Mafiaboss blieb 30 Jahre unbehelligt

Giovanni Falcone (links) und Paolo Borsellino im Gespräch. Das Foto wurde am 27.März 1992 in Palermo von dem italienischen Fotografen Tony Gentile aufgenommen. Wenige Monate später wurden die beiden Richter durch Bombenattentate ermordet. Bild: wikipedia

sit. Matteo Messina Denaro ist gefasst. 30 Jahre lang wurde nach dem Boss der Bosse erfolglos gefahndet. Wie konnte er so lange untertauchen? Etwa durch ein Abkommen des Staats mit der Mafia? Viele Fragen drängen sich auf, über welche die aktuelle Regierung lieber die Hülle des Schweigens halten will.

Matteo Messina Denaro, der frühere Boss der Bosse der sizilianischen Mafia Cosa Nostra, wurde am 17.Januar von den Carabinieri in Palermo in einer Privatklinik verhaftet, in der er sich wegen eines Krebsleidens behandeln liess.

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Das war erst der Anfang!

sit. Die Antwort auf die geplante Rentenreform in Frankreich war ein Generalstreik im privaten und öffentlichen Sektor, der das Land weitgehend lahmlegte. Länger arbeiten zu immer mieseren Bedingungen kommt für die Masse schlicht nicht infrage. Weitere Streiks und Proteste sind angekündigt.

Am 19.Januar strömten rund zwei Millionen Menschen in zahlreichen Städten Frankreichs auf die Strasse, um gegen die geplante Rentenreform zu protestieren.

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Der Hauptfeind und das eigene Land

Die Genoss:innen der DKP an der diesjährigen LLL-Demo. Bild: Melina Deymann, ZU

flo. Mit der Grossdemonstration in Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15.Januar in Berlin schien die revolutionäre Linke zu verkünden: Doch, da sind wir immer noch! Rund 12000 Genoss:innen nahmen an der Demo teil.

104 Jahre ist es her, seit protofaschistische Freikorpsleute unter Befehl des sozialdemokratischen Bluthunds Gustav Noske die Genossin Rosa Luxemburg und den Genossen Karl Liebknecht in Berlin ermordetet haben. Karl wurde am Tiergarten erschossen, Rosa töteten sie noch beim Hotel Eden am Kurfürstendamm, wo sie zuvor gefangen gehalten wurde. Ihre Leiche wurde bei der Lichtsteinbrücke in den Landwehrkanal geworfen. 

Wichtige Veranstaltung
Der Mord an Luxemburg und Liebknecht hatte der damals noch jungen aber verzweifelt um die Revolution kämpfenden kommunistischen Bewegung in Deutschland das Haupt abgeschlagen. Und hätte die Revolution in Deutschland zusammen mit der in Sowjetrussland Erfolg gehabt, wie anders wäre der Gang der Geschichte der Klassenkämpfe doch verlaufen. Wenig überraschend also, dass die Gedenkveranstaltungen rund um Rosa und Karl mit die wichtigsten Veranstaltungen der revolutionären und marxistischen Linken im deutschsprachigen Raum darstellen. So dürfte die Demo in Berlin vom Frankfurter Tor zur «Gedenkstätte der Sozialisten» am Friedrichsfelder Friedhof die grösste kommunistisch dominierte Demonstration in Mitteleuropa sein. Entgegen den Erwartungen und vermutlich auch Hoffnungen der bürgerlichen Gesellschaft ist die LLL-Demo (für Luxemburg, Liebknecht, Lenin – seit Lenins Tod am 21.Januar 1924 bezog die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) den sowjetischen Revolutionär in ihr Gedenken mit ein) kein immer kleiner werdender Anlass einiger DDR-Nostalgiker:innen und Traditionskommunist:innen. Auch dieses Jahr erstreckte sich der Demonstrationszug über Kilometer.

Exponentielles Wachstum
Und es ist nicht das erste Jahr mit starkem Wachstum: So konnte man bei der letztjährigen Demonstration die Teilnehmendenzahlen laut der Tageszeitung junge Welt (jW) gegenüber 2021 auf 7000 verdoppeln. Laut Schätzungen der jW kamen dieses Jahr zwischen 12000 und 13000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet aber auch dem nahen Ausland zusammen. Dabei muss man berücksichtigen, dass dieses fast schon exponentielle Wachstum der Demonstration viel mit dem kleineren Demonstrationsaufkommen in den letzten Jahren angesichts der globalen Covid-Pandemie zu tun hat. Anwesend waren neben grossen Abordnungen der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjungend (SDAJ) und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) auch Teile der Linkspartei, kleinere Gruppen und grosse Blocks aus den Kontexten der migrantischen Linken. So waren auf manchen Banner an der Demonstration neben Rosa, Karl, Lenin auch Ibrahim Kaypakkaya zu sehen. 

Ob es die Ausmasse der Demo waren, die die Polizei dazu animiert hat, vielleicht nicht mit ganz so brutaler Repression gegen die Aktivist:innen vorzugehen, lässt sich nicht sagen. Doch anders als 2018 und 2020 kam es dieses Jahr zu keinen Angriffen der Staatsmacht auf die Demonstration. Vor drei Jahren hatte die Polizei den Block der Freien Demokratischen Jugend (FDJ) angegriffen. Die vorgeschobene Begründung: Die Organisation sei verboten. Dies ist jedoch eine leicht zu widerlegende Lüge: Verboten war einzig die Auslandsorganisation der FDJ in der BRD. Die aus der Ost-FDJ hervorgegangen Strukturen sind nicht verboten. 2018 war der Vorwand der Polizei das Mitführen eines Öcalan-Bilds durch kurdische Genoss:innen.

Gegen Krieg und Aufrüstung
Auch an der Liebknecht-Luxemburg-Demo ist der Konflikt in der Ukraine präsent. Eine Teilnehmerin trägt die Fahne einer der Donbass-Volksrepubliken mit sich. Zwei Personen am Seitenrand halten den Demonstrant:innen, die sie geflissentlich ignorieren, eine ukrainische Fahne entgegen und in der bürgerlichen Presse wird in den Tagen nach der Demo von «russischer Kriegspropaganda» an der Liebknecht-Luxemburg-Demo berichtet. Für die Feinheiten der verschiedenen Positionen innerhalb der Linken hat man bei solchen Blättern natürlich keine Zeit. Und wahrscheinlich auch keine Lust, sich schlau zu machen. Was die Genoss:innen deutlich von den Meinungsmacher:innen bei der bourgeoisen Presse unterscheidet, ist: Karl Liebknechts Linie vom «Hauptfeind», der im eigenen Land steht. Dies findet wohl bei praktisch allen Linken an Zustimmung. Für Menschen in Westeuropa müssen ihre eigene imperial über die Nato agierende herrschende Klasse der Hauptfeind sein. Denn weder die werktätigen Massen in Russland noch in der Ukraine profitieren von diesem Krieg.

Konferenz mit Klärungsbedürfnis

flo. Die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin stand ganz im Zeichen des Ukrainekriegs. Trotz Meinungsverschiedenheiten unter den Teilnehmenden in der Frage der Bewertung Russlands gab es aber auch einen klaren Konsens: Für Frieden und gegen Aufrüstung.

Das Haus war voll in Berlin Moabit. Schon seit Jahren findet die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Kongresshotel Mercure Hotel Moa statt. Organisiert wird sie von der Tageszeitung junge Welt (jW).

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Der gescheiterte «dritte Weg»

Proteste bei einer Kundgebung der rechtsextremen SD in Schweden. Bild: Twitter

Anna Kindler. Bis heute gilt Schweden fälschlicherweise als humanitäre Grossmacht und wird als Musterbeispiel für einen stark ausgebauten Wohlfahrtsstaat herangezogen. Doch der «dritte Weg» ist gescheitert – das wird nicht zuletzt am rasanten Aufstieg der Schwedendemokraten und den Verfehlungen im Migrationsbereich erkennbar.

In zahlreichen schwedischen Grossstädten kam es an Ostern 2022 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant:innen. Bilder brennender Polizeiautos und fliegender Molotow-Cocktails verbreiteten sich und lösten eine heftige Debatte über Meinungs- und Demonstrationsfreiheit aus. Es handelte sich um Demonstrationen gegen geplante Kundgebungen des dänischen Politikers Rasmus Paludan – Gründer der rechtsextremen Partei «Strammer Kurs».

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Entfesselte Kraft im Iran

Seit dem Tod von Jina Mahsa brachen im ganzen Land Proteste gegen das iranische Regime aus. Doch entgegen unseren Medien hier sind diese nicht westlich geprägt.

sah. Wut herrscht seit Mitte September auf den Strassen Irans. Seit dem Tod von Jina Mahsa brachen Proteste gegen das iranische Regime aus, die bis heute anhalten. Dieser Kampf für Freiheit und Gleichheit ist nicht vom Westen inspiriert, wie in europäischen Medien oft behauptet wird. Ungewiss ist der Ausgang der Proteste.

Angefangen hatte es damit, dass im September 2022 Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei in Teheran verhaftet wurde, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäss getragen hatte. Wenig später starb die Frau in einem Krankenhaus. Der Tod von Jina Mahsa Amini schockierte und löste Proteste gegen das iranische Regime aus. Diese Proteste dauern bis heute an. Menschen aus allen Altersgruppen, Ethnien, Schichten und Geschlechtern sammeln sich auf der Strasse.

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Piazza Fontana: Um nie zu vergessen!

Gerhard Feldbauer. Mit dem rechtsextremen Terroranschlag vom Dezember 1969 in Mailand begann die sogenannte Strategie der Spannung. Das Ziel war dabei, das Land zu destabilisieren, um dann einen faschistischen Putsch durchzuführen. 53 Jahre später sitzen die Faschist*innen, angeführt von Giorgia Meloni, an der Macht.

Der Bombenanschlag auf der Piazza Fontana in Mailand am 12.Dezember 1969 war der erste grosse faschistische Terroranschlag in der italienischen Nachkriegsgeschichte. Gegen 16.37 Uhr explodierte vor dem Hauptsitz der «Banca Nazionale dell’Agricoltura» eine Bombe, die 17 Menschen tötete und 88 schwer verletzte. Es war der Beginn der sogenannten «bleiernen Jahre» in Italien, die von der Strategie der Spannung geprägt waren.

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Kuba kann Öko!

Gion Honegger. Kuba, das vielleicht nachhaltigste Land der Welt! Die ökologische Landwirtschaft und die beeindruckende nachhaltige Entwicklung in Kuba standen am Sonntag, 27.November im Restaurant Schwarzer Engel in St. Gallen im
Zentrum der Veranstaltung der Gruppe Cuba Solidarität Vilma Espín.

Kuba setzte in 1960er- und 1970er-Jahren auf industrialisierte Landwirtschaft (mit grossem Einsatz an chemischen Dünger und Pestiziden), sowie auch weiterhin auf die aus der Kolonialzeit stammende Monokultur des Zuckeranbaus. » Weiterlesen

Von Tripolis nach Genf

sit. Am 75.Internationalen Tag der Menschenrechte der Vereinten Nationen und am Tag zuvor fanden in Genf Aktionstage im Zeichen der Solidarität mit den Geflüchteten in Libyen statt. Vor dem Hauptsitz des UN-Flüchtlingshilfswerks wurden Gerechtigkeit und faire Behandlungen gefordert. Erschreckend sind die Berichte der Betroffenen aus Libyen.

Gekommen, um endlich gehört zu werden. Am Freitag, 9.Dezember und Samstag, 10.Dezember fanden in Genf Aktionen statt, um auf die unmenschliche Lage der Geflüchteten in Libyen aufmerksam zu machen. Aber nicht nur: Der Protest richtete sich auch gegen das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. «Obwohl der erste Artikel der UN-Menschenrechtserklärung besagt, dass alle ‹Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind›, mussten die Menschen in Libyen mehr als 100 Tage lang vor dem UNHCR-Hauptgebäude protestieren. Dies, weil das UNHCR ihre Forderungen als Menschen anerkannt und in sichere Länder gebracht zu werden, systematisch ignorierte», ist auf der Website unfairagency.org zu lesen (siehe auch Artikel unten auf dieser Seite). Erklärt wird auch der Grund der Aktionstage: «An diesem Wochenende, etwas mehr als ein Jahr nach Beginn der Proteste in Tripolis, mobilisierten die wenigen, die es nach Europa geschafft haben, um den Protest von Tripolis nach Genf zu tragen.»

Tötungen und Vergewaltigungen: Die Schweiz ist mit dabei
Kein Zufall also, dass die Pressekonferenz am Morgen des ersten Aktionstags vor dem UNHCR-Gebäude stattfand. Dabei ergriff der Gründer der Bewegung «Refugees in Libya», David Yambio, als erster das Wort: «Ich bin heute hier, um die Tausenden von Menschen zu vertreten, die noch immer in Lagern in Libyen eingesperrt sind. Es handelt sich um Menschen, die als Flüchtlinge beim UNHCR registriert sind und denen ein fairer Zugang zum Asylverfahren verwehrt wurde». Yambio lebt in der Zwischenzeit in Italien, wo er als politischer Flüchtling anerkannt ist.
Seinem Bericht schloss sich die Mitstreiterin Lam Magok an, die fünf Jahre lang in Libyen gefangen war: «Wir sind Menschen wie alle anderen auch. Wir sind wie Ukrainer*innen. Es gibt keine A- und B-Migranten». Und Azeb Ambessa von den Netzwerken «Solidarität mit Flüchtlingen in Libyen» und «United4Eritrea» erklärte, dass «die transnationale Bewegung kurz nach Beginn der Proteste in Tripolis entstanden ist, um den Stimmen und Forderungen der Flüchtlinge in Libyen Gehör zu verschaffen». Er fügte hinzu: «Das Grenzregime der Europäischen Union ist mitschuldig an Folter, Tötungen und Vergewaltigungen, die täglich in den Haftanstalten in Libyen stattfinden».
Auch die Schweiz finanziert die Abschottung Europas kräftig mit. Das wissen alle, die es wissen wollen, spätestens seit der Abstimmung vom 15.Mai dieses Jahrs über die stärkere Beteiligung der Eidgenossenschaft an Frontex. In Zukunft werden es ganze 61 Millionen Franken sein. Frontex, die Grenzschutzagentur der EU, wurde 2005 gegründet. Seither ist ihr Budget von sechs Millionen Euro um 7000 Prozent gestiegen und soll für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ganze 5,6 Milliarden Euro betragen. Personell soll die Frontex-Einsatztruppe bis 2027 auf ein eigenes stehendes Heer mit 10000 Grenzschutzbeamt*innen aufgestockt werden.

Stoppt die Geisterjagd
Zurück zu den Aktionstagen in Genf. Nach der Pressekonferenz folgte trotz Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt ein Sit-in mit zahlreichen Beiträgen von Betroffenen, das mehrere Stunden dauerte. «Die Gruppe demonstrierte mit Blick auf das Gebäude, in dem Beamte des sogenannten Flüchtlingshilfswerks täglich Entscheidungen über das Leben von Millionen schutzbedürftiger Menschen in aller Welt treffen», ist auf unfairagency.org treffend zu lesen. Am Samstag, dem 10.Dezember und dem 75.Internationalen Tag der Menschenrechte der Vereinten Nationen, fand dann die Demonstration statt. Von der Place des Nations aus zogen Hunderte von Menschen lautstark durch die Calvinstadt. Zu hören waren dabei Slogans wie: «Wir sind hier und wir werden kämpfen – Asyl zu suchen ist jedermanns Recht!», und «UN-Agenturen – Stoppt die Geisterjagd auf Flüchtlinge». Die Demo endete am Place de la Navigation mit mehreren künstlerischen und musikalischen Darbietungen und dem Versprechen, dass dies nur der Anfang von etwas Grösserem sein wird. So ist für die Betroffenen klar: «Wir haben diese Forderungen in Genf auf die Strasse gebracht, während viele unserer Kameraden in Libyen und Menschen auf der Flucht ihr Leben riskieren, um ihre grundlegenden Menschenrechte einzufordern. Wir kämpfen gemeinsam und wir werden weitermachen, bis unsere Forderungen vom UNHCR gehört und umgesetzt werden», so die klare Ansage auf unfairagency.org.

«Es war die Hölle»
Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Und warum dem so ist, beweisen die Berichte der Betroffenen aus Libyen, die auf unfairagency.org zu lesen sind. So berichtet eine geflüchtete Frau aus dem Sudan: «Am Morgen gegen sieben Uhr holten sie uns ab und trieben uns in Militärfahrzeugen zusammen. Auf dem Weg zum Gefängnis befahl der verantwortliche Kommandant, als er den Zustand meines behinderten Kindes sah, seinen bewaffneten Männern, sich zurückzuziehen und uns freizulassen. Wir kehrten nach Gargaresh zurück und mussten feststellen, dass unser Hab und Gut verschwunden war: Ventilator, Bettlaken, Matratzen, Mobiltelefone und die Reste unserer Ersparnisse waren weg.» Ihr blieb nichts anderes übrig, als vor das UNHCR-Gebäude in Seraj zu gehen. «Wir sassen dort in grosser Zahl vor dem Büro, wurden ignoriert und im Stich gelassen, und die Mitarbeiter schlossen ihre Türen und gingen weg.»
Am 10.Januar 2023 wurde das Protestcamp von der libyschen Miliz gewaltsam aufgelöst. «Wir wurden alle in das Internierungslager Ain Zara gebracht. Es war für uns die Hölle. Wir standen die ganze Zeit draussen und es regnete den ganzen Tag.» Erst nach stunden wurde ein kleines Zelt aus Plastikplanen auf dem Gelände des Gefängnisses von Ain Zara aufgestellt. «Es regnete die ganze Zeit, und meistens schliefen wir in den Fluten des Wassers, so wie vor dem UNHCR-Hauptquartier», so die geflüchtete Frau aus dem Sudan. Sie und ihr krankes Kind mussten bis am 15.Februar im Lager bleiben.

Das Mindeste, was wir tun müssen!
Erschreckend ist auch der Bericht eines Mannes. «Seit ich hier in Libyen bin, habe ich persönlich eine Menge schrecklicher Ereignisse erlebt. Wir haben Angst und werden von den libyschen Milizen und den internationalen Organisationen bedroht.» Die Geflüchteten fordern Grundrechte wie Wohnung, Arbeit, Bildung, Gesundheitssystem. Libyen ist ein Staat «von Mördern und Menschenhändlern.» Der Mann erklärt: «Ich bin seit 2020 beim UNHCR registriert, aber ich habe nichts von ihnen erhalten, keinen Schutz, keine Neuansiedlung, nichts.» Es sei daher die Pflicht und Aufgabe, die Stimme zu erheben. «Wir fordern ein sofortiges Eingreifen, um uns zu helfen und uns aus dieser Hölle zu retten. Wir fordern alle Menschenrechtsorganisationen und -gruppen auf, unseren Stimmen und Forderungen Gehör zu verschaffen. Vielleicht können sie etwas tun, was das UNHCR verweigert oder versäumt hat, zu tun.»
Es ist das Mindeste, was wir hier in Europa tun müssen!

Die Schweiz wird gemahnt!

sah. Der erste Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz zeigt es: Das Land erfüllt zahlreiche Anforderungen des Abkommens nicht, obwohl es sich dazu verpflichtet hat. Es gibt noch sehr viel zu tun im Kampf gegen Gewalt – und dafür braucht es Geld.

2013 unterzeichnete die Schweiz die Istanbul-Konvention und verpflichtete sich damit, verschiedene Massnahmen gegen geschlechtsbezogene, sexualisierte und häusliche Gewalt zu schaffen. Fast zwei Jahre lang untersuchte die GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) jetzt die bisherige Arbeit der Schweiz und die aktuelle Situation im Land.

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«Nur Ja heisst Ja»-Gesetz mit Folgen

Ralf Streck. Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Ein Gesetz in Spanien sollte Frauen* besser vor sexuellen Übergriffen schützen. Doch nun werden Straftäter begünstigt, da die Strafmasse für etliche Tatbestände gesenkt wurde. Die Regierung steht unter Druck. Sie tut sich aber schwer, Fehler einzuräumen.

Die spanische Regierung hatte ein Gesetz mit der Absicht entworfen, dass es sexuellen Übergriffen Einhalt gebieten sollte. Im Mai verabschiedete das Parlament das «Nur Ja heisst Ja»-Gesetz, das auch in linken Zeitungen in Europa als «wegweisende Gesetzesreform» bezeichnet wurde. Seit dem 7.Oktober ist es nun in Kraft. Vor der Gesetzesreform galt Gewalt als eine Voraussetzung, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Das führte zu geringeren Strafen, da die Gewaltanwendung oft schwer zu beweisen war oder sich das Opfer nicht traute, Widerstand zu leisten. Nach der Reform ist Sex ohne Einwilligung kein Sex, sondern wird nun als Vergewaltigung gewertet. Es braucht nun die ausdrückliche Zustimmung.

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100 Jahre Immobilienkommunismus 

Gaston Kirsche. Die beiden Hamburger Volksinitiativen «Keine Profite mit Boden und Miete» haben sich mit den Regierungsfraktionen von SPD und Grünen auf zwei Kompromisse geeinigt. Und was in deutschen Städten möglich ist, sollte auch in der Schweiz zumindest denkbar sein.

Einen «Einstieg in den wohnungswirtschaftlichen Kommunismus» fürchtete Anke Frieling, Abgeordnete der CDU in einer recht erregten Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft, dem Parlament der Hansestadt. Als Abgeordnete für den schönen Stadtteil Blankenese, eine beliebte Wohnadresse der Hamburger Bourgeoisie, gruselte sie sich in ihrer Rede am 3.November vor dem Poltergeist mit Hammer und Sichel: Die Bedingungen für Immobilienunternehmen würden «dramatisch verschlechtert».

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Wann ist ein Boykott sinnvoll?

Bernd Beyer. Es gibt mehrere Fakten, die einen Boykott der Fussballweltmeisterschaft in Katar erklären und vor allem rechtfertigen. Katar symbolisiert auf besonders sinnliche Weise die fatale Fehlentwicklung des Wetlfussballverbands, die Fifa, und bietet sich für eine Boykottbewegung daher geradezu an.

Es gibt wohl kein Land auf der Welt, in dem ideale Zustände in puncto Sozialstaat, Ökologie oder Demokratie herrschen, in dem die Menschenrechte ohne faktische Einschränkungen garantiert sind und in dem nicht Streitkräfte oder Rüstungsbetriebe existieren, die in zweifelhaften Kriegen eingesetzt werden. Wollte man mit diesem Idealbild filtern, so würde sich kaum ein Land finden, dem man eine Fussballweltmeisterschaft (WM) oder Olympische Spiele guten Gewissens übertragen könnte. Eine Boykott-Aktion gegen ein bestimmtes Gastland erfordert eine deutliche Ächtung dieses Landes und setzt daher voraus, dass überzeugende Gründe für eine solche Ächtung existieren.

1.Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen
Internationale Sportturniere beanspruchen für sich, der «Völkerverständigung» zu dienen. Damit unvereinbar ist die Gastgeberrolle eines Landes, das (aktuell oder in jüngster Vergangenheit) an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilgenommen oder ihn unterstützt hat. So jedenfalls argumentiert Glenn Jäger, Autor des aufschlussreichen Buches «In den Sand gesetzt. Katar, die Fifa und die Fussball-WM 2022». Für ihn ist mit diesem Kriterium Katar aus dem Rennen, weil es sich bis 2017 am Krieg im Jemen und bis heute am Krieg in Syrien und Libyen beteiligt hat, beziehungsweise dort agierende Islamist*innen unterstützt. Als Gastgeber wären demnach generell alle Staaten ausgeschieden, die an den Kriegen in Jugoslawien, Syrien, Libyen oder Afghanistan teilgenommen haben oder noch teilnehmen. Aus diesem Grund hätte – Jäger zufolge – eine WM 2006 in Deutschland nicht stattfinden dürfen, ebenso wenig in naher Zukunft eine WM in den USA.
Seltsamerweise stört sich Jäger allerdings nicht an einem Gastgeber Russland, dessen Annexion der Krim und dessen Beteiligung am Krieg in Syrien er offensichtlich nicht als völkerrechtswidrig ansieht. Schon daraus wird deutlich, dass ein eindeutiges Kriterium aus einer Kriegsbeteiligung als solcher kaum gewonnen werden kann, und auch nicht daraus, ob die UNO diesen Krieg explizit billigt oder nicht. Letztlich wird man nicht darum herumkommen, den politischen Stellenwert eines Krieges zu beurteilen. Sofern an diesem Punkt eine breite internationale Anti-Kriegsbewegung existiert, wäre es zwingend notwendig, dem «kriegstreibenden» Land eine Gastgeberrolle zu verweigern beziehungsweise die Austragung eines Turniers zu entziehen.

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Kuba – USA 185:2

Volker Hermsdorf. Die UN-Vollversammlung stimmt nahezu komplett für die Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba. Niemand der vielen Redner*innen sprach sich für die menschenverachtende US-Politik aus. In den bürgerlichen Medien wurden die Niederlage der USA und der Sieg Kubas verschwiegen.

Zwei Wochen nachdem 185 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zum 30.Mal in Folge die Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba gefordert haben, lädt die Vereinigung «La Estrella de Cuba» die in Europa lebenden Landsleute vom 18.bis 20.November zu einem Treffen nach Berlin ein. Dabei gehe es um eine stärkere Zusammenarbeit von Verbänden und Exilkubaner*innen, die bereit sind, die kubanische Bevölkerung angesichts der mörderischen Auswirkungen der US-Sanktionen, sowie den Folgen des verheerenden Hurrikans Ian zu unterstützen. Dies erklärte der Präsident des Verbandes, Pedro Silva, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Prensa Latina.

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«Krieg ist ein Verbrechen»

Ruslan Kotsaba (zweiter von links) vor dem Anti-Kriegs-Museum in Berlin.

Peter Nowak. Ruslan Kotsaba wurde 1966 geboren. Er ist Mitbegründer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Wegen seiner Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, wurde er in der Ukraine mehrmals verurteilt, inhaftiert und von Ultrarechten angegriffen. Der vorwärts sprach mit ihm.

Wie wurden Sie zum Pazifisten?
2014 wurde ich als Journalist in den Donbas entsandt und interviewte Menschen auf beiden Seiten der Front. Ich habe ihnen in die Augen gesehen. Viele von ihnen wurden wenig später in den Krieg geschickt und starben. Da habe ich erkannt, dass der Krieg ein Verbrechen ist, an dem ich mich nicht beteiligen werde. Anfang 2015 habe ich mich auf Youtube gegen die Kriegführung im Osten des Landes gewandt. Zudem habe ich den damaligen ukrainischen Präsident Petro Poroschenko erklärt, dass ich die Einberufung verweigern werde. Und ich habe meine ukrainischen Landsleute aufgerufen, sich ebenfalls dem Kriegsdienst und der Einberufung zur Armee zu widersetzen.

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Setzt die Türkei chemische Waffen ein?

sit. Videos mit teilweise sehr verstörendem Bildmaterial zeigen die Folgen eines Angriffs mit Giftgas der türkischen Armee in Südkurdistan. Auch eine internationale anerkannte Organisation von Ärzt*innen kommt zum Schluss, dass viele Hinweise auf den Einsatz von Chemiewaffen hindeuten.

«Die türkische Armee setzt seit Mitte April chemische Waffen in den von der PKK kontrollierten Gebieten in Südkurdistan ein. Laut einer neuen Bilanz, die die Volksverteidigungskräfte (HPG) am 17.Oktober veröffentlichten, wurden in den letzten sechs Monaten mindestens 2476-Mal verbotene Bomben und chemische Waffen eingesetzt», schreibt die Nachrichtenagentur ANF auf ihrer Website am 18.Oktober. Diese Kriegsverbrechen sind von der ANF mehrfach mit Bildern und Aussagen von Zeug*innen dokumentiert.

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Italien: Der Albtraum beginnt

Die Faschistin Giorgia Meloni ist an der Macht.

Gerhard Feldbauer / sit. Georgia Meloni, die Anführerin der faschistischen Partei «Fratelli d’Italia» hat das Amtsgeschäft als Ministerpräsidentin übernommen. In der Regierung hat sie Freund*innen, langjährige Parteikamerad*innen und gar Mitglieder der Familie um sich geschart. So zeigt der Blick auf das Kabinett klar, wohin die Reise gehen soll.

Staatspräsident Sergio Mattarella hat am Samstag, 22.Oktober, knapp einen Monat nach den Parlamentswahlen vom 25.September, erwartungsgemäss Georgia Meloni an der Spitze der 65. Regierung nach 1945 vereidigt. Die Führerin der faschistischen Partei «Fratelli d’Italia», die sonst «keine Probleme» mit dem Faschismus Mussolinis hat, wollte dennoch nicht in den Umkreis des 100.Jahrestages des «Marsches Mussolinis auf Rom» vom 28.Oktober 1922 geraten und hatte auf den frühen Termin gedrängt. Im Eiltempo ging es weiter: Am Sonntag, 23. Oktober übergab der nunmehrige Ex-Premier Draghi der vor Freude strahlenden Meloni die Regierungsgeschäfte. » Weiterlesen

Das Schweigen des Staates

Enrico Mattei

Gerhard Feldbauer. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni würdigten den ehemaligen ENI-Präsident Enrico Mattei für seine Verdienste im Wideraufbau des Landes nach 1945. Sie verschwiegen aber den Mord durch die CIA.

Enrico Mattei (1906 – 1962) kämpfte als Kommandeur einer katholischen Partisanenbrigade gegen den Faschismus in Italien. Nach dem Krieg trug er als Präsident des staatlichen Energiekonzerns ENI zum Wiederaufbau des Landes bei. Für diese Verdienste wurde Mattei anlässlich seines 60.Todestags am 27.Oktober vom Staatspräsidenten Sergio Mattarella gewürdigt. Auch die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nahm in ihrer Antrittsrede vor dem Parlament Bezug auf Enrico Mattei. Seine Verdienste im Kampf gegen den Faschismus liess sie – wie könnte es bei ihr anders sein – aussen vor. Meloni würdigte Mattei als «grosser Italiener, der dazu beigetragen hat, Italien zu einer wirtschaftlichen und internationalen Macht zu machen».
Mattarella und Meloni verschwiegen, dass Mattei ein Gegner der USA-Einmischung war und versuchte, der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit Italiens von den USA eine Barriere entgegenzusetzen. Und sie verschwiegen vor allem, dass Mattei durch ein Attentat der CIA ermordet wurde. Doch der Reihe nach.

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