten Bevölkerung durchgeführt werden. Aufwind kriegte das Nein auch durch verschiedene, teilweise paradoxe Vorfälle, so wie zum Beispiel das Interview von Ex-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Die USRIII-Vorlage war quasi ihr Baby, ihr Abschiedsgeschenk, für das sie sich nochmals kräftig ins Zeug gelegt hatte. Dass dann ausgerechnet Widmer-Schlumpf, die «Schöpferin» der Vorlage, zum Nein aufrief, war für das Ja-Lager ein harter Schlag. Dann veröffentlichte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) wenige Tage vor der Abstimmung eine Untersuchung, die aufzeigte, dass die Regierung bei den Prognosen der finanziellen Auswirkungen bei Abstimmungsvorlagen sehr oft daneben liegt. Pikant dabei: Auslöser für die Untersuchung war die USRII aus dem Jahr 2008. In der Botschaft dazumal waren die Steuerausfälle massiv unterschätzt worden. Im Bericht schreibt die EFK, die Steuerverwaltung sei davon ausgegangen, dass die Steuerreform teuer werden könnte. Trotzdem habe sie «aufgrund politischen Drucks» (!) auf eine Veröffentlichung der Zahlen zu den Steuerverlusten in Milliardenhöhe verzichtet. Eine Tatsache, die für das Ja zur USRIII wenig bis gar nicht förderlich war. Wie weiter? Das Parlament muss nun eine neue Vorlage erarbeiten. Für die PdAS ist dabei klar, dass «die Interessen der breiten Bevölkerung im Zentrum stehen müssen und nicht die Profitinteressen der multinationalen Unternehmen». Sie fordert eine soziale Umverteilung von oben nach unten, denn «nur Reiche können sich einen armen Staat leisten». Dabei müssen die öffentlichen Finanzen mit einer Steuerpolitik gestärkt werden, die zu höheren Einnahmen führt, vor allem für die Gemeinden und Kantone. «Die Profiteure des Finanzkapitalismus müssen an den Kosten des nötigen sozialen und ökologischen Umbaus der Gesellschaft beteiligt werden», schreibt die PdAS und gibt so die Richtung an, in welche die Reform für sie zu gehen hat.

Gedanken der herrschenden Klasse

Dass es für die Linke ein Sieg auf der ganzen Linie wurde (was ja sehr selten der Fall ist), sorgte das Ja zur erleichterten Einbürgerung für «AusländerInnen» der dritten Generation. Ganz ehrlich: Alles andere, also ein Nein in dieser Frage, hätte ein Armutszeugnis für das Land bedeutet, ein Absinken in die erbärmlichen Niederungen der Nein-Kampagne. Für die PdAS ist der Volksentscheid ein «Schritt in die richtige Richtung». Die Partei bedauert aber, dass zu wenige Menschen von der Erleichterung profitieren können, da im Parlament die Bürgerlichen Einschränkungen in der Vorlage durchsetzen konnten. Die neue Regelung betrifft jährlich 4000 bis 5000 Jugendliche, deren Grosseltern in die Schweiz eingewandert waren. Vergleicht man diese Zahl mit den gut zwei Millionen AusländerInnen, die in der Schweiz leben, wird klar, dass keine Rede von einer «unkontrollierten Masseneinbürgerung» sein kann, wie die SVP es in ihrer beschämenden Kampagne behauptet hatte. Trotz dem deutlichen Ja bleibt aber bedenklich – und das ist leider das Resultat der Nein-Kampagne –, dass fast eine Million Stimmberechtigte die Vorlage ablehnten.

Die Linke hat am 12. Februar gewonnen. Das kann für einmal so festgehalten werden und das macht Freude. Es darf und soll gefeiert werden. Berauschen sollte man sich vom Sieg jedoch nicht lassen. «Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche herrschende Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht», lehrt uns Karl Marx. Und an dieser gesellschaftlichen Tatsache hat sich nach dem erfolgreichen Abstimmungssonntag nichts geändert. Es wäre daher sinnvoll und ratsam, auch Genosse Karl Marx an die Siegesparty einzuladen.

Aus dem vorwärts vom 17. Februar 2017 Unterstütze uns mit einem Abo.

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