«Es gibt eine Alternative und sie lebt»

bern«Die Partei der Arbeit Bern (PdA) will bei den Wahlen im Herbst ihren Sitz im Stadtrat der Stadt Bern verteidigen. Ein Gespräch mit Daniel Egloff, der die PdA bisher im Parlament vertritt.

Welche Bilanz zieht die PdA aus ihrer Zeit im Parlament?

Grundsätzlich ist es gut, dass es uns dort gibt. Man kann immer darüber diskutieren, wie viel Einfluss man hat und was man bewirken kann. Aber schon unsere Präsenz führt zu einem gewissen Druck auf die Rot-Grün-Mitte-Regierung (RGM) der Stadt Bern, die den Stadtrat dominiert. RGM bildet dort eine absolute Mehrheit, das heisst, wenn sie sich einig ist, dann kann sie durchsetzen, was sie will. Alle anderen Parteien, auch wenn sie sich zusammenschliessen, haben nichts zu melden. Wenn etwas von uns kommt, gibt es meist gar keine Diskussion und das Thema ist vom Tisch. Trotzdem versuchen wir immer wieder, Themen reinzubringen. Und wenn über Inhalte diskutiert wird, versuchen wir, unsere Position rüberzubringen und die Diskussion zu beeinflussen.

Zum Beispiel bei der Viererfeld-Diskussion. Dabei ging es um eine Überbauung, die am Ende zwar ganz knapp durchgekommen ist, im Vorfeld haben wir aber dagegen opponiert. Wir haben die Fragen gestellt: Welche Stadtentwicklung wollen wir in Bern; welche Art von Wohnraum soll geschaffen werden; für welche Menschen soll Wohnraum geschaffen werden? Wenn es bei Überbauungen darum geht, Wohnraum zu schaffen, beantragen wir immer, dass günstiger Wohnraum geschaffen wird.

Ich finde es wichtig, dass wir eine kritische linke Stimme haben, die geradlinig ist. Wir unterscheiden uns von anderen Oppositionsparteien dadurch, dass wir eine klare, parteiische Linie haben und diese auch immer wieder im Rat platzieren. Punktuell gelingt es uns immer wieder, eine kritische Stimme zu bilden. Das können wir im Stadtrat machen, aber die Parteiarbeit kann dort nicht aufhören. Die Arbeit muss auch auf der Strasse laufen.

Wie verbindet ihr die Parlamentsarbeit mit der Parteiarbeit auf der Strasse?

Es besteht die Gefahr, wenn man ein parlamentarisches Mandat hat, dass sich alles bloss auf dieses fokussiert und der Rest vernachlässigt wird. Als kleine Partei haben wir begrenzte Ressourcen, und den Kampf auf der Strasse und im Parlament gleichzeitig zu bewältigen, ist schwer. Wir versuchen, viele Standaktionen auf der Strasse zu machen, Unterschriften zu sammeln, mit den Leuten zu reden und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Wir haben auch gute Verbindungen zu ausserparlamentarischen Gruppen, zum Beispiel im Migrationsbereich und mit den kurdischen GenossInnen, mit denen wir auf der Strasse zusammenarbeiten. Die Präsenz, die wir mit der Vertretung im Stadtrat haben, verschafft uns dabei einen Vorteil, um Kontakte zu knüpfen ausserhalb des Parlaments. Ein weiteres Anliegen von uns ist, dass wir das, was uns zugetragen wird auf der Strasse und im Alltag, hineintragen ins Parlament und die beiden Ebenen auf diese Weise verknüpfen.

Mit welchen Themen geht ihr jetzt in den Wahlkampf?

Es werden die Themen sein, die uns in den letzten vier Jahren beschäftigt haben: Internationale Solidarität und Demokratie. Das sind Themen, die die PdA Bern schon seit Jahren beschäftigt und für die wir uns engagieren. Auch das AusländerInnenstimmrecht ist etwas, das uns immer noch beschäftigt und das wir im Parlament und ausserhalb thematisieren. Wir wollen jenen Leuten eine Stimme geben, die keine Stimme haben. Dann ist Gentrifizierung ein ewiges Thema in der Stadt Bern, das heisst, die Verdrängung von Schlechtverdienenden, dass Wohnraum geschaffen wird vor allem für Wohlhabende. Es heisst immer, die Stadt Bern müsse gute SteuerzahlerInnen anlocken, man wolle kein Ungleichgewicht, man wolle keine Armenghettos mehr in Bern.

Aber auch Ökologie beschäftigt uns. Das verbindet sich häufig, gerade, wenn es um Naherholungsgebiete geht, die man verschwinden lässt, weil man findet, man braucht Wohnraum. Für uns steht der Mensch zusammen mit der Natur im Zentrum, und nicht nur die Natur an sich.

Wie schätzt ihr eure Chancen bei den Wahlen ein, was erwartet ihr?

Sicher geht es darum, den Sitz zu halten oder einen dazuzugewinnen. Wir treten auf der Liste mit zwei Bisherigen an (Anm. d. Red.: Daniel Egloff zusammen mit dem Parteilosen Mess Barry), das ist schon mal keine schlechte Voraussetzung. Eine Prognose ist schwierig zu machen. Es wäre schon ein Ziel, einen weiteren Sitz zu gewinnen. Um unsere Fraktion halten zu können, müssen wir mit den anderen beiden Parteien (AL und GPB-DA) zusammen vier Sitze machen. Das heisst, eine Partei muss zwei Sitze machen, und ich hoffe, dass wir das sind. Das würde unsere Position noch stärken. Wir treten zur Wahl an, um wahrgenommen zu werden und unsere Positionen zu verbreiten. Deshalb treten wir zu allen Wahlen an, auf nationaler, kantonaler und städtischer Ebene. Nicht um überall einen Sitz zu machen, das wäre nicht realistisch, sondern weil wir damit die Möglichkeit haben, unsere Positionen zu zeigen und zu verbreiten. Immerhin ist unser Ziel die Überwindung des Kapitalismus, der Sozialismus, und das geht nur, wenn wir möglichst viele Leute ansprechen, damit allen klar wird: Wir existieren, es gibt eine Alternative und diese Alternative lebt.

Kein Recht für verletzte Demonstrantin

gummischrot_polizeiIm Fall der jungen Frau, die an der Tanzdemonstration in Winterthur vom 21. September 2013 am Auge schwer verletzt wurde, wird es zu keinem Prozess kommen. Das hat das Zürcher Obergericht am 1. Juni entschieden. Die Weste der Polizei ist damit reingewaschen.

Was lange währt, wird endlich gut, besagt ein Sprichwort. Für die junge Frau, die vor rund drei Jahren an der Tanzdemonstration in Winterthur ein Teil ihres Augenlichts verloren hat, trifft dies allerdings nicht zu. Die Justiz will sich der Klärung des Falls nicht annehmen. So hat es das Zürcher Obergericht hat am 1. Juni entschieden. Die Beweislage sei zu dünn, heisst es. Somit bleibt der jungen Frau das Recht auf die Aufarbeitung der Umstände, die zu ihrer Teilerblindung geführt haben – «Gummischrot mögliche Ursache», heisst es im Arztbericht – verwehrt. Die Polizei wird sich für ihr massives Vorgehen in Winterthur wohl nie verantworten müssen.

Verheerender Polizeikessel

Es war der 21. September 2013, als die Dinge ihren Lauf nahmen. Mehrere hundert Personen waren an jenem Abend dem Aufruf gefolgt, um im Rahmen einer Tanzdemonstration unter dem Titel «StandortFUCKtor» auf die Strasse zu gehen und «tanzend ein Zeichen gegen die massiven Einschränkungen im öffentlichen Raum» zu setzen. Was dann geschah, «hinterliess die TeilnehmerInnen in einer erschütterter Fassungslosigkeit», schreiben Betroffene und VertreterInnen von Antirep Winterhtur in einer Mitteilung vom 4. Juli 2016, in der sie die Geschehnisse rund um die Demonstration Revue passieren lassen.

«Der Abend begann am Bahnhofsplatz, eingezäunt mit Absperrgittern in jede Richtung. Ein Grossaufgebot an Polizei in Kampfmontur, Kasten- und Gitterwagen und Wasserwerfer empfingen die Teilnehmenden», schreiben die Betroffenen. «Von Anfang an sollte die Veranstaltung offenbar im Keim erstickt werden. Dabei scheute sich die Stadt nicht, mit massiver Gewalt vorzudringen und
Verletzte in Kauf zu nehmen. Es ging um das Statuieren eines politischen Exempels, das mit allen Mitteln durchgesetzt werden sollte», heisst es weiter.

Kurz nachdem sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, endete er im Kessel: Die Menge sei «mit dem Wasserwerfer wie eine Vieherde in die schmale Gasse zwischen Salzhaus und Theater am Gleis gedrängt und von dort aus mit Gummischrot, Reizstoff-Granaten und Pfefferspray beschossen» worden, erinnern sich die damaligen DemonstrantInnen. Die PolizistInnen hätten dabei «von beiden Seiten des Kessels auf Kopfhöhe» Gummischrot abgefeuert. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Unter ihnen die damals 19-jährige Frau, die seit jenem Abend auf einem Auge fast blind ist.

Urteile gegen DemonstrantInnen

Im Nachgang zur Demonstration reichte die verletzte Frau eine Anzeige aufgrund schwerer Körperverletzung und Amtsmissbrauch ein. Doch bereits von Beginn weg wurde versucht, ein allfälliges juristisches Aufarbeiten des Polizeieinsatzes zu verhindern. So fertigte ein Zuständiger der Zürcher Stadtpolizei, die mit der Voruntersuchung betraut war, einen umfassenden Bericht an, in dem dargelegt wurde, dass von einer Untersuchung abzusehen sei. Die Geschädigte intervenierte daraufhin vor dem Obergericht und erhielt Recht. Die Untersuchung wurde eingeleitet.

Doch während gegen die TeilnehmerInnen des Tanzumzugs eine Strafe nach der anderen ausgesprochen wurde, verlief die Untersuchung im Fall der verletzten Frau – auch ihr wurde eine Busse von 1000 Franken aufgrund der Teilnahme an der unbewilligten Demonstration zugestellt – harzig. Zweimal wurde das Verfahren durch den Staatsanwalt eingestellt. Beide Male erhob die Geschädigte Einsprache. Die letzte Beschwerde verlief erfolglos.

Überhörte Zeugenaussagen

Der Betroffenen hätten sich zahlreiche fragwürdige Hindernisse in den Weg gestellt, «in einem Verfahren, in der ein Polizeikorps das andere untersuchen soll und fast ausschliesslich Beweismaterial verwendet wurde, welches die Polizei, gegen die das Verfahren lief, zur Verfügung stellte», kritisieren die AktivistInnen. Das Videomaterial, das durch die «Sicherheitskräfte» vorgelegt wurde, reiche nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens, entschied das Obergericht.

Es hätte weiteres Filmmaterial existiert, das sich für die Geschädigte als unterstützend hätte erweisen können. So hatte das SRF die junge Frau möglicherweise zum Zeitpunkt ihrer Verletzung gefilmt. Diese Aufnahmen hielt das Fernsehen in der laufenden Untersuchung allerdings unter Verschluss, mit der Begründung «als Fernsehanstalt sei man der Neutralität verpflichtet».

Das Obergericht kam somit zum Schluss, ein Schirm oder Ellenbogen wären ein wahrscheinlicherer Grund für die Verletzung der Frau, als ein Gummigeschoss. Dies, obwohl eine Reporterin des SRF, zusammen mit weiteren ZeugInnen, aussagte, dass sich in der unmittelbaren Nähe der verletzten Frau keine weitere Person befand und die Polizei unbestrittenermassen zu diesem Zeitpunkt Gummischrot einsetzte.

Mit der Entscheidung des Obergerichts steht nun aber fest: Es wird keinen Prozess geben. Vor Bundesgericht will die junge Frau nicht ziehen. Die AktivistInnen machen indes klar: «Alle, die an jenem Samstagabend im Kessel waren, wissen, wie es wirklich war.»

Ungestörtes Nazitreiben in Freiburg

rechtsextreme-jpgAnfang Juli fand im Kanton Freiburg ein Neonazikonzert statt. Organisiert wurde das rechtsextreme Schaulaufen von der Crew 38, die aus dem Umfeld der Schweizer Hammerskins (SHS) stammt. Die Hammerskins bemühen sich seit Jahren darum, sich dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen. Dennoch sind sie in der Schweiz nach wie vor sehr aktiv.

Am Abend des 2. Juli 2016 fand im beschaulichen Dorf Villarimboud im Kanton Freiburg ein Neonazikonzert mit international bekannten Bands statt. Das Konzert wurde bereits im Frühling dieses Jahres auf einschlägigen Internetseiten angekündigt. Auf dem Flyer wurde ein Konzert mit den Rechtsrock-Bands Legittima Offesa (I), Blindfolded (NL) und Lemovice (F) in der Westschweiz beworben.

Am Konzertabend wurden die Anreisenden von Joël Moret «Pouppi» und einem weiteren langjährigen Hammerskin über einen Schleusungspunkt bei Estavayer au Lac (VD) an den eigentlichen Veranstaltungsort im Freiburger Hinterland geleitet. Alle drei Bands, die die BesucherInnen im Gemeindesaal von Villarimboud erwarteten, sind eindeutig der Neonaziszene zuzuordnen. So gibt etwa die Band Legittima Offesa ihre Lieder gerne vor einer White-Power-Fahne zum Besten und Lemovice huldigt in ihren Texten unverhohlen dem «Führer»: «Je vous inspire la terreur, je suis au service du Führer».

Crew 38 und Hammerskins

Organisiert wurde das Konzert im freiburgischen Villarimboud von der Crew 38, die zum Umfeld der verdeckt organisierten Schweizer Hammerskins zählt. Die SHS existiert seit mehr als 25 Jahren und sind Teil einer weltweit vernetzten, rechtsextremen Bruderschaft mit Ursprung in den USA. Gegründet wurde das Schweizer «Chapter», so der Name ihrer Sektionen, 1990 durch die Luzerner Carlo «Gary» Albisser und Patrick Iten.

Die Hammerskins sehen sich selbst als Elite der neonazistischen Bewegung. Ihre Ideologie basiert auf elitären Prinzipien und der Vorstellung einer reinen weissen Rasse, welche es mit allen Mitteln zu erhalten gilt.

Ins Blickfeld rückten die SHS spätestens 1995, als Skinheads an der sogenannten «Blocher-Demo» (Demo gegen den Beitritt der Schweiz zur EU) Linke mit Steinen angriffen. Kurz darauf überfielen 50 vermummte und bewaffnete Hammerskins unter der Führung von Pascal Lobsiger ein antifaschistisches Festival in Hochdorf LU, verwüsteten das Lokal und verletzten unzählige Personen.

Trotz vieler Verhaftungen und auch Verurteilungen sind die meisten Mitglieder der rechtsextremen Bruderschaft weiterhin treu. Sie scheuen jedoch die Öffentlichkeit, operieren klandestin und versuchen, unerkannt zu bleiben. Nicht immer mit Erfolg: So gelang es der Antifa Bern im Jahr 2006, ein Gruppenfoto einer «Hammerskin-Hochzeit» mit über 30 Gästen zu veröffentlichen. Zu sehen darauf ist unter anderem Adrian Segessenmann, Vorstandsmitglied der Pnos Emmental.

Konzerte als Einnahmequelle

Das Organisieren von Neonazikonzerten, die in der Vergangenheit bis zu 1200 BesucherInnen anlockten, gehört seit der Jahrtausendwende zu einer der wichtigsten Aktivitäten der Schweizer Hammerskins. Während international mit dem jährlich stattfindenden europäischen Hammerfest immer noch Grossanlässe existieren, legt das Schweizer Chapter eher Wert auf kleinere und dadurch besser abschirmbare Anlässe. Über Konzerte verbreiten sie ihre Ideologie und sind eng verflochten mit einer Vielzahl ihnen zugewandter Bands, Vertrieben und Shops. Die so generierten Gelder fliessen hernach wieder zurück in die Neonazibewegung und lassen diese erstarken.

Nebst dem Zweck als Einnahmequelle dienen die Konzertveranstaltungen als Netzwerktreffen der Neonaziszene. So auch Anfang Juli in Freiburg: Neben den einschlägig bekannten Berner Oberländer Hammerskins Mario Friso und Dominik Hulliger waren auch Mitglieder der Kameradschaft Morgenstern (LU), sowie Jeremy Oguey vom Parti Nationaliste Suisse am Konzert anwesend. Mit von der Partie waren zudem die Betreiber der Taverne Excalibar aus dem freiburgischen Bossonnens. Der Betreiber der Bar, Hervé Savoy, war Mitglied des Corps Franc (FR), welches dem Neonazinetzwerk Blood and Honour nahe stand.

Veranstaltung geduldet

Savoys Taverne ist mittlerweile ein beliebter Szenetreffpunkt der Westschweizer Neonazis. Es ist anzunehmen, dass Savoy die OrganisatorInnen auch logistisch unterstützte. So waren mehrere Autos mit dem Schriftzug der Taverne vor Ort und die Bar selbst blieb am 2. Juli geschlossen.

Obschon lange im Voraus für den Anlass mobilisiert wurde, fanden nur wenige Neonazis den Weg zum Konzertort. Um circa 20.00 Uhr waren um die 90 Leute aus mehreren Kantonen und dem Ausland anwesend, obwohl der Saal für über 300 Personen Platz bieten würde. Angesichts des internationalen Aufgebots und der geringen BesucherInnenzahl, könnte sich der Anlass als finanzieller Reinfall entpuppen.

Auf den rechtsextremen Aufmarsch angesprochen, reagiert die Gemeinde sehr reserviert. Nach dem Motto «Sie stören ja nicht» wurde dem Neonazikonzert keine weitere Beachtung geschenkt.

Widerstand und Flucht im Fokus des Theaterspektakels

theaterspel.jpgBereits zum 37. Mal findet auf der Landiwiese das Zürcher Theaterspektakel statt. Auch in diesem Jahr glänzt das Programm durch hochpolitische Beiträge und bietet Raum für Reflexion und Auseinandersetzung.

Die Welt hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert und das zeitgenössische Theater erlaubt einen kritischen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Das spiegelt sich auch im Programm des diesjährigen Zürcher Theaterspektakels.

An vielen Orten sind die Hoffnungen auf Aufbruch, Solidarität und mehr individuelle Freiheiten geplatzt und wieder in weite Ferne gerückt. Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Armut, diktatorischen Regimes und religiösem Fundamentalismus. Umso wichtiger ist es den MacherInnen des Theaterspektakels, den Bühnenschaffenden und KünstlerInnen, die mutig ihre Stimme gegen die zunehmend autokratischen und nationalistischen Tendenzen differenziert und selbstbewusst ihre Stimme erheben, eine Plattform zu geben.

Formen des Widerstands

Widerstand in ganz unterschiedlichen Formen ist denn auch einer der thematischen Schwerpunkte in diesem Jahr. So handelt das Stück «Nuit blanche à Ouagadougou» des Faso Danse Théâtre vom offenen Protest gegen ein überaltertes und korruptes Regime in Burkina Faso, das jahrzehntelang die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung ignoriert hat. Ein Aufschrei und eine Abrechnung gegen die Machenschaften von Kirche und Staat ist das Solostück «Acceso» des chilenischen Regisseurs Pablo Larrain. In seinem Beitrag verkörpert der bekannte Regisseur den Randständigen Sandokan, dessen Leben von Missbrauch und Vergewaltigung geprägt ist.

«Wir wollen essen! Wir wollen scheissen!» ist hingegen im Stück des jungen Autors Rogelio Orizondo Thema, das er mit dem Starregisseur Carlos Diaz und dem Teatro el publico auf die Bühne gebracht hat. Basierend auf Versen des kubanischen Nationaldichters José Marti, thematisiert das Schauspiel die aus Unterdrückung und Revolution gewachsene Lebensrealität der kubanischen Bevölkerung. In halsbrecherisch schnellen Szenenfolgen werden Heldenmythos und Heimatliebe gnadenlos zerlegt. Und gleich in mehreren widerständischen Stücken stehen Frauen im Mittelpunkt: Die Regisseurin Laila Soliman aus Kairo präsentiert etwa mit ihrem Frauenensemble die Theaterperformance «Zig Zig». Das neue Stück der jungen Ägypterin beruht auf Gerichtsprotokollen von 1919: Angeklagt waren britische Soldaten, die ein Bauerndorf in Oberägypten überfielen, die Frauen vergewaltigten und die Häuser niederbrannten. Zwölf Frauen, alle Opfer der Vergewaltigungen, hatten damals den Mut, vor Gericht als Zeuginnen aufzutreten. Im Lichte der aktuellen Situation von Frauen, nicht nur in Ägypten, erhält Solimans historische Aufarbeitung ungeahnte Brisanz. Angesichts dessen, dass Vergewaltigung und Missbrauch immer noch zu oft verschwiegen oder verharmlost werden, stellt sich unweigerlich die Fragen: Wie viel hat sich in diesen hundert Jahren verändert?

Ein weiterer Höhepunkt am diesjährigen Theaterspektakel dürfte der Auftritt der bekannten kurdischen Sängerin Aynur sein, die am 26. August auf der Seebühne spielen wird. Sie tritt inzwischen auf der ganzen Welt auf und ihre Videos werden millionenfach angeklickt. Das ist nicht selbstverständlich, den Aynur singt auf Kurdisch. Und das ist in der heutigen Türkei ein starkes Statement.

Aufbruch und Heimatverlust

Ein weiterer Schwerpunkt bilden in diesem Jahr Geschichten rund um Aufbruch, Flucht und Heimatverlust. Milo Rau zeigt mit «Empire» den Abschluss seiner Europa-Trilogie und widmet sich dabei den Biografien von Menschen, die als Flüchtlinge nach Europa kamen oder ihre Heimat an den Rändern der Festung Europa haben. Und während im Stück «Clean City» die rechtsextreme griechische Partei Goldene Morgenröte das Land von allem Migrantischen «säubern» will, fragen sich die beiden griechischen Regisseure Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris: «Wer putzt eigentlich das Land?» In ihrem Dok-Theater berichten fünf Migrantinnen, die in Athen als Putzfrauen arbeiten, was es heisst, in Griechenland sauber zu machen. Und der palästinensische Schauspieler Khalifa Natour eröffnet in seinem Monolog überraschende Blickwinkel auf die aktuelle Flüchtlingskrise. In «I Am Not Ashamed of My Communist Past» machen sich die Theatermacherin Sanja Mitrovic und der Schauspieler Vladimir Aleksic auf die Suche nach den Werten des sozialistischen Jugoslawiens und gehen der Frage nach, was von den damals hochgehalten sozialen Errungenschaften im heutigen Europa noch übriggeblieben ist.

Dies sind nur einige der Höhepunkte in diesem Jahr. Daneben gibt es Gefilde zu entdecken, die alle auf ihre Art atemberaubend sind: Die Choreografin Ingvartsen führt uns in das Reich der Lüste, die Marokkanerin Bouchera Ouziguen macht sich mit vier traditionellen Aïtas auf, den Wahnsinn zu entdecken und der Cirque Inextremiste zeigt, was passiert, wenn einer vom Rollstuhl auf den Bagger umsteigt.

Das 37. Zürcher Theaterspektakel findet vom 18. August bis 4. September statt.

Für Tickets und mehr Infos siehe:

www.theaterspektakel.ch

Wir wollen keinen Sitz an einem kaputten Tisch!

451376028.0Lily Zheng. In den USA sollen Transmenschen offen im Militär dienen «dürfen». Eine Kritik an der Mainstream-LGBT-Bewegung und was diese als Erfolg bezeichnet.

Transgender Menschen in den USA haben viele Erfahrungen damit, von der Mainstream-LGBT-Bewegung ignoriert zu werden. Diese Bewegung, die auch aus den Kämpfen von TransaktivistInnen in den 60er-Jahren hervorging und schnell von weissen Schwulen und Lesben aus der Mittel- und Oberschicht vereinnahmt wurde, hat sich auf Assimilierung, Ehe und Normalität, nicht aber auf Gerechtigkeit konzentriert.
Nachdem das Oberste Gericht der USA im Juni 2015 zugunsten der Legalisierung der Homoehe entschieden hat, hat diese Bewegung ihr nächstes Ziel gefunden: Transgender-Rechte. Aber was für Rechte sind damit gemeint? Die «Transgender-Rechte», die die Mainstream-LGBT-Bewegung fordert – etwa die Intergration von transgender Armeeangehörigen – gerhören derselben assimilierenden Rhetorik an, die zu den anderen Erfolgen geführt hat.

Assimilation für die Privilegierten
Die Politik von «Don’t Ask, Don’t Tell», die es schwulen, lesbischen und bisexuellen Armeeangehörige verboten hat, geoutet im Militär zu dienen, wurde 2011 aufgehoben. In diesem Entscheid waren nur drei der vier Buchstaben der Abkürzung LGBT eingeschlossen, transgender SoldatInnen blieben zurück. Man schätzt, dass sich gegenwärtig 15 500 transgender Personen im Aktivdienst oder in den Reserveeinheiten befinden. Diese Personen sehen sich zahlreichen Schwierigkeiten gegenüber aufgrund der restriktiven und unzeitgemässen Richtlinien, die die Auslebung ihrer Identität einschränken: Die Drohung der unehrenhaften Entlassung, wenn sie ihre Transidentität bekannt machen; das Verbot, eine ihrem Geschlecht entsprechende Uniform zu tragen und mit dem Namen und den Pronomen ihrer Wahl angesprochen zu werden; potenzielle Belästigung und Diskriminierung wegen ihrer Genderidentität. Die Gesetzeslage zu aktualisieren, um Transmenschen zu ermöglichen, offen der Armee beizutreten, würde ihr Leben erleichtern und die Effektivität der Armee erhöhen – so lautet die Argumentation der Mainstream-LGBT-Bewegung.
Es ist eine Taktik, die die Mainstream-LGBT-Bewegung mit Erfolg angewendet hat: Sich für die Integration in die angesehensten Institutionen der Gesellschaft einzusetzen, ob Ehe oder Militär. Diese Taktik beruht darauf, «Normalität» vorzuschützen und zu beweisen, dass LGBT-Menschen genauso sind wie alle anderen. Sie beruht letztlich darauf, die privilegierten (die wohlhabenden, weissen und cisgender) Lesben und Schwulen zu assimilieren, damit sie die gleichen gesellschaftlichen Vorteile geniessen können wie ihre gleichermassen privilegierten Hetero-FreundInnen.

Mitschuldig an der globalen Ungerechtigkeit
US-Verteidigungsminister Ashton Carter hat die Bildung einer Arbeitsgruppe angeordnet, um herauszufinden, ob die Integration von Transmenschen einen «negativen Effekt auf die Effektivität und Bereitschaft der Armee» hat. Wir wissen bereits, zu welchem Schluss die Arbeitsgruppe kommen wird: Transgender SoldatInnen können genauso wie alle anderen eine Waffe bedienen. Transgender SoldatInnen können genauso wie alle anderen Befehle folgen. Transgender SoldatInnen können genauso wie alle anderen im Namen des Staates Mord begehen.
Als eine nicht-weisse Transfrau finde ich es besonders ironisch, dass ich bald die Möglichkeit hätte, einem Land zu dienen, dass meine schwarzen und braunen Schwestern auf den Strassen, in den Gefängnissen und in anderen Ländern misshandelt und tötet. Ich finde es ironisch, dass dies für die Mainstream-LGBT-Bewegung ein Sieg darstellt. Das Recht, sich an der US-Kriegsmaschine zu beteiligen, hilft uns Transmenschen nicht. Die Assimilation in ein unterdrückerisches System, das die fortwährende Besetzung von anderen Ländern antreibt, den sogenannten Krieg gegen den Terror, der die Menschen im Mittleren Osten terrorisiert und im eigenen Land Islamophobie fördert, sowie die Assimilation in einen aggressiven Neoliberalismus, der die Armee als Werkzeug für die Ausdehnung des ökonomischen Gewinns benutzt, ist kein Sieg. Keine Rhetorik, die inhaltsleer Patriotismus und Nationalismus im Namen der Transmenschen wiederholt, kann die Tatsache beseitigen, dass das US-Militär mitschuldig ist an der globalen Ungerechtigkeit.

Die wirkliche Arbeit liegt woanders
Intergrationskampagnen helfen denjenigen nicht, die bereits systematisch von der Gesellschaft aufgrund ihrer Identität ausgeschlossen werden. Für nicht-weisse Transmenschen, Transfrauen, behinderte und neurodiverse Transmenschen, nicht-binäre Transmenschen und viele andere ist die Integration ins Militär kein relevantes Thema.
Das bedeutet nicht, dass ich dagegen eintreten möchte – mit aller Wahrscheinlichkeit wird es durchgesetzt werden. Aber wirkliche Erfolge bestehen nicht daraus, einen Sitz an einem bereits kaputten Tisch zu besetzen, sondern daraus, das unterdrückende System zu überwinden und wirkliche Alternativen aufzubauen. Echte Erfolge bestehen nicht aus Pinkwashing, sondern aus einem bezahlbaren Gesundheitssystem und sicheren Wohnraum, im Stopp von Deportationen, von Kriminalisierung und Polizeibrutalität. Die übliche Antwort darauf ist immer eine Variation von «Das kommt als nächstes» oder «Eins nach dem anderen». Davon sind wir Transmenschen nie überrascht. Während sich TransaktivistInnen für die genannten Forderungen, die ihren Gemeinschaften wirklich helfen, eingesetzt haben, hat sich die Mainstream-LGBT-Bewegung abgemüht, Themen zu finden, die nichts mit Befreiung zu tun haben – von Befreiung können reiche weisse queere Männer und Frauen und ihre WirtschaftssponsorInnen nicht profitieren. Es macht Sinn, dass eine Bewegung, die sich nicht für arme, nicht-weisse Trans- und queere Menschen interessiert, sondern dafür, dass eine Biermarke oder eine Bank ihre Gayprides sponsert, nach Ablenkungen sucht. Die Integration von Transmenschen ins Militär ist bestenfalls eine solche Ablenkung. Natürlich wird es transgender SoldatInnen helfen, ein Leben mit etwas weniger Angst und Unannehmlichkeiten zu führen, das ist positiv. Aber die wirkliche Arbeit liegt woanders: anständige Löhne, bezahlbares Gesundheitssystem und Wohnraum, Black Lives Matter, Gefängnisarbeit.

Die Folgen der USRIII sind bekannt!

rotstiftDie in der Unternehmenssteuerreform III (USRIII) neu vorgeschlagenen Steuerprivilegien führen zu Steuerausfällen von 1,5 Milliarden für den Bund. Ganz besonders stark betroffen sind die Gemeinden und Kantone mit Steuerausfällen von 2,5 bis 3 Milliarden Franken. Auf dem Spiel stehen somit mindestens 4 Milliarden Steuereinnahmen. Die Mindereinnahmen müssen dann mit «Sparmassnahmen» kompensiert werden, die auf Kosten der breiten Bevölkerung erfolgen und Tausende von Arbeitsplätzen gefährden, die mit dem öffentlichen Dienst in Verbindung stehen. Was dies in der Praxis bedeutet, ist an den Erfahrungen im Kanton Luzern sichtbar. Mit der «Steuergesetzrevision 2011» hat der Kanton Luzern in zwei Jahren die Gewinnsteuer für die Unternehmen um 50 Prozent gesenkt. Die Folgen: Im Herbst 2014 legte der Regierungsrat ein Sparprogramm von jährlich 110 Millionen Franken vor. Konkret:

– Beim Personal wird generell um 1 Prozent gespart;
– Kürzungen im Gesundheits-, Sozial-, Kultur und Bildungsdepartement von 5 Prozent;
– Schliessung der Fachklasse Grafik bis 2018;
– Höhere Pensen für LeherInnen in den Gymnasien um eine halbe Lektion, bei der Berufs- und Weiterbildung und der Sonderschulen um eine Lektion;
– Verkürzung des Schuljahres um eine Woche bei den Gymnasien und der Berufs- und Weiterbildung;
– Die Luzerner Polizei führt täglich eine Patrouille weniger durch;
– Kürzung der Prämienverbilligungen um 1,2 Millionen Franken;
– Nein zu Steuerausfällen von über 4 Milliarden Franken – Nein zur USRIII.

Die PdA ruft alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich aktiv an diesem wichtigen Kampf zu beteiligen.

Unterschriftenbögen und weitere Infos zur USRIII hier

Nein zur USRIII – Referendum unterschreiben!

Logo_D_webDie Ausgangslage ist schnell und einfach auf den Punkt zu bringen: Kommt die Unternehmenssteuerreform III (USRIII) so durch, wie sie vom Parlament in der soeben abgelaufenen Sommersession beschlossen wurde, wird der Bund jährlich 1,3 Milliarden Franken weniger Steuereinnahmen verbuchen. Das ist aber noch lange nicht alles: Die weitaus grösseren Steuerausfälle werden die Kantone und die Gemeinden zu verzeichnen haben. Hier beziffert der Bundesrat den Ausfall auf zwei Milliarden Franken. Doch in diesem Betrag fehlt zum Beispiel der Steuerausfall für den geplanten Abzug auf Forschung und Entwicklung. Der Städteverband hat allein für die Gemeinden einen Ausfall von 1,3 bis 1,5 Milliarden Franken errechnet. «Realistisch ist wohl mit Mindereinnahmen für die Kantone und Gemeinden von 2,5 bis 3 Milliarden Franken zu rechnen», hält daher die Partei der Arbeit der Schweiz in ihrer Informationsbroschüre zur USRIII fest. Auf dem Spiel stehen somit über vier Milliarden Steuereinnahmen, die das Parlament den Unternehmen schenken will.

Zur USRIII schreibt Rudolf Strahm, ehemaligen Preisüberwacher sowie SP-Nationalrat und alles andere als ein radikaler Linker, in seiner Kolumne im «Tages-Anzeiger» vom 30. Mai: «Ein so einschneidendes – man darf ruhig sagen: schamloses und einseitiges – Steuersenkungs-programm hat die Eidgenossenschaft noch nie erlebt.»

Wer bezahlt die Zeche?

Grund der Ausfälle in Milliardenhöhe für die Kantone und Gemeinden ist die geplante, massive Senkung der kantonalen Gewinnsteuersätze für die Unternehmen. Im vorauseilenden, unterwürfigen Gehorsam hat es der Kanton Waadt bereits vorgemacht und den Steuersatz von 21,6 auf 13,8 Prozent zusammengestrichen. Marschrichtung und Ziel sind für die Bürgerlichen auch im Kanton Zürich klar: «Wir müssen runter auf 16 Prozent, um den Industrie- und Unternehmerkanton zu stärken», verlangt der Winterthurer SVP-Kantonsrat und Unternehmer Peter Uhlmann im «Landbote» vom 18. Juni. Eine Forderung, die logischerweise auch von der FDP/Liberalen unterstützt wird. Der aktuelle Steuersatz im Kanton Zürich liegt bei 21,8 Prozent.

Was würde dies konkret für eine Stadt wie Winterthur heissen? Der Stadtrat hat ein Szenario durchgerechnet mit einer Senkung auf 19,5 Prozent. Bereits das würde zu «massiven Ausfällen» führen, berichtet der «Landbote». Der Stadtrat spricht von Ausfällen in der Höhe von 10,5 Millionen oder mehr als drei Steuerprozenten. Und eine Senkung der Gewinnsteuer auf 16 Prozent – so wie von SVP und Liberalen gefordert – entspricht einer Einbusse von über 30 Millionen Franken oder elf Steuerprozenten. Eine hübsche Summe für eine Stadt, die seit Jahren kräftig den Rotstift ansetzt und ihren EinwohnerInnen vorjammert, wie nötig die «Sparmassnahmen» seien. Ein treffendes Beispiel dieser «Sparmassnahmen» schildert das Winterthurer Kulturmagazin «Coucou» in der Aprilausgabe 2015. Eine Gruppe junger MusikerInnen, die sich einen kleinen Proberaum teilten, bekam im März 2015 von der Stadt einen Brief. Darin wurde angekündigt, dass der Mietzins von 350 auf 618 Franken pro Monat erhöht wird, also um 77 Prozent. Im letzten Absatz des Schreibens steht: «Aufgrund des Sparauftrages des Grossen Gemeinderates müssen wir die Mietzinsbasis = Mietpreis/Quadratmeter anpassen.»

Fromme Wünsche und reale

Auswirkungen

Ein Kanton, der in den letzten Jahren die Steuersätze für Unternehmen kontinuierlich gesenkt hat, ist Luzern. Das Resultat? Die Einnahmen sind in den Keller gesunken. Die angeblich angestrebte dynamische und nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft durch die Steuersenkungen entpuppte sich im besten Fall als frommer Wunsch. Ganz real sind aber die Folgen dieser neoliberalen Politik auch im Kanton Luzern: Für das Jahr 2016 wurde beim Personal generell um ein Prozent gespart. Im Gesundheits- und Sozialdepartement und teils im Kultur- und Bildungsdepartement wurden Kürzungen von fünf Prozent durchgeführt. «Entlassungen seien dabei nicht ausgeschlossen», erklärte der Luzerner Finanzminister Marcel Schwerzmann. Weitere Sparmassnahmen: Schliessung der Fachklasse Grafik bis 2018; höheres Pensum für die LehrerInnen in den Gymnasien um eine halbe Lektion, bei der Berufs- und Weiterbildung und der Sonderschulen um eine Lektion; Verkürzung des Schuljahres um eine Woche bei den Gymnasien und der Berufs- und Weiterbildung; die Luzerner Polizei führt täglich eine Patrouille weniger durch; Kürzung der Prämienverbilligungen.

Staatliche Subventionen für die

Unternehmen

Grund der Reform ist der Druck von Seiten der EU und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In den Erläuterungen des Bundesrats ist zu lesen: «Die steuerliche Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Einnahmen ist für die EU eine unerlaubte staatliche Unterstützung und bildet somit eine Verletzung des Freihandelsabkommens aus dem Jahr 1972 zwischen der Schweiz und der EU.» Konkret gemeint sind die sogenannten Statusgesellschaften (Domizilgesellschaften, Holdings und gemischte Gesellschaften), welche auf Kantonsebene grosszügige Steuervorteile geniessen. Zu nennen sind insbesondere der Wegfall der Gewinnsteuer, Steuererlass bei Erträgen aus Beteiligungen (Aktien und Anteilscheine), ein reduzierter Kapitalsteuersatz und die tiefere Besteuerung der Einkünfte aus dem Ausland. Mit der USR-III sollen die Statusgesellschaften abgeschafft, dafür aber neue Steuerprivilegien gewährt werden. So soll eine sogenannte Patentbox eingeführt werden. Dies erlaubt, dass «Erträge aus geistigem Eigentum» künftig in den Kantonen reduziert besteuert werden und zwar bis zu 90 Prozent weniger. Von Patentboxen profitieren praktisch nur Grosskonzerne. So war im 2014 der grösste Schweizer Patentanmelder ABB gefolgt von Nestlé, Roche und Novartis. Unternehmen, die in Bundesbern über eine äusserst starke Lobby verfügen. Eine weitere Massnahme ist der Abzug auf Forschung und Entwicklung. Die «NZZ» vom 18. Juni erklärt dies so: «Die Kantone erhalten die Möglichkeit, bei inländischem Forschungsaufwand von Firmen nicht mehr nur 100 Prozent der Kosten, sondern bis zu 150 Prozent als Geschäftsaufwand anzurechnen. Faktisch entsprechen Aufwandanrechnungen über 100 Prozent einer Subvention.» In anderen Worten: Unternehmen kriegen Geld vom Staat. Und zwar so, als dürften normalsterbliche ArbeiterInnen, die brav ihre Steuer bezahlen, 150 Prozent ihrer Kosten für die Krankenkassenprämien von der Steuerrechnung in Abzug bringen. Schon fast undenkbar, aber im übertragenen Sinne machbar für die Unternehmen dank der USRIII.

Der Kampf gegen die USRIII ist Pflicht! Die PdAS hatte das Referendum schon lange angekündigt. Getragen wird es jetzt auch von der SP, den Grünen, den Gewerkschaften und weiteren linken Organisationen und Parteien. Erster landesweiter Sammeltag ist am 2. Juli. Jede Unterschrift zählt!