Armbrust und WC-Bürste

tell_chAm 22. September wird im Kanton Zürich über die Volksinitiative «Für mehr Demokratie» abgestimmt. Die Gemeinden  sollen die Möglichkeit bekommen, lang ansässigen AusländerInnen das fakultative Stimm- und Wahlrecht zu erteilen. Ein  erneuter Versuch, einen Schritt vorwärts zu kommen, um eine Demokratielücke im Kanton Zürich zu schliessen.

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«Die Zeit ist reif, mehr Demokratie zu wagen!» Mit diesem Slogan lancierte das Initiativkomitee am 31. Juli, am Vorabend des Nationalfeiertages, den Abstimmungskampf. Natürlich ist das Datum nicht zufällig gewählt. Der offizielle Geburtstag der Eidgenossenschaft «ist nicht nur Anlass, um der Errungenschaften der Vergangenheit zu gedenken, sondern auch eine ausgezeichnete Gelegenheit, über die Weiterentwicklung unseres direktdemokratischen Staatswesens nachzudenken», schreibt das Initiativkomitee auf seiner Website www.mehr-demokratie.ch.

Eine moderate Forderung

Die Zürcher Kantonsverfassung erlaubt es den Gemeinden bisher nicht, ihre ausländische Wohnbevölkerung  am politischen Leben beteiligen zu lassen. Deshalb hat der Verein «Second@s Plus Zürich» im August 2011 die Volksinitiative «Für mehr Demokratie» eingereicht. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit erhalten, AusländerInnen, die seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz und seit mindestens drei Jahren in derselben Gemeinde leben, das kommunale Stimm- und Wahlrecht zu erteilen, sofern diese es beantragen.

Eine durchaus moderate Forderung, auch weil nach der eventuellen Annahme des Volksbegehrens weitere Schritte nötig sind, um die bestehende Demokratielücke in Sachen AusländerInnen-Stimmrecht im Kanton Zürich zu schliessen. «Ja, es ist eine sehr softe und moderate Initiative», räumt auch Salvatore Di Concilio, Mitinitiant und ehemaliger Stadtzürcher SP-Gemeinderat, auf Anfrage des vorwärts ein. «Aber schlussendlich geht es eben doch um das Stimmrecht für MigrantInnen. Unser Initiativkomitee hat eine gewisse Breite, so dass ein Konsens bei der Ausformulierung des Initiativtextes gesucht wurde. Für mich bleibt aber die prinzipielle Frage: Wollen die Stimmberechtigten in diesem Bereich einmal Ja sagen oder nicht?»

Bisher muss diese Frage leider mit Nein beantwortet werden. Die letzten beiden Versuche, über eine Volksinitiative das Stimmrecht für AusländerInnen einzuführen, oder zumindest einen Schritt in diese Richtung vorwärts zu kommen, endeten mit einem veritablen Schiffbruch: Im September 2010 lehnten die Kantone Bern und Basel-Stadt entsprechende Vorschläge deutlich ab. Auch in Kanton Zürich waren die bisherigen Versuche schlicht chancenlos. Die Frage liegt daher auf der Hand: Warum eine weitere Initiative? «Es gibt zwei Gründe dafür», erklärt Di Concilio, «Erstens konnte auf parlamentarischer Ebene kein Fortschritt erzielt werden, auch nicht bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung des Kantons Zürich, die seit dem 1. Juni 2006 in Kraft ist. Und zweitens wird bekanntlich die Migrationspolitik in der Schweiz vor allem von der SVP diktiert. Wir wollten mit unserer Initiative etwas Positives entgegensetzen.» Und Di Concilio erinnert weiter daran, dass auch «das Frauen-Stimmrecht mehrere Anläufe gebraucht hat».

Armbrust und WC-Bürste

Bescheidener Optimismus lässt die Tatsache zu, dass in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht für MigrantInnen nicht etwas völlig exotisches ist: In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Graubünden, Jura, Neuenburg und Waadt dürfen lang ansässige AusländerInnen bereits heute (zum Teil fakultativ) auf Gemeindeebene wählen und abstimmen. Im Kanton Neuenburg gilt dieses Recht bereits seit 1849. Die Kantone Jura und Neuenburg kennen zudem für AusländerInnen auch das kantonale Stimm- und Wahlrecht.

Doch zurück nach Zürich: Das Logo der Abstimmungskampagne besteht aus einer Armbrust als weltbekanntes Symbol für Schweizer Qualitätsprodukte. Aber anstelle des Pfeils ist eine WC-Bürste oder Schaufel, ein Schwingbesen oder Thermometer zu sehen. Diese stehen als Sinnbilder für Branchen, in denen AusländerInnen in grosser Anzahl tätig sind, nämlich Reinigung, Bau, Gastgewerbe und Pflege. «Symbolisch steht die Kombination dafür, dass durch die Einbindung der Ausländerinnen und Ausländer in den politischen Entscheidungsprozess nicht nur die Migrantinnen und Migranten ein Recht erhalten, sondern auch die Schweiz gewinnt – nämlich an engagierten Bürgerinnen und Bürgern», hält das Komitee fest. Die Zeit für mehr Demokratie ist wirklich reif!

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