Die Herrschaft der Gedanken

Logo_D_webBereits ein Monat vor dem Ablauf der Sammelfrist stand fest, dass das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III (USRIII) problemlos zustande kommt. Die Steuergeschenkvorlage für die Unternehmen im Wert von über vier Milliarden Franken kommt somit vors Volk. Stellt man die Vorlage in den gesellschaftspolitischen Zusammenhang, wird klar, dass es bei der Abstimmung um weit mehr geht als ein Ja oder Nein zur Reform.

Das Referendum gegen die USRIII ist mit über 60000 Unterschriften unter Dach und Fach. Das Mindeste ist getan – alles andere wäre für die Linke in diesem Lande die komplette Bankrotterklärung gewesen. Ein gutes Zeichen ist, dass die benötigten Unterschriften bereits ein Monat vor Ablauf der Sammelfrist beisammen waren. Die Abstimmung findet mit grosser Wahrscheinlichkeit im Februar 2017 statt. Ein langer und schwieriger Abstimmungskampf steht bevor. Hoffnung und Mut machen aber die Reaktion der Menschen auf der Strasse: «Das ist eine Frechheit», «Die müssen gestoppt werden», «Dann wird wieder bei der Bildung gespart», waren Sätze, die beim Unterschriftensammeln oft zu hören waren. Vielen ist sehr bewusst, dass die massiven Steuerausfälle durch die USRIII zu «Sparmassnahmen» auf Kosten der breiten Bevölkerung führen.

Von Fakten…

Im Detail ist die Vorlage kompliziert, in ihrer Gesamtheit aber simpel zu verstehen, so wie zum Beispiel jene über den Kauf der Kampfflugzeuge «Gripen» im Mai 2014. Da lautete die Frage an die Abstimmenden: Wollt ihr die 22 Kampfjets für über zehn Milliarden Franken kaufen, ja oder nein? Bei der USRIII lautet die Frage: Wollt ihr Steuerausfälle von über vier Milliarden Franken, Ja oder Nein? Hilfreich um diese Frage entschieden mit Nein zu beantworten, ist die Tatsache, dass die Folgen eines Jas bekannt sind. Man muss sie nur sehen wollen, so wie etwa in Luzern: Mit der «Steuergesetzrevision 2011» hat der Kanton Luzern in zwei Jahren die Gewinnsteuer für Unternehmen um 50 Prozent gesenkt. Die Folgen? Im Herbst 2014 legte der Regierungsrat ein Sparprogramm von jährlich 110 Millionen Franken vor. Konkret: Beim Personal wurde generell um 1 Prozent gespart, im Gesundheits-, Sozial-, Kultur und Bildungsdepartement wurde das Budget um 5 Prozent gekürzt und die Pensen für LeherInnen in den Gymnasien wurden um eine halbe Lektion, bei der Berufs- und Weiterbildung und der Sonderschulen gar um eine Lektion erhöht. Und das ist noch lange nicht alles: Per 2018 wird die Fachklasse Grafik geschlossen, das Schuljahr wurde bei den Gymnasien sowie Berufs- und Weiterbildung um eine Woche gekürzt (!), 1,2 Millionen für die Prämienverbilligung sind gestrichen worden und die Luzerner Polizei führt täglich eine Patrouille weniger durch. Der Kanton Zürich hat angekündigt, dass die Umsetzung der USRIII ein jährliches Loch von 500 Millionen Franken in die Kasse reissen wird. In Genf belaufen sich die Ausfälle auf 300 bis 400 Millionen Franken, während im Kanton Basel-Stadt die Mindereinnahmen gut 140 Millionen Franken betragen werden. Auch der Bund hat ein Sparpaket von einer Milliarde Franken angekündigt. Er begründet dies unter anderem mit den Einnahmeausfällen, welche die USRIII verursachen wird. Eine «Sparmassnahme», die besonders stark das Bundespersonal betreffen wird. Wie bereits erwähnt, die Folgen der USR-III sind bekannt, man muss sie nur sehen wollen!

…und Vermutungen

Diesen Fakten stehen Vermutungen der BefürworterInnen gegenüber. Das liest sich dann so: «Bei ersatzloser Streichung der Steuerprivilegien würden die bisher privilegierten Gesellschaften massiv höher besteuert (um bis zu 10 Prozentpunkte), was vermutlich zu starker Abwanderung und hohen Einnahmenverlusten für den Fiskus führte.» (NZZ vom 8. September 2016) Sicher, es gibt Studien von bekannten WirtschaftsprofessorInnen, welche die Vermutung bekräftigen. Vermutung bleibt aber Vermutung. Wie gross die Abwanderung sein wird, kann niemand genau voraussehen, weil bei der Standortwahl viele Faktoren eine Rolle spielen. Laut einer Umfrage der SwissHoldings, dem Verband der multinationalen Konzerne in der Schweiz, zu den zehn wichtigsten Standortkriterien, belegt der Faktor Steuerprivilegien gerade mal den achten Rang. Sollten steuerliche Privilegien wegfallen, bleiben die neun anderen Kriterien wie etwa «Gut ausgebildete Fachkräfte» (auf Position 1!), «Politische und gesellschaftliche Stabilität» und «Rechtssicherheit» weiterhin bestehen. Angeführt von der FDP/Liberalen malen die Bürgerlichen als VasallInnen der Wirtschaftsbosse wie üblich den Teufel an die Wand, machen den Menschen Angst, um die eigenen Interessen zu festigen und die Profite zu erhöhen.

Alles im Sinne des Kapitalismus?

Vier Milliarden Franken, viel Geld für die angeblich leeren Staatskassen. Jedoch ist es ein Trinkgeld gemessen am immensen Reichtum und Besitz der Grossunternehmen, wie zum Beispiel jenem der Pharma- und der Chemieindustrie, die von der Reform stark profitieren würden. Novartis, Roche, Syngenta und Lonza, um nur einige zu nennen, generieren zusammen über 115 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr. Bei diesen Unmengen an Umsatz und Profit von Novartis und Co. gleicht ihre Steuerlast einem Fünffrankenstück, das eine Normalverdienerin dem Strassenmusikanten in die Mütze wirft. So steht die USRIII auch in einem gesellschaftspolitischen Zusammenhang, der wesentlicher ist als «nur» das Bezahlen von Steuern: Es geht um die Machtfrage, genauer um die Herrschaft der Gedanken. Was das heisst? Karl Marx und Friedrich Engels helfen da weiter. In ihrer Schrift «Die Deutsche Ideologie» halten sie fest: «Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, das heisst, die Klasse, welche die herrschenden materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.» Dem kapitalistischen, neoliberalen Credo der Herrschenden soll alles unterworfen werden, um ihre Macht, Interessen und Profite zu festigen. In diesem Sinne ist die USRIII Mittel zum Zweck. Ein Mittel der Herrschenden, um ihrer Vorstellungen der Gesellschaftsordnung einen Schritt näher zu kommen. Wer in diesem Lande herrscht, zeigt auch ein Blick auf die Steuerfakten im Kanton Basel-Stadt: Nicht weniger als 85 Prozent der steuerbaren Gewinne im Kanton kommen von Gesellschaften, die bis anhin Steuerprivilegien geniessen. Der Pharmasektor ist dabei besonders prominent vertreten. Wenn diese Unternehmen den Drohfinger heben, kriegt der oder die FinanzministerIn kalte Füsse, Alpträume in der Nacht und tut alles daran, die Wirtschaftsbosse wieder zu besänftigen. Die Politik kuscht vor der Wirtschaft. So lautet die gesellschaftspolitische Grundsatzfrage, über die Herr und Frau EidgenossIn im Zusammenhang mit der USRIII abstimmen werden: Wollen wir in einem Land der Wirtschaftsdiktatur leben, ja oder nein?

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Blockiert vor der Grenze

Seit Juli stecken hunderte Personen, die in Europa Asyl suchen, an der Grenze zwischen Como und Chiasso fest. Während die für die prekäre Situation Verantwortlichen ungeschoren davon kommen, werden solidarische Menschen kriminalisiert.

Ein Telefonanruf am Donnerstag, 1. September. Ich werde darüber informiert, dass die Tessiner Grossrätin Lisa Bosia Mirra verhaftet wird. Sie hätte vier papierlosen Jugendlichen geholfen, in die Schweiz einzureisen. Die Präsidentin der Flüchtlingshilfsorganisation Firdaus unterstützt schon seit Juli Hunderte von Asylsuchenden, die in Como von Schweizer GrenzwächterInnen blockiert werden. Gegen Lisa, die gegenwärtig wieder auf freiem Fuss ist, wird nun strafrechtlich ermittelt.

Eine Entscheidung «von oben»

Vom 21. bis 22. August reiste ich mit einem Tessiner Genossen nach Como. In Chiasso haben wir Lisa getroffen, wo ihre Organisation jeden Tag das Mittag-essen für die MigrantInnen auf der anderen Seite der Grenze zubereitet. An diesem Tag hatte Firdaus etwa 900 Teller in dem Park ausgeteilt, der ein paar Meter vom Bahnhof San Giovanni entfernt liegt und wo hunderte Männer, Frauen und Kinder auf die Weiterreise warten. Warum hat man ihre Flucht vor den Toren der reichen Schweiz aufgehalten? Die Bundesregierung behauptet, dass alles bestens sei, dass man nichts ändern werde und dass das Grenzwachtkorps (GWK) seine Arbeit gut mache. «Alles läuft korrekt ab», so Bundesrat Ueli Maurer. Wie die Asylrechtsexpertin von Amnesty International Schweiz jedoch feststellt, schicken die GrenzwächterInnen 60 Prozent der Personen ohne gültige Reisepapiere zurück nach Italien, zuvor waren es 10 Prozent. Mehrere Organisationen haben nachgewiesen, dass Personen, die eindeutig die Absicht hatten, in der Schweiz Asyl zu beantragen, nach Italien abgeschoben wurden, darunter Minderjährige ohne Begleitung, die zu ihrer Familie in der Schweiz wollten. Die Abschiebungen stützen sich auf ein Rückübernahmeabkommen, das im Jahr 2000 von der Schweiz und Italien ratifiziert wurde, und nichts zu tun hat mit einer strengen Durchsetzung der Dubliner Verträge, wie dies unter anderem die Bundesrätin Simonetta Sommaruga behauptet. Eine solche Kehrtwende in der Praxis kann nur durch eine Entscheidung «von oben» stammen. Aber das Wer, Was und Warum sind Fragen, auf die der Bundesrat bis heute die Antwort verweigert.

Ueli Maurer als Chef des GWK

Die Verschärfung des Grenzregimes hat man schon seit einiger Zeit erwartet. Angesichts der «Notfallplanung Asyl», die vom Bundesrat zusammengeschustert und im vergangenen April veröffentlicht wurde, gibt es nicht mehr den Schatten eines Zweifels: Falls die Schweiz mit einer grösseren Zahl von Asylgesuchen konfrontiert ist, «verstärkt das GWK mit Schwerpunktbildungen die Kontrolle der Landesgrenzen an den neuralgischen Grenzabschnitten und sorgt für die Umsetzung der Rückübernahmeabkommen mit den Nachbarstaaten.» Gleichzeitig verkündete der Bundesrat die Schaffung von 130 neuen Stellen im GWK bis 2017. Offensichtlich gelten Sparmassnahmen nicht für alle staatlichen Sektoren. Maurer traf sich im Juli mit seinem italienischen Pendant Angelino Alfano, um die Kooperation beider Länder zu verbessern und sich mit ihm auf drei Punkte bezüglich des Grenzschutzes zu verständigen. Erstens soll die Präsenzzeit der italienischen Behörden an der Tessiner Grenze deutlich ausgedehnt werden, damit illegale MigrantInnen «sofort und effizient» abgeschoben werden könnten. Zweitens sollen «in den grenzüberschreitenden Zügen von Mailand über die Schweiz nach Paris gemischte Patrouillen italienischer und schweizerischer Grenzbeamter eingeführt werden». Geplant ist ausserdem ein Krisenstab im Tessin, das beide Länder über die Migrationslage informiert. Mitte Juli schlug der Bundesrat das 48-Stunden-Verfahren, das bisher bei Menschen aus dem Westbalkan angewendet wurde, für «MigrantInnen aus Afrika» vor.

Die Geflüchteten werden bleiben

Das Ziel dieser Verschärfungen ist in den Worten Maurers «eine schnelle Rückführung von illegalen Migranten». Aber: Genauso wie Krieg, Verfolgung und Armut nicht einfach verschwinden werden, weil man die Auge verschliesst, werden sich die Personen, die nach Europa fliehen, nicht einfach in Luft auflösen, wenn man die Zahl der GrenzwächterInnen erhöht. Die Geflüchteten werden da bleiben, blockiert, sichtbar, störend, auf eine Lösung wartend, damit sie ihren Weg fortsetzen können. Man darf also nicht erstaunt sein, wenn diese sich an FluchthelferInnen wenden. Es stimmt, einige davon sind kriminell. Sie profitieren von der Not anderer und bereichern sich an ihnen. Aber ihre Abwesenheit von Moral ist nicht weniger verwerflich als die der Verantwortlichen in der Schweiz und in Europa, die eine unmenschliche Asylpolitik verteidigen, die Menschen tötet. Und diejenigen HelferInnen wie Lisa, die aus Solidarität Widerstand leisten, um anderen auf der Flucht, auf der Suche nach einem besseren Leben zu helfen, verdienen unseren Respekt. Jeder Versuch, sie zu kriminalisieren, muss bekämpft werden.

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Lohndumping in Sainte-Croix

baustelleAuf einer Baustelle im Kanton Waadt haben sechs polnische Arbeiter gestreikt und ein Gebäude besetzt. Sie mussten seit Februar für 2200 Franken im Monat 51 Stunden die Woche schuften.

Bereits zum zweiten Mal hängen Unia-Fahnen aus den Fenstern der Bacab-Fabrik an der Rue de l‘Industrie in Sainte-Croix. Und wieder ein Transparent, auf dem in grossen Buchstaben «Grève» steht. Das Gebäude in der waadtländischen Stadt nahe Yverdon war schon 2014 der Ort eines Streiks. 40 ArbeiterInnen stellten damals Heizkabel für die Firma Bacab her, bis die ChefInnen beschlossen, den Betrieb nach Deutschland auszulagern. 32 Leute wurden entlassen, ein mieser Sozialplan drohte. Die Gewerkschaft Unia organisierte in der Folge zusammen mit den ArbeiterInnen Widerstand und stellte die Arbeit ein. Die Aktion hatte Wirkung: Im Sozialplan wurde die Entschädigung für die Entlassenen verdoppelt. Die Arbeitsstellen konnten allerdings nicht gerettet werden.

Drei-Zimmer-Wohnung für 4000 Franken

Der Betrieb ist weg, das Gebäude steht noch. Nun soll es umgebaut werden. Bis Redaktionsschluss stand die Baustelle jedoch still; wieder hängen Unia-Fahnen aus den Fenstern und wieder verkündet ein Transparent Streik. Das Gebäude wurde von sechs polnischen Bauarbeitern und der Gewerkschaft besetzt. Grund ist ein schwerer Fall von Lohndumping. Seit Februar dieses Jahres waren die Männer bei dem Neuenburger Unternehmen Alpen Peak International beschäftigt. Angeworben wurden sie über das Internet. Sie mussten auf der Baustelle in Sainte-Croix sechs Tage die Woche für einen Lohn von 12 Franken die Stunde schuften. Anders gesagt: Im Durchschnitt arbeiteten sie eine 51-Stunden-Woche für 2200 Franken Lohn. Noch dazu wohnten sie zu sechst in einer Drei-Zimmer-Wohnung, die 660 Franken Miete pro Monat und Person, also zusammen fast 4000 Franken, kostete. Seit dem 28. August befanden sich die Arbeiter im Streik und fordern den nicht gezahlten Teil der Löhne ein, der ihnen zustehen würde. Unia Vaud und Unia Neuchâtel haben Klage gegen das Unternehmen erhoben. «Nach unseren Berechnungen schuldet das Unternehmen den sechs Arbeitern 60000 bis 80000 Franken Lohnzahlungen», sagt die Gewerkschaft.

Streik suspendiert

Nun stehen Verhandlungen an. Die zwei Streitparteien – Arbeiter und Unternehmen – wollen sich über die Gespräche nicht äussern. «Was ich sagen kann, ist, dass wir den Streik suspendiert und das besetzte Gebäude geräumt haben», sagt Lionel Roche von der Unia Vaud gegenüber der Tageszeitung «24 heures». Ein Beteiligter bestätigt dem vorwärts, dass sie bis zum Verhandlungsende von der Gewerkschaftsleitung zum Schweigen verpflichtet sind. Man kommentierte momentan nicht, weil man sich unter ruhigeren Bedingungen als bisher mit der Sache beschäftigten möchte, heisst es von der Alpen Peak.

Noch ist unklar, was mit den sechs Arbeitern aus Polen geschieht. Laut Unia haben sie ihre Arbeit nicht wieder aufgenommen, weil ihre Arbeitsverträge gebrochen wurden. «Sie haben keine Kündigungsbriefe erhalten, aber ihr Chef hat sie nicht wieder zur Arbeit aufgefordert», sagt Roche. Ihre Arbeitsverträge seien Ende August ausgelaufen, erklärt der Manager von Alpen Peak. Und er behauptet trotz grosser Beweislast: «Ich habe mich immer an die Regeln gehalten.»

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Das Referendum gegen die USRIII ist zu Stande gekommen!

05_FrauendemoDas Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III (USRIII) ist mit über 60’000 Unterschriften unter Dach und Fach. Somit kommt die Vorlage, die Steuergeschenke für die Unternehmen von über vier Milliarden Franken vorsieht, zur Abstimmung. Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) ist darüber sehr erfreut. Nun steht ein langer und schwieriger Abstimmungskampf bevor, in welchem die BefürworterInnen der USRIII Millionen und Abermillionen Franken in die Propaganda stecken werden, um so die Meinung der Stimmberechtigten zu beeinflussen.

Ein gutes Zeichen ist jedoch, dass die benötigten Unterschriften bereits ein Monat vor Ablauf der Sammelfrist beisammen waren. Hoffnung und Mut machen aber auch die Reaktion der Menschen auf der Strasse: «Das ist eine Frechheit», «Die müssen gestoppt werden», «Dann wird wieder in der Bildung gespart», waren Sätze, die beim Unterschriftensammeln oft zu hören waren. Vielen Menschen ist sehr bewusst, dass die massiven Steuerausfälle durch die USRIII zu «Sparmassnahmen» auf Kosten der breiten Bevölkerung führen. So hat der Kanton Zürich angekündigt, dass die Umsetzung der USRIII ein jährliches Loch von 500 Millionen Franken in die Kasse reissen wird. In Genf belaufen sich die Ausfälle auf 300 bis 400 Millionen Franken, während im Kanton Basel Stadt die Mindereinnahmen gut 140 Millionen Franken betragen werden. Auch der Bund hat ein Sparpaket von einer Milliarde Franken angekündigt.

Die PdAS wird sich aktiv für ein Nein zur USRII einsetzen und ruft alle auf, sich diesem wichtigen und zukunftsweisenden Kampf anzusschliessen!

 

Partei der Arbeit der Schweiz
15. September 2016

Unterwegs in Richtung Überwachungsstaat

überwachungAm 25. September werden wir über das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) abstimmen. Das neue Gesetz gibt dem Geheimdienst verschiedene weitreichende Kompetenzen und Mittel in die Hand, welche die Grundrechte auf unverhältnismässige Weise tangieren. Ein Nein zum NDG ist daher Pflicht.

Das breit aufgestellte «Bündnis gegen den Schnüffelstaat» macht derzeit mobil für die Abstimmung vom 25. September über das neue NDG. Angehörige verschiedener Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen warnen eindringlich vor den katastrophalen Folgen bei einem Ja. «Die massiven Eingriffe in die Privatsphäre führen zu gläsernen Bürger und Bürgerinnen, öffnen der Willkür des Nachrichtendienstes Tür und Tor und bringen uns der Vision einer totalen Überwachung einen grossen Schritt näher», erklärt Tamara Funiciello, Präsidentin der Juso Schweiz. Auch der langjährige Experte und Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne) ist alarmiert: «Mit dem neuen NDG würde die Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten weiter zunehmen. Was die Schweiz im Bereich der Armee bisher strikt abgelehnt hat, nämlich eine militärische Kooperation mit anderen Ländern, soll nun im Geheimen möglich werden.» Die Folgen? Glättli: «Dies käme einer schrittweisen Abschaffung der Neutralität durch die Hintertür gleich – über welche die Öffentlichkeit aber nicht einmal in den Grundzügen informiert wurde.»

Die NSA lässt grüssen

Tatsächlich würde ein Ja am 25. September viele grundrechtlich äusserst bedenkliche Punkte gesetzlich verankern. Hier eine kleine Auswahl: Die Umkehrung der Beweislast und die Aufhebung der Unschuldsvermutung, der automatisierte Informationsaustausch mit ausländischen Geheimdiensten, das Anheuern von InformantInnen, die sogenannte Kabelaufklärung, verdeckte Durchsuchungen, der Einsatz von privaten Firmen zur Überwachung, Cyberspionage, der Ausschluss der Bundespolizei vom Öffentlichkeitsprinzip. Und besonders pikant: «Organisationen mit öffentlichen Aufgaben» (Spitäler, Schulen, Post, AutovermieterInnen oder etwa die SBB) können zu Auskünften gezwungen werden! Auch Telekommunikationsunternehmen müssen künftig mit dem Nachrichtendienst eng kooperieren, sei es, dass sie private Daten liefern oder die Verschlüsselung aufheben müssen, um nur ein paar Punkte zu nennen. Besonders umstritten ist unter anderem die sogennante Kabelaufklärung, was letztlich nur ein beschönigender Begriff für die Massenüberwachung darstellt. Dass das Parlament an der Massenüberwachung durch den Schweizer Geheimdienst festgehalten hat, ist nicht nur rechtlich äusserst fragwürdig, sondern auch scheinheilig und skandalös. Zuerst empört sich die politische Öffentlichkeit unisono über die masslosen Datensammelwut einer NSA, dann kapituliert sie vor der Realität und installiert selber – unter völliger Missachtung des Schutzes auf Privatsphäre – ein Nachrichtendienstgesetz nach Vorbild der NSA. Wie heikel das Nachrichtendienstgesetz aus grundrechtlicher Sicht ist, verdeutlicht Rechtsanwalt Viktor Györffy: «Mit der sogenannten Funk- und Kabelaufklärung, die in der Praxis zwangsläufig auch Inländer betreffen würde, müsste jede Person damit rechnen, dass ihr gesamter Internetverkehr mitgeschnitten wird. Es ist klar grundrechtswidrig, die Kommunikation zahlreicher Personen zu überwachen, ohne dass diese irgendeinen konkreten Anlass dazu gegeben haben.»

Kontrolle als Illusion

Zwar wurde das Referendum von grossen Teilen der Bevölkerung mitgetragen und viele sind besorgt über die aktuellen Entwicklungen in Richtung Überwachungsstaat, aber angesichts der angespannten weltpolitischen Lage und dem gesteigerten Sicherheitsempfinden, steht die Grundrechtsbewegung wohl vor ihrem schwierigsten Abstimmungskampf.

Wir leben heute in Zeiten, wo die Terrorgefahr zwar durchaus real ist. Gerade aber die mörderischen Anschläge der vergangenen Monate haben uns schmerzlich vor Augen geführt, dass es keine totale Sicherheit gibt. Praktisch alle Täter befanden sich seit längerem auf dem Radar der Geheimdienste, waren einschlägig bekannt, mussten sich teilweise täglich bei den Behörden melden oder trugen gar Fussfesseln. Geknallt hat es trotzdem. Gerade weil die Geheimdienste aufgrund moderner Technologien und Überwachungsmöglichkeiten sprichwörtlich in der Datenmenge ertrinken. Das neue NDG ist letztlich vor allem eine illusionistische Beruhigungspille für Angsthasen und schaukelt eine trügerische Sicherheit vor. Und treffen wird das neue Gesetz sicherlich nicht die, die gemeint waren.

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Gegen das digitale Prekariat

uberDas App-Unternehmen Uber sorgt für Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen in der Transportbranche. Die Gewerkschaft Unia hat nun ein Gutachten herausgegeben, das arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen klärt und damit die gesetzliche Regulierung des Unternehmens fällig macht.

Die Gewerkschaft Unia kämpft bereits seit längerem gemeinsam mit den TaxifahrerInnen gegen Lohndumping, das durch die unregulierte Uber-Konkurrenz verursacht wird. Im Herbst 2015 organisierte sie in Basel eine kleine Streikaktion der Taxi-chauffeurInnen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Nun hat Unia ein Gutachten herausgegeben, das arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen bei Uber klären soll und damit Druck auf die Behörden ausübt, den gesetzlichen Rahmen zu verschärfen. Die Problematik, die Uber für die Gesetzgebung aufwirft, deutet sich schon in der Umschreibung des Unternehmens an, die dem Gutachten zu entnehmen ist: «Uber ist eine Technologieplattform, die Fahrer mittels Smartphone-App mit Fahrgästen verbindet. Das Unternehmen sieht sich selbst als ein Technologieunternehmen, das eine App zur Verfügung stellt, und nicht als Transportfirma.» Komplexe Vertragsverhältnisse zwischen Uber, den Fahrgästen, den FahrerInnen und einer Uber-Tochterfirma führen zur Unsicherheit, ob ein ArbeitnehmerIn-ArbeitgeberIn-Verhältnis besteht und wer dabei die Verantwortung trägt. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass Uber-FahrerInnen dem Unternehmen als Arbeitnehmende gegenüberstehen, in Form einer «Scheinselbstständigkeit». Uber Switzerland ist dabei die Arbeitgeberin. Die Tätigkeit der Uber-FahrerInnen fällt unter den Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes. Dabei kommt die ChauffeurInnen-Verordnung zur Anwendung.

Prekäre Situation für alle FahrerInnen

Der Unia-Gewerkschafter Roman Künzler bringt es auf den Punkt: «Das Uber-Management und die milliardenschweren KapitalgeberInnen haben ihr Geschäftsmodell bewusst auf der Umgehung von bestehenden Gesetzen aufgebaut.» Ein grosser Teil des Risikos und beinahe alle Kosten würden dabei auf die Allgemeinheit und die ArbeiterInnen abgewälzt. Steuern würden so praktisch keine gezahlt und die Gewinne fliessen in Steueroasen. «TaxifahrerInnen, welche zum Teil seit Jahrzehnten ein öffentlich reguliertes Gewerbe betreiben, werden in den Ruin getrieben.» Gewerkschaftsmitglieder hätten ihm in Zürich von Lohneinbussen von 50 Prozent und in Basel bis zu 30 Prozent berichtet. Dies führe zur unerträglichen Situation, dass viele trotz 53 Stunden Arbeit keine Chance hätten, von ihrer Arbeit zu leben, sagt der Gewerkschafter. Die Gewerkschaft kämpft nicht gegen die Uber-FahrerInnen, denn diese sind selber Leidtragende in diesem Fall. Sie werden vom Unternehmen massiv ausgebeutet. «Uber-FahrerInnen erbringen ‹Dienstleistungen auf Abruf›, damit haben sie keine Sicherheiten, weder über ihr Einkommen noch über die Zeit, die sie aufwenden müssen», sagt Vania Alleva, Präsidentin der Unia. Die Situation der Betroffenen ist prekär. Es gebe keinerlei Sicherheiten bei Lohn, Krankheit oder Erwerbsausfall. Vielmehr betreibt Uber Lohndumping und setzt die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der gesamten Transportbranche massiv unter Druck. Die Unia betrachtet das Rechtsgutachten als klare Aufforderung an die kantonalen und nationalen Behörden, die Gesetze zu vollziehen und «das Geschäftsmodell von Uber so lange zu verbieten, bis es demokratisch entstandene Gesetze respektiert». Vania Alleva stellt klar: «Wir wollen verhindern, dass in der Schweiz ein digitales Prekariat entsteht.»

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Ueli der Sieger

UeliEr kam, er übernahm, er siegte. Nun pflügt Ueli Maurer mit dem verschmitzten Lächeln eines Unschuldslammes die Schweiz um. Eine tragische Realkomödie aus einem der reichsten Länder der Welt in nur neun Monaten.

Akt I: Das Vorspiel

Da stand er nun, Ueli der Bauer, seines Zeichens Bundesrat, zuvor langjähriger Präsident der SVP und als solcher der eigentliche Macher des Erfolgs seiner rechtskonservativen Bewegung. Wiedergewählt im ersten Wahlgang mit sage und schreibe 173 von 210 gültigen Stimmen, durfte er nun sein Amt auswählen und wechselte mit dem verschmitzten Lächeln eines Unschuldslammes ins Schlüsseldepartement Finanzen, das er von der aus der Partei herausgeschmissenen Eveline Widmer-Schlumpf übernahm, ihres Zeichens SVP-Bundesratstochter, langjährige Mitstreiterin und Initiantin der Unternehmenssteuerreform III.

Akt II: Der Notfallplan

Wahrscheinlich stammt der Notfallplan noch von ihm, den sein Parteikollege und Armeechef Guy Parmelin, ebenfalls Bauer, im April der Öffentlichkeit vorstellte, falls diesen Sommer «aufgrund der Schliessung der Balkanroute» die Gesuchszahlen an der Grenze zu Italien hochschnellen würden. Zuvor hatte die vereinigte Linke zusammen mit den sogenannten Mitteparteien eine weitere Asylgesetzverschärfung mit dem Hauptargument durchgebracht, das Thema Flüchtlinge und Migration werde lange Zeit verschwinden, wenn die SVP nach dem knappen Scheitern ihrer Durchsetzungsinitiative jetzt bei ihrem Referendum eine richtige Schlappe bekäme. Die linksmittige Revision kam mit einer satten Zweidrittelmehrheit durch, und doch reden wir diesen Sommer wieder nur über Flüchtlinge und Migration. Wie kann das sein? Denn an der Südgrenze herrschte ja eigentlich kein Notstand, wenn er denn nicht künstlich hergestellt worden wäre.

Akt III: Die Vorankündigung

Ach, wie haben sie ihn ausgelacht, den neuen SVP-Asyldossierchef, Andreas Glarner aus Lieli, als er im Frühjahr die Armee an die Grenze schicken lassen wollte! Sie hätten die Warnung besser ernstgenommen, denn im Sommer ist das Mittelmeer ruhiger, die Profis im Hitzeschlag ruhend auf irgendeiner fernen Insel und die Medien verzweifelt auf der Suche nach einem Skandal, der ihr Sommerloch füllt. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und da kann es schon geschehen, dass etwas absolut Übliches unwidersprochen zu einer noch nie dagewesenen Krise hochstilisiert wird – nämlich, dass die Menschen zu Tausenden auf Italiens Strassen schlafen müssen. Nicht weil dieses Land überfordert wäre, sondern weil es schlicht davon profitiert. Zur Erinnerung: Italien ist eine Wirtschaftsmacht mit mehr als 60 Millionen EinwohnerInnen, und 100 000 Neuankommende machen gerade mal 0,15 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Aber es ist auch der Sitz der Mafia, und die verdient selbstredend mehr an den Flüchtlingen als an Drogen – dank Zuschüssen der EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen), auch von der Schweiz.

Akt IV: Die Umsetzung

Gesagt, getan: so übernimmt also Ueli, nun als Finanzminister zufälligerweise auch Chef des Grenzwachtkorps, just zu Ferienbeginn das Kommando und lässt dreimal mehr Kontrollen an der Südgrenze durchführen. Innert einer Woche bildet sich der Stau in Como: Die ersten Hilfen kommen dort aus dem Tessin – von Menschen, die schon letztes und vorletztes Jahr zu dieser Jahreszeit Gestrandete in Mailand versorgten. Keine Chance, irgendwelche Hilfe aus oder auch nur Aufmerksamkeit in der Deutschschweiz zu bekommen. Dann beginnen die Medien zu hyperventilieren. Den Rest kennt die LeserInnenschaft des vorwärts: Mitte September beginnt die Parlamentssession und der Ruf nach der Armee an der Grenze ist mittlerweile so stark wie seit 1999 nicht mehr, als die «Kosovari das Land überfluten wollten».

Akt V: Die Läuterung

Inzwischen sind sie alle sonnengebräunt nach Como oder Chiasso gepilgert, die hohen VertreterInnen der Hilfswerke, NGOs, Parteien und Gewerkschaften, und drängen sich vor die Medien, um ihrer Empörung und Fassungslosigkeit Gehör zu verschaffen. Sie sagen natürlich nicht, dass sie allesamt gescheitert sind, und erkennen nicht im Entferntesten, dass sie nun erst recht in die Falle tappen. Wirklich schlimm ist nämlich weniger die migrationspolitische Schlappe, die sie wieder einmal eingefahren haben, sondern die wirtschafts- und sozialpolitischen Auswirkungen, die diese haben wird: Während der Herbstsession wird darüber debattiert, ob die Armee an die Grenze geschickt werden soll, von einem rechtsbürgerlichen Parlament, angeführt von einem rechtkonservativen Bundesrat. Falls das gelingt, kann Ueli den Ball an seinen Parteifreund Guy übergeben – Schachmatt, sozusagen – und sich auf seine Kernaufgabe konzentrieren, ganz still im Hinterkämmerlein wie gäng, mit dem verschmitzten Lächeln eines Unschuldslamms, das er schon immer drauf hatte, wenn eines seiner bauernschlauen Unterfangen wieder mal gelungen war. Und vor lauter Migrationspolitik wird der Protest kein Gehör finden, wenn Ueli die Löcher in der Bundeskasse mit dem bereits begonnenen historischen Kahlschlag der Sozialwerke und Infrastruktur weiter vergrössernwird.

Akt VI: Nachspiel

Max Frisch hatte Unrecht, als er damals sagte: «La Suisse n‘existe pas». Ueli hat die Schweiz seither wieder aufleben lassen. In Como zeigt sich heute, dass dies nicht der Höhepunkt, sondern erst der Anfang ist. Zusammen mit Neoliberalen à la Gössi und Religiöskonservativen à la Pfister hat er nun die Mehrheit, im Bundesrat wie im Parlament. La Suisse existe, leider, und von Opposition oder gar Widerstand keine Spur. Ueli hat auf der ganzen Linie obsiegt. Und pflügt nun die Schweiz um.

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