Antifeministische Scharade

abtreibungAuch wenn die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» vom Stimmvolk verworfen wird, stellt sie eine Gefahr dar. Denn sie macht offenkundig kultur- und sozialrassistische Argumente salonfähig. Die Antwort darauf muss daher ein feministischer, migrantischer und proletarischer Kampf sein.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Abtreibungsinitiative am kommenden Abstimmungssonntag nicht durchkommen. Dass sie überhaupt zur Abstimmung kommt, nervt dennoch ungemein. Die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» bleibt dermassen durchschaubar, auch wenn sie mit fadenscheinigen Argumenten nicht die Abtreibung selbst in Frage stellen, sondern lediglich einen Beitrag zur Senkung der Krankenkassenprämien leisten will. Ob AbtreibungsgegnerInnen oder VerfechterInnen der neoliberalen Eigenverantwortungsideologie – die konservativen Rechten führen ihre antifeministische Hetze mit der Abtreibungsinitiative in eine weitere Runde.

«Eigenverantwortung» auf dem Buckel der Frauen

Nicht weil sie das Solidaritätsprinzip der Krankenkassen – du bezahlst meinen Beinbruch, ich bezahle deine Abtreibung – auszuhebeln versucht, sondern weil sie neben der antifeministischen Propaganda offenkundig kultur- und sozialrassistische Argumente salonfähig macht, ist diese Initiative nicht einfach nur zu belächeln. Der Kampf gegen solch reaktionäre Angriffe muss ein feministischer, ein migrantischer und ein proletarischer sein.

Es ist kein Zufall, dass in Krisenzeiten die konservativen Kräfte Aufwind bekommen und feministische Errungenschaften unter Beschuss geraten. Wenn in einer neoliberalen Wirtschaftsordnung die Staatshaushalte unter Druck geraten, werden auch individualistische Modelle der hoch gepriesenen Eigenverantwortung wieder vermehrt propagiert. Die Restauration der «Familie», ihre moralische Genesung und gesittete Vermehrung ist der konservativen Rechten besonders in Krisenzeiten ein Anliegen, um dadurch die Staatshaushalte zu entlasten. Die Familie ist nicht nur ein moralisches Steckenpferd, das der bürgerlichen Erziehung dienen soll, sondern auch ein finanzieller und sozialarbeiterischer Hilfsposten, damit der Sozialstaat abgebaut werden kann.

Eine «funktionierende» Familie entlastet den Staat durch die in den meisten Fällen von Frauen übernommenen sozialen Leistungen unbezahlter Care-Arbeit ungemein. Die Anbindung der Frauen an das ideologische Gedankengebäude der bürgerlichen Familie bedeutet für sie nicht nur eine vermehrte Doppelbelastung, sondern steht auch einem freien, emanzipierten Lebensentwurf von Frauen diametral entgegen. In den sauberen Wohnzimmern der guten Schwizerlis ist es leider nicht weit her mit der Selbstbestimmung der Frauen über ihre Körper, denn jede Frau hat darin Hausfrau, Ehefrau und Mutter zu sein – alles, was darüber hinaus geht, muss sie sich erkämpfen. Ähnlich wie die Ecopop-Initiative wird auch die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» mit kulturrassistischen Argumente beworben. Abtreibung sei keine Krankheit und werde sowieso hauptsächlich von den kulturfremden Migrantinnen als Verhütungsmittel missbraucht. Es seien demnach soziale, nicht gesundheitliche Faktoren, die zu einer Abtreibung führten. Denn die «fremden» Kulturen würden nicht adäquat mit der Verhütung umgehen können. Diese Unterscheidung zwischen guten und schlechten Kulturen ist unverhohlen (kultur-)rassistisch und hetzt gegen Migrantinnen. Den SchweizerInnen die Schweizer Krankenkassen, so könnte man das Anliegen der InitiantInnen ausdeutschen. Die ausländerfeindliche Haltung der AbtreibungsgegnerInnen, die auch in anderen antifeministischen Bündnissen wie dem «Marsch fürs Läbe» zum Ausdruck kommt, geht mit einer braunen, nationalistischen Ideologie einher.

Zweiklassenmedizin 

Wird die Abtreibung aus der Grundversicherung gestrichen, werden sozial abgesicherte und wohlgeordnete Verhältnisse bevorteilt. Bestraft werden all jene, die sich keine Abtreibung auf private Rechnung leisten können. Nur wird es im trauten Heim der Schweizer Familie, wo alles nach Plan verläuft und das nötigen Geldpolster zur Verfügung steht, immer weniger wichtig sein, die Option einer Abtreibung zu haben, als in sozial fragilen Verhältnissen.

Wohin es führt, wenn zwischen richtigen und falschen Leiden unterschieden wird,  können wir uns denken. Dann werden irgendwann jene nicht mehr behandelt, die sich ein Bein aufgrund von «Eigenverschulden» gebrochen haben, Drogen genommen haben,  an Fettleibigkeit leiden oder am Rand der Gesellschaft leben und sich keine ausreichende Versorgung leisten können. Die Initiative richtet sich in antifeministischer Manier gegen die Frauen der unteren Klassen. Die soziale Diskriminierung, die sich mit dem neoliberalen Deckmäntelchen «Eigenverantwortung» tarnt, trifft gerade im Gesundheitswesen vorwiegend Frauen. Die InitiantInnen versuchen mit dem Credo der «Eigenverantwortung» die angestrebte Zweiklassenmedizin zu legitimieren. Dass es ihnen aber um soziale Ausgrenzung geht, ist offensichtlich.

Das Private ist politisch!

Im Rahmen des neoliberalen Umbaus durch Privatisierung und Abbau gerät das Gesundheitswesen weiter unter Spardruck, was eine entsolidarisierende Politik zur Folge hat. Eine feministische Antwort darauf wird es aber unweigerlich geben. Gerade im Bereich der Care-Arbeit wird die Frage nach Selbstbestimmung, nach solidarischen und kollektiven Arbeitsformen, nach Arbeitskämpfen im Privaten immer wichtiger. Die Selbstbestimmung der Frauen ist der konservativen Rechten immer noch ein Dorn im Auge und das soll auch so bleiben.

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