Antifeministische Scharade

abtreibungAuch wenn die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» vom Stimmvolk verworfen wird, stellt sie eine Gefahr dar. Denn sie macht offenkundig kultur- und sozialrassistische Argumente salonfähig. Die Antwort darauf muss daher ein feministischer, migrantischer und proletarischer Kampf sein.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Abtreibungsinitiative am kommenden Abstimmungssonntag nicht durchkommen. Dass sie überhaupt zur Abstimmung kommt, nervt dennoch ungemein. Die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» bleibt dermassen durchschaubar, auch wenn sie mit fadenscheinigen Argumenten nicht die Abtreibung selbst in Frage stellen, sondern lediglich einen Beitrag zur Senkung der Krankenkassenprämien leisten will. Ob AbtreibungsgegnerInnen oder VerfechterInnen der neoliberalen Eigenverantwortungsideologie – die konservativen Rechten führen ihre antifeministische Hetze mit der Abtreibungsinitiative in eine weitere Runde.

«Eigenverantwortung» auf dem Buckel der Frauen

Nicht weil sie das Solidaritätsprinzip der Krankenkassen – du bezahlst meinen Beinbruch, ich bezahle deine Abtreibung – auszuhebeln versucht, sondern weil sie neben der antifeministischen Propaganda offenkundig kultur- und sozialrassistische Argumente salonfähig macht, ist diese Initiative nicht einfach nur zu belächeln. Der Kampf gegen solch reaktionäre Angriffe muss ein feministischer, ein migrantischer und ein proletarischer sein.

Es ist kein Zufall, dass in Krisenzeiten die konservativen Kräfte Aufwind bekommen und feministische Errungenschaften unter Beschuss geraten. Wenn in einer neoliberalen Wirtschaftsordnung die Staatshaushalte unter Druck geraten, werden auch individualistische Modelle der hoch gepriesenen Eigenverantwortung wieder vermehrt propagiert. Die Restauration der «Familie», ihre moralische Genesung und gesittete Vermehrung ist der konservativen Rechten besonders in Krisenzeiten ein Anliegen, um dadurch die Staatshaushalte zu entlasten. Die Familie ist nicht nur ein moralisches Steckenpferd, das der bürgerlichen Erziehung dienen soll, sondern auch ein finanzieller und sozialarbeiterischer Hilfsposten, damit der Sozialstaat abgebaut werden kann.

Eine «funktionierende» Familie entlastet den Staat durch die in den meisten Fällen von Frauen übernommenen sozialen Leistungen unbezahlter Care-Arbeit ungemein. Die Anbindung der Frauen an das ideologische Gedankengebäude der bürgerlichen Familie bedeutet für sie nicht nur eine vermehrte Doppelbelastung, sondern steht auch einem freien, emanzipierten Lebensentwurf von Frauen diametral entgegen. In den sauberen Wohnzimmern der guten Schwizerlis ist es leider nicht weit her mit der Selbstbestimmung der Frauen über ihre Körper, denn jede Frau hat darin Hausfrau, Ehefrau und Mutter zu sein – alles, was darüber hinaus geht, muss sie sich erkämpfen. Ähnlich wie die Ecopop-Initiative wird auch die Initiative «Abtreibung ist Privatsache» mit kulturrassistischen Argumente beworben. Abtreibung sei keine Krankheit und werde sowieso hauptsächlich von den kulturfremden Migrantinnen als Verhütungsmittel missbraucht. Es seien demnach soziale, nicht gesundheitliche Faktoren, die zu einer Abtreibung führten. Denn die «fremden» Kulturen würden nicht adäquat mit der Verhütung umgehen können. Diese Unterscheidung zwischen guten und schlechten Kulturen ist unverhohlen (kultur-)rassistisch und hetzt gegen Migrantinnen. Den SchweizerInnen die Schweizer Krankenkassen, so könnte man das Anliegen der InitiantInnen ausdeutschen. Die ausländerfeindliche Haltung der AbtreibungsgegnerInnen, die auch in anderen antifeministischen Bündnissen wie dem «Marsch fürs Läbe» zum Ausdruck kommt, geht mit einer braunen, nationalistischen Ideologie einher.

Zweiklassenmedizin 

Wird die Abtreibung aus der Grundversicherung gestrichen, werden sozial abgesicherte und wohlgeordnete Verhältnisse bevorteilt. Bestraft werden all jene, die sich keine Abtreibung auf private Rechnung leisten können. Nur wird es im trauten Heim der Schweizer Familie, wo alles nach Plan verläuft und das nötigen Geldpolster zur Verfügung steht, immer weniger wichtig sein, die Option einer Abtreibung zu haben, als in sozial fragilen Verhältnissen.

Wohin es führt, wenn zwischen richtigen und falschen Leiden unterschieden wird,  können wir uns denken. Dann werden irgendwann jene nicht mehr behandelt, die sich ein Bein aufgrund von «Eigenverschulden» gebrochen haben, Drogen genommen haben,  an Fettleibigkeit leiden oder am Rand der Gesellschaft leben und sich keine ausreichende Versorgung leisten können. Die Initiative richtet sich in antifeministischer Manier gegen die Frauen der unteren Klassen. Die soziale Diskriminierung, die sich mit dem neoliberalen Deckmäntelchen «Eigenverantwortung» tarnt, trifft gerade im Gesundheitswesen vorwiegend Frauen. Die InitiantInnen versuchen mit dem Credo der «Eigenverantwortung» die angestrebte Zweiklassenmedizin zu legitimieren. Dass es ihnen aber um soziale Ausgrenzung geht, ist offensichtlich.

Das Private ist politisch!

Im Rahmen des neoliberalen Umbaus durch Privatisierung und Abbau gerät das Gesundheitswesen weiter unter Spardruck, was eine entsolidarisierende Politik zur Folge hat. Eine feministische Antwort darauf wird es aber unweigerlich geben. Gerade im Bereich der Care-Arbeit wird die Frage nach Selbstbestimmung, nach solidarischen und kollektiven Arbeitsformen, nach Arbeitskämpfen im Privaten immer wichtiger. Die Selbstbestimmung der Frauen ist der konservativen Rechten immer noch ein Dorn im Auge und das soll auch so bleiben.

Kapitalismus konkret!

IMG_1360Die Konzentration des Reichtums in immer weniger Händen hat sich mit Hilfe der Regierungen rapid beschleunigt. 85 Personen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung.

«Eine kleine Elite von 85 Personen besitzt genau so viel Vermögen wie die Hälfte der Weltbevölkerung». Mit diesem Satz beginnt eine am 20. Januar 2014 veröffentlichte Mitteilung von «Oxfam», einer internationalen Vereinigung von humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, die sich der Bekämpfung der Armut in der Welt widmen.

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Mobimo erpresst Labitzke-MieterInnen

letziparkDie auf dem Labitzke-Areal verbleibenden MieterInnen haben heute von der Einigung zwischen Stadtrat und Mobimo AG erfahren. Wir möchten festhalten, dass die MieterInnen zu keiner Zeit mit diesem angeblichen «Kompromiss» einverstanden waren, noch an den vorgängigen Verhandlungen beteiligt waren. Letzteres, obwohl von Seite der MieterInnenschaft immer Verhandlungsbereitschaft bekundet wurde. Die vorläufige Duldung der verbleibenden NutzerInnen bis Ende März kann nicht darüber hinweg täuschen, dass weder Baueingabe noch Baubewilligung für das Mobimo-Projekt vorliegen.

Der Stadtrat widerspricht mit seiner heutigen Mitteilung früheren Aussagen, wonach eine Räumung vor Baubeginn nicht verhältnismässig sei. Die nicht-vorliegende Abbruchbewilligung der Stadt soll ebenfalls plötzlich kein Hindernis mehr sein. Offenbar hat der Stadtrat damit dem Muskelspiel der Mobimo nachgegeben, ohne auf die Bedürfnisse der MieterInnen Rücksicht zu nehmen. Diese haben nämlich weiterhin keine Anschlusslösung in Aussicht. Falls die Mobimo an ihrem Abriss auf Vorrat festhält, würden damit Ende März rund 30 MieterInnen auf der Strasse stehen. Dazu kommen zahlreiche weitere NutzerInnen der beiden benachbarten Besetzungen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Mobimo heute offenbar im Einvernehmen mit den Behörden das im Tank verbleibende Heizöl abgepumpt hat. Damit dreht Mobimo den MieterInnen mitten im Winter die Heizung ab, in einem Machtgebaren, das jeder einvernehmlichen Lösung spottet. Es scheint, dass die MieterInnen damit zum sofortigen Auszug genötigt werden sollen, obwohl die juristische Klärung der Sachlage aussteht.

Als MieterInnen des Labitzke-Areals sehen wir uns nach den heutigen Ereignissen weiter ins Abseits gestellt. Die Macht des Geldes scheint sich einmal mehr gegenüber den elementaren Bedürfnissen der Menschen auf ein (geheiztes) Dach über dem Kopf durchzusetzen. Dass die sogenannt «links-grüne» Stadtregierung dazu Hand bietet, irritiert uns. Es stellt sich die Frage, ob ein profit-maximierender Immobilienkonzern mehr zu sagen hat als eine Bevölkerung, die sich wiederholt für zahlbare Räume für Wohnen, Kultur und Gewerbe ausgesprochen hat. Wir beharren dagegen darauf, die Gebäude bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung nutzen zu können.

Weitere Informationen zum Labitzke-Areal:
www.labitzke-areal.ch

Webseite der benachbarten Besetzung: www.bleib-farbig.net

WEF in Davos

DavosTrotz Krise und anhaltenden sozialen Protesten, reist die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff erstmals ans World Economic Forum (WEF) in Davos. Die gegenseitige Abneigung der vergangenen Jahre scheint verflogen. Rousseff verfolgt damit einen klaren Plan.

Genau zwei Jahre ist es her, seit Dilma Rousseff in einer Rede am Sozialforum in Porto Alegre die europäische Krisenpolitik als «neoliberal» und «konservativ» geisselte. Im Gegensatz dazu habe die eigene Regierung «progressiv» und «demokratisch» auf die anhaltende Finanzkrise reagiert. Die wiederholte Absage an Davos verärgerte nicht nur Investoren, sondern ermöglichte es auch, dass Rousseff durchaus Sympathie in der eigenen Basis gewinnen konnte. Zwei Jahre später herrscht jedoch diejenige Ernüchterung, auf welche kritische AktivistInnen und UmweltschützerInnen schon in Porto Alegre aufmerksam machen wollten. Rousseff und die brasilianische Regierung sind trotz ihrer linken Rhetorik Teil der herrschenden Logik. Statt auf Lösungen von Unten zu bauen, setzt man auf verstärkte Investitionen. Statt Alternativen zu entwickeln, setzt man auf bekannte Verwertungslogik.

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Sportstadien statt Panzer

geldwaschenAm 7. Februar beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. In den neu errichteten Sportpalästen am Schwarzen Meer wird zwar auch Sport betrieben, sie weisen aber schnell auf die augenfälligen politischen Hintergründe des Grossereignisses hin: auf eine schonungslose Ausbeutung und Russlands Herrschaftsansprüche in der Region.

 

Wenn Wladimir Putin Englisch spricht, dann meint er es ernst. So auch im Jahr 2007 bei einer Rede in Guatemala, als er für die Olympischen Winterspiele in seiner Heimat geworben hat. Seine schwülstigen Sätze scheinen Wirkung gezeigt zu haben, bald findet in Sotschi die grösste Veranstaltung im postsowjetischen Russland statt. «Millionen russischer Bürger sind vereint durch den olympischen Traum», sagte Putin damals. Das Gegenteil ist der Fall, weiss man heute.

Was auf der derzeit grössten Baustelle der Welt passiert, ist ein Paradebeispiel für den Raubtierkapitalismus russischer Art. In Sotschi basiert dieser auf der massiven Bereicherung einer kleinen, privat verbandelten Elite, die sich die Staatsmacht zunutze macht, und einer grenzenlosen Ausbeutung, vor allem ausländischer GastarbeiterInnen. Das wachsende Olympiagelände am Schwarzen Meer bietet ein riesiges Profitvolumen. Fast die gesamte Infrastruktur musste neu aufgebaut werden. Nach den Spielen soll daraus eine Tourismus-Maschinerie werden, die das ganze Jahr über rattert. Am Strand unter den Palmen liegen und einen warmen Frühlingstag geniessen, dann in den nahen Bergen Skifahren: So kündete Putin das süsse Leben von Sotschi an.

Der Rest für die Freunde von früher

Doch die Pläne haben ihren Preis: Aus den von Putin anfangs veranschlagten Kosten von 12 Milliarden Franken sind mittlerweile über 50 geworden. Sotschi ist damit teurer als alle früheren Winterspiele zusammen. Der russische Oppositionelle Boris Nemzow stellt in einem Bericht die Vermutung an, dass davon 25 bis 30 Milliarden Franken in der Korruption versandet sind. Seine Berechnungen, die auf Vergleichen zu früheren Austragungen basieren, ergeben, dass die Bauarbeiten in Sotschi im Schnitt zweieinhalb Mal teurer sind als in anderen Ländern.

Die im russischen Staat gebündelte Macht erlaubt die Ausschüttung dieser Überschüsse innerhalb der Elite. Die zwei grössten Profiteure sind enge Vertraute Putins: Arkady Rotenberg ist ein Jugendfreund und Judopartner des Präsidenten. Seine Firmen haben in Sotschi Aufträge über fast 7 Milliarden Franken erhalten. Laut Forbes wuchs sein Vermögen in den letzten Jahren um zwei Milliarden Franken an. Wladimir Jakunin ist ehemaliger KGB-Offizier, Sowjetfunktionär und Putins Datscha-Nachbar. Er ist auch Präsident der russischen Eisenbahn, die für gut 8 Milliarden Franken eine Schnellstrasse und eine Eisenbahn von der Stadt Sotschi ins 50 Kilometer entfernte Skigebiet bauen lässt.

Die andere Seite der Medaille ist die Lage der ArbeiterInnen, die die Geldflüsse aus Moskau in strahlende Sportpaläste verwandeln. Die russische Ausländerbehörde gibt an, dass von den 74000 ArbeiterInnen, welche die zur Durchführung der Winterspiele ins Leben gerufene Staatsholding Olympstroi derzeit beschäftigt, 16000 aus dem Ausland stammen. Unabhängige ExpertInnen schätzen jedoch, dass es bis zu 50000 sein könnten. Egal wie viele es sind, sie arbeiten unter Bedingungen, die mit denjenigen vergleichbar sind, die Marx persönlich für die englische Arbeiterklasse beschrieben hat. Nachlesen lässt sich das in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), der auf Befragungen der ArbeiterInnen vor Ort basiert. Die Befragten stammen meist aus den nahe gelegenen ehemaligen Sowjetrepubliken in Osteuropa und Zentralasien.

Arbeitsbedingungen in Sotschi

Die meisten ArbeiterInnen arbeiten für einen Lohn von 1,8 bis 2,6 Dollar pro Stunde. Das ist viel weniger als ihnen ursprünglich versprochen wurde. Meist wird die Auszahlung der Löhne jedoch monatelang verzögert. Die meisten verfügen über keine Papiere, die ihre Anstellung belegen. Persönliche Papiere werden oft entwendet. Es wird in Schichten von zwölf Stunden gearbeitet, einen Freitag gibt es alle zwei Wochen. Geschlafen wird in Unterkünften, in die bis zu 200 ArbeiterInnen gepfercht werden –Unterkunft und Essen werden vom Lohn abgezogen.

Gesetze, die all das theoretisch verbieten würden, gibt es in Russland. Eine Normalschicht dürfte etwa nicht länger als acht Stunden dauern, eine Woche nicht mehr als 40 Arbeitsstunden enthalten. Ein freier Tag pro Woche wäre Pflicht. Doch hier muss es eben etwas schneller gehen.

Die staatsnahen russischen Gewerkschaften sind wohl nicht dazu in der Lage, dieser grenzenlosen Ausbeutung etwas entgegensetzen. Vielmehr droht den Spielen eine andere Gefahr, die sich kürzlich in Wolgograd zu Wort gemeldet hat. Auch aus Angst vor TerroristInnen wird Russland 40 000 Sicherheitskräfte bereitstellen. Dass die Winterspiele ausgerechnet im kriegsversehrten und noch immer politisch spannungsreichen Nordkaukasus abgehalten werden, wird von manchen Beobachtern als Machtdemonstration interpretiert. Es wirkt, als strebe Russland den Triumph an, das Grossereignis gerade in dieser Region durchzuführen.

Auch für Putin selbst ist das eine Prüfung, denn vor seiner Präsidentschaft hat ihn Boris Jelzin beauftragt, in der Region die TschetschenInnen zu befrieden. 1999, kurz bevor Putin die Macht von Jelzin übernehmen sollte, begann der zweite Tschetschenienkrieg. Weil Putin fürchtete, Russland könnte das gleiche Schicksal ereilen wie Jugoslawien – dass es nach dem Niedergang des Realsozialismus in seine Teile zerlegt wird – griff er in Tschetschenien mit aller Härte ein und schlug die separatistischen Bestrebungen nieder. Blutige Geiselnahmen und Terroranschläge haben seither immer wieder bewiesen, dass die Repression die Probleme nicht beseitigt hat.

Die spektakulären Olympiaparks können also auch als Mahnmal des territorialen Anspruchs Russlands in einer Region gesehen werden, in der ethnische Russen, für die Putin in seinem Land die Führungsrolle beansprucht, oft in der Minderheit sind. Da passt es ganz gut, dass sie von denjenigen Ex-SowjetbürgerInnen – vor allem aus Zentralasien – erbaut werden, die in Russland immer wieder heftigstem Rassismus ausgesetzt sind.

Aus der Printausgabe vom 17. Januar 2014. Unterstütze uns mit einem Abo.

«Die Kräfte bündeln»

margadant_2Bruno Margadant ist am 14. Dezember 2013 gestorben. Im Gedenken ein Interview mit ihm aus dem vorwärts vom 6. Februar 2009.

Bruno sammelte 50 Jahre lang Plakate aus der Arbeiter- und Friedensbewegung. Zugleich machte er sich einen Namen als Sammler der Gebrauchsgrafiken von Picasso. Genosse Margadant war Mitglied der PdA, arbeitet für den «vorwärts» und wechselte später zur SP. Ein Interview.

VORWÄRTS: Wie wird man Kommunist?

MARGADANT: Ich wurde als Kommunist geboren, später als solcher auch aktiv. Selber habe ich mich aber eher als Sozialist gesehen, denn „Kommunist“ war für mich ein Ehrentitel, den antifaschistischen Widerstandskämpfern angemessen. Dieses Heldentum nahm ich für mich nicht in Anspruch.

VORWÄRTS: Auf einer Reise nach Algerien im 1952 hattest du einen Schriftzug an einer Mauer gelesen: „Frieden in Vietnam“. Damals sagte dir das nichts…

MARGADANT: Diese Parole zeigte die Verbundenheit eines kolonialisierten, unterdrückten Volkes mit einem andern. Mit Begeisterung verfolgten die Algerier den Widerstand der Befreiungsarmee unter Ho Chi Minh. „Vietnam“ kannte ich zunächst gar nicht. Das war für uns ein weisser Fleck, ich wusste gar nicht, wo das lag. Die Menschen in Algerien haben diesen Befreiungskrieg viel früher verfolgt als wir in der Schweiz. Erst in den 60er Jahren wurde Vietnam bei uns präsent. Das zeigt: Hier die Satten, dort die Hungrigen.

VORWÄRTS: Als Linker in der Schweiz hattest du ein schweres Leben. Geprägt war es später auch von permanenten Kündigungen. Wie steht man das durch?

MARGADANT: Das musste so sein, das nahm man in Kauf. 1947 war ich am ersten Jugendfestival in Prag, 194B in der Arbeitsbrigade in Bulgarien, 1949 in Budapest, 1951 in Berlin. Das war automatisch mit Schikanen verbunden. Das war nun mal so.

VORWÄRTS: Du warst ein Staatsfeind?

MARGADANT: Unbedingt. Die Leute, die etwas von Fichen verstehen, erkennen auf meinen die Kennzeichnung „höchste Gefährlichkeit“. Ich war einer von den Leuten, die im Ernstfall sofort in ein Lager eingewiesen worden wäre. Erst in den 70er Jahren verzeichnete eine Fiche, dass überlegt wird, ob die Gefährlichkeit meiner Person heruntergestuft werden könne. Bis heute überlege ich mir, ob das eine Auszeichnung ist.

VORWÄRTS: Warum haben dich die Behörden als so gefährlich eingestuft?

MARGADANT: Es ist der ganze Hintergrund. Mein Herkommen, meine Eltern, meine Aktivitäten. Ich hielt überall Vorträge, zum Beispiel über Bulgarien. Während der Zeit, als ich sozialistische Plakate sammelte, hatte ich mit Botschaften kommunistischer Länder zu tun. Die Besuche meines Hauses wurden beobachtet. Ein Ungar brachte mir ein Buch über die Plakate der ungarischen Räterepublik 1919. Ein wunderschönes Buch, das ich später dem Kunstgewerbemuseum Zürich zur Verfügung stellen konnte. Der Geheimdienst hat dies als mögliche Aktenübergabe registriert.

VORWÄRTS: Die vielen Kündigungen, politisch bedingt – hattest du nie Existenzängste?

MARGADANT: Der Beruf war meine Existenz. Ich hatte keinen vermögenden Vater. Ich lebte von meiner Hände Arbeit. Ich war ein ausgezeichneter Berufsarbeiter. Deshalb konnte ich auch oft verhältnismässig hohe Löhne durchsetzen. Natürlich hatte ich auch Existenzängste. An die Partei habe ich mich aber nie gewandt. Ich hab mich immer selber durchgeboxt. Hab immer selber eine neue Arbeit gesucht. Bis ich am Ende in die Ostschweiz ging.

VORWÄRTS: Was macht ein Linker bei der NZZ?

MARGADANT: Das war nach der Lehre. Ich suchte einen möglichst renommierten Betrieb. Nicht irgendeine Bude, sondern möglichst etwas mit Namen, das mir später weiterhilft. Damit du die NZZ als Referenz angeben kannst…

VORWÄRTS: Wurde in der NZZ nicht auch politisch diskutiert – in bürgerlichem Geist?

MARGADANT: Es wurde sehr viel diskutiert. Und ich habe mich mit meiner Meinung nie zurückgehalten. Aber entscheidend war mein Besuch des Jugendfestivals. Später hat man mir bei der Kündigung vorgeworfen, man hätte mich gefragt, ob ich in einer Partei sei. Das war nicht wahr. Niemand hat mich nach der Parteizugehörigkeit gefragt. Und der Mann, der das behauptet hatte, war der Direktor, und er wusste, dass er log. Und ich wusste, dass er wusste, dass er log. Er brauchte gegenüber seinen Vorgesetzten eine Erklärung, weshalb ihm dieser Lapsus mit mir geschehen ist, einen Linken in der NZZ zu engagieren.

VORWÄRTS: Du hast über 50 Jahre Plakate aus der Arbeiter- und Friedensbewegung und Picassos Gebrauchsgrafiken gesammelt. Wie kam es dazu?

MARGADANT: Die frühen Plakate waren rein politisch, nur auf die Schweiz ausgerichtet. Die sozialen Plakate von Hans Erni, Hans Falk und Alois Carigiet waren die ersten, bis das Ganze eine Sammlung ergab. Das Buch dazu „Das Schweizer Plakat“, erschienen im renommierten Birkhäuser Verlag, wurde ein Erfolg. Das war der Anfang. Der Verkauf dieser Sammlung gab mir Geld für meine zweite Sammlung, das sozialistische Plakat. Ich hatte durch den Ankauf der Sammlung durch die Berliner Museen Geld und konnte mir nun die zweite Sammlung leisten. Ich ging an Auktionen, ich konnte mir Reisen leisten. Der Verkauf der zweiten Sammlung gab mir dann das Geld, um mich an das grösste Unternehmen, an Picasso zu wagen.

VORWÄRTS: Wie umfangreich war deine Sammlung der Gebrauchsgrafiken von Picasso?

MARGADANT: Es waren hunderte Exemplare, andere Sammlungen umfassen mehrere Tausend Exponate. Meine Picasso-Sammlung ist jetzt im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin.

VORWÄRTS: Wie hast du Bertolt Brecht kennen gelernt?

MARGADANT: Das war in Chur, hier bin ich aufgewachsen. 1948 besuchte ich die Jahresversammlung der „Naturfreunde“. Hier trug ein Freund, der auch in der PdA war, das Gedicht von Bertolt Brecht „Lob des Kommunismus“ vor. Doch er las es unter dem Titel: „Lob des Sozialismus“. Ich machte ihm Vorwürfe wegen der Verwässerung des Titels. Wir kamen überein, mit dem Dichter Kontakt aufzunehmen, weil wir wussten, dass Brecht wegen der Uraufführung seiner „Antigone“ in Chur war. Wir wollten eine Versammlung machen. Brecht lehnte ein öffentliches Auftreten entschieden ab. Doch zeigte er sich bereit, in kleinem Rahmen zu uns zu kommen. So kam die Begegnung zustande. Ich, der Lehrling, hatte sich herausgeputzt wie ein Pfau, und Brecht kam herein wie ein armer Hilfsarbeiter. Mit seinem faltigen Kinn, und er war so schlicht angezogen. Am Anfang war Brecht sehr formell, bis er sich eingewöhnt hatte in die für ihn fremde Umgebung. Höflich war er. Diese Höflichkeit interpretiere ich im Nachhinein als reine Schutzmassnahme. Er schützte sich durch Höflichkeit, bis er sich unter Genossen zu Hause und wohlfühlte. Und dann legte er viel, viel radikaler los als wir. Von Dimitroff war damals der Spruch bekannt: „Die Volksdemokratie hat den Vorteil, dass sie ohne die Diktatur des Proletariats auskommt“. Das war 1948. Diese breite Öffnung, die Kommunisten hatten in Prag 1946 fast die Mehrheit bekommen. Das war die politische Situation, als ich Brecht kennen lernte. Er wies uns zurecht. Er meinte, Kommunisten seien immer in der Minderheit. In der PdA waren damals viele linke Sozialdemokraten, die bei der Gründung zur PdA übergetreten sind. Aufgrund seiner Radikalität kam es mir vor, als seien wir die „Revisionisten“ und Brecht der „Stalinist“.

VORWÄRTS: Du hast auch für den „vorwärts“ gearbeitet?

MARGADANT: Ja, drei Jahre. Als Schriftsetzer hab ich den „vorwärts“ umbrochen, das heisst zusammengestellt.

VORWÄRTS: Auch Emil Arnold war im „vorwärts“ dein Kollege. Der hat Lenin während seines Schweizer Aufenthaltes persönlich kennen gelernt. Was hat Arnold dir von Lenin erzählt?

MARGADANT: Lenin habe während eines Gesprächs immer an seinem Jackenknopf herumgedreht – bis er abgefallen sei. Das war so eine Anekdote von Emil Arnold.

VORWÄRTS: Hast du an die Sowjetunion geglaubt?

MARGADANT: Natürlich. Du darfst nicht vergessen, ich war ein alter Stalinist. Jeder, der aktiv damals in der Partei war, war Stalinist. Es war die bedingungslose Zustimmung zur Politik der KPdSU.

VORWÄRTS: Wann kam deine Überzeugung ins Wanken?

MARGADANT: Die Breschnew-Zeit war einfach fürchterlich. Die Überlegung war ziemlich logisch: der normale Vater, der seinen Sohn in der Schweiz vorwärts bringen will, setzt ihn entweder in die CVP oder in die FDP. In der Sowjetunion war es die KPdSU. Das hatte weniger mit dem Glauben, mit dem wir aufgewachsen waren zu tun, sondern mit einer Art Mitläufertum. Zudem entwickelte sich die Staatsführung immer verhärteter und verknorzter. Du siehst das an den ordenbehangenen Bildnissen von Breschnew. Für mich waren das keine Kommunisten mehr.

VORWÄRTS: Kam bei dir erst mit Breschnew der Bruch?

MARGADANT: Wichtig war für mich das Exil in der Ostschweiz. Damit war ich ein bisschen weg vom Zentrum, von den Aktivitäten der Partei. Ich wurde nicht mehr verfolgt. In dieser Zeit habe ich angefangen, sehr viel zu lesen. Und die Zweifel verstärkten sich in den 60er Jahren. In Flawil wurde die Distanz zwischen der Partei und mir immer grösser. Ich hatte den Kontakt zu den Genossen verloren. Ich erinnere mich, dass ich damals einen fingierten Brief an Genossen schrieb, in dem ich mich dahin äusserte, dass ich daran denke, die Partei zu verlassen. Du musst dir vorstellen, so wie ich erzogen worden war, verlässt man eine kommunistische Partei nicht, sondern wird bestenfalls ausgeschlossen. Mein Brief endete mit der Hoffnung, dass wir uns als Genossen doch weiterhin grüssen könnten. Die Angst vor dem Ausgeschlossensein war sehr gross. Die Partei ist ja auch eine Heimat. Es war ein Schritt, den ich sehr, sehr schwer getan habe. Ich bin nicht ausgetreten wegen eines bestimmten Ereignisses. Es war die Summe von Unstimmigkeiten und Zweifeln.

VORWÄRTS: Was bedeutet für dich „die Wende“?

MARGADANT: Den Zusammenbruch habe ich ehrlich gesagt als Befreiung erlebt. Ich sah mich vorher immer veranlasst, die Sowjetunion zu verteidigen. Auch den grössten Unsinn – ich konnte nicht anders. Gegenüber den Gegnern musste man sich permanent verteidigen – und dass das nicht mehr nötig war, habe ich als Befreiung empfunden.

VORWÄRTS: Und heute?

MARGADANT: Du weisst so gut wie ich, das Kapital lebt weiter vom Blut der Völker. Wie man diesen Gegner am besten bekämpft? Ich war nie ein Politikstratege, nicht handelnder Funktionär, politisch aber immer aktiv. Das beste, was heute passieren kann, ereignet sich in der BRD. Wenn sich alle linken Kräfte in der Organisation „DIE LINKE“ vereinigen. Das scheint mir im Moment das Beste, was es gibt. Das Gleiche passiert heute in Frankreich. Die Kräfte zu bündeln, scheint mir notwendig zu sein.

Aufruf zum Widerstand gegen das AHD

sciopero_generale_04In der Schweiz formiert sich der Widerstand gegen das «Abkommen über Handel und Dienstleistungen» (AHD). Hier die Einladung zur Gründungssitzung.

Die Organisatorinnen und Organisatoren der Demo vom 29. November 2013 in Genf, die über 1‘000 Personen umfasste und sich gegen  die aktuelle Aushandlung neuer Freihandelsverträge richtete, die jetzt unter grösster Geheimhaltung stattfinden, möchten mit einem nationalen Komitee den Widerstand gegen diese Abkommen im nationalen Rahmen aufbauen; dabei handelt es sich um das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (AHD) (englisch: Trade in Services Agreement (TISA)) und das Abkommen über die transatlantische Partnerschaft. Dazu laden wir euch ein zur Teilnahme an einer

Nationalen Sitzung

Am Freitag den 17. Januar 2014 um 18’45 im Casa d’Italia, Bühlstrasse 57, Bern

Primäres Ziel dieser Sitzung ist die Gründung eines nationalen Komitees gegen das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen.

Dieses Abkommen wird gegenwärtig zwischen 46 Ländern unter Führung der USA, der Schweiz und der EU (welche heute ihrerseits 27 Länder umfasst) ausgehandelt.

Zum Abkommen ist auf www.seco.admin.ch (http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00586/04996/index.html?lang=de) zu lesen: «Die Idee eines Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen wurde von den USA lanciert und einer Gruppe von WTO-Mitgliedern, der sogenannten RGF-Gruppe, vorgeschlagen. Seit Februar 2012 trifft sich die Gruppe regelmässig in Genf unter dem gemeinsamen Vorsitz der USA und Australiens. Die Schweiz nimmt von Beginn an aktiv an den Diskussionen teil.

Ziel dieser Initiative ist es, ein umfassendes Abkommen zum Dienstleistungshandel abzuschliessen. Die Arbeiten stützen sich auf das GATS und sehen eine hybride Verpflichtungsliste vor.

Zur Zeit nehmen folgende Parteien an den Diskussionen teil: Australien, Chile, Costa Rica, EU, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Schweiz, Taiwan, Türkei und USA.»

Diese Verhandlungen wurden unter dem Druck der USA und Australiens und mit sehr aktiver Beteiligung der Schweiz eingeleitet. Das Abkommen zielt auf die Deregulierung des Handels mit Dienstleitungen und stellt für den gesamten öffentlichen Bereich aller betroffenen Länder eine Gefahr dar.

Gemäss diesem Vertrag müssten alle Bereiche, in denen neben den öffentlichen Dienstleistungen private Anbieter vorhanden sind,  den Regeln des « freien und unverfälschten Wettbewerbs» unterstellt werden. Die Regierungen müssten die öffentlichen und privaten Anbieter im selben Ausmass subventionieren. Die Steuerpflichtigen wären so beispielsweise gezwungen, die Profite von privaten Kliniken und Schulen mitzufinanzieren.

Überdies müssten die Regierungen ausländische und inländische Anbieter gleich behandeln und dabei die Regeln des Wettbewerbs strikt beachten. Sie müssten somit auf jeden Schutz der lokalen oder nationalen Anbieter verzichten. Schliesslich wären die entsandten Lohnabhängigen bezüglich ihrer Arbeitsbedingungen nicht mehr den Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterstellt, sondern den noch viel  flexibleren der Welthandelsorganisation  (WTO).

Dieser Vertrag öffnet der Privatisierung der öffentlichen Dienste Tür und Tor und greift eine wichtige Errungenschaft an; in der Folge wird der Zugang zu den oft lebenswichtigen Dienstleistungen noch stärker vom Einkommen abhängen. Nur diejenigen mit genügend Geld werden beispielsweise eine genügende Pflege kaufen können, die anderen werden sich nur auf eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung stützen können. Dieses Abkommen hat zum einzigen Ziel, die Unternehmensgewinne zu steigern.

Das AHD geht noch weiter als das Allgemeine Abkommen über den Dienstleistungshandel (GATS), dass 1994 im Rahmen der WTO abgeschlossen wurde. Nun entscheiden nicht mehr die einzelnen Länder über die Öffnung einzelner Bereich gegenüber der Konkurrenz, denn alle Bereiche der Unterzeichnerstaaten werden nun den Bestimmungen des Vertrages unterworfen.

Der Vertrag soll bereits 2014 unterzeichnet werden. Angesichts der Weigerung des Bundesrates und anschliessend der Mehrheit des Nationalrates, das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz dem fakultativen Referendum zu unterstellen, gibt es allen Grund für die Annahme, dass mit dem AHD gleich verfahren wird. Das Parlament wird dabei aufgefordert werden, dieses ohne die kleinste Änderung zu ratifizieren und das Volk würde der demokratischen Rechte beraubt werden.

Zweitens schlagen wir vor, sich an der europäischen Kampagne gegen den grossen transatlantischen Markt zu beteiligen. Gegenwärtig verhandeln verschiedene amerikanische Staaten unter der Führung der USA und die EU über ein Abkommen der transatlantischen Partnerschaft. Dieser hat bereits einen Zwillingsbruder mit dem Abkommen der transpazifischen Partnerschaft, das unter zwölf amerikanischen Ländern unter der Führung der USA und einigen asiatischen Ländern im US-amerikanischen Einflussbereich ausgehandelt wurde. Mit diesen beiden Abkommen wären alle Länder, die mit den USA oder mit der EU Handelsvereinbarungen abschliessen würden, gezwungen, sich unter das Joch der Bestimmungen in diesen Verträgen zu beugen. Überdies verstärken sie auf schwindelerregende Weise die Macht der multinationalen Konzerne: sie hätten die Möglichkeit, alle Regierungen, die für sie nachteilige Gesetze und Beschlüsse erlassen, vor entsprechende Gerichte zu ziehen, die nach ihren Bedürfnissen  ausgestaltet wären. Diese Regierungen hätten keine Möglichkeit, sich auf ein öffentliches oder allgemeines Interesse zu berufen; das Gesetz des Marktes und des Profits wäre absolut gesetzt, mit allen Folgen für die Bevölkerung. Die Schweiz wäre durch dieses Abkommen ebenfalls betroffen.

Es ist daher höchste Zeit, uns zusammenzutun und ein nationales Komitee zu bilden, das sich vorerst auf die Bekämpfung des Abkommens konzentriert, das die Schweiz unmittelbarer betrifft, das heisst das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (AHD). Dabei fordern wir:

– Dass der Bundesrat über die laufenden Verhandlungen und den detaillierten Inhalt dieses Abkommens informiert.

– Dass die  Schweiz aus diesen Verhandlungen aussteigt.

Diese Kampagne soll Teil eines Kampfes sein, der im Sinne der internationalen Solidarität in allen Ländern geführt werden sollte. Wir werden selbstverständlich darüber diskutieren müssen, wie wir uns mit Bewegungen in anderen Ländern koordinieren können, um diese gegen die Völker gerichteten Abkommen zum Scheitern zu bringen.

Wir würden uns freuen, euch an dieser Sitzung anzutreffen und entrichten euch unsere solidarischen Grüsse

 

Für das Einheits-Komitee gegen das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

Konflikt bei Tamedia

Tamedia_VerlagshausDer grösste Schweizer Verlag für Print- und Onlinemedien erfasst keine Arbeitszeiten der Medienschaffenden.

Der vorwärts-online veröffentlicht die Medienmitteilung der Gewerkschaft syndicom, die u.a. mehr Stellen fordert:

syndicom unterstützt die Aktion der Schwester-Organisation impressum, die heute darauf aufmerksam macht, dass Tamedia, der grösste Schweizer Verlag für Print- und Onlinemedien, gegen das Arbeitsgesetz verstösst, weil die Arbeitszeiten der Medienschaffenden nicht erfasst werden. Auch viele andere Redaktionen sind davon betroffen. Das Arbeitsinspektorat soll die Situation überprüfen. Überzeit sind die Stunden, welche über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Wochenstunden hinaus geleistet werden. Diese sind zwingend zu kompensieren. Um sie zu messen, braucht es eine Arbeitszeiterfassung. Das Problem überlanger und gesetzeswidriger Arbeitszeiten existiert jedoch nicht nur bei Tamedia, sondern auch in vielen andern Redaktionen.

Stete Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Lange Zeit waren die Medienschaffenden bereit, im Interesse der Qualität, der Information und des Dienstes an der Öffentlichkeit ungewöhnlich lange und zu unregelmässigen Zeiten zu arbeiten. Dazu gehörte aber auch, dass die Verlage den aussergewöhnlichen Einsatz ihrer Mitarbeitenden schätzten und mittels guter, durch einen Gesamtarbeitsvertrag gesicherter Arbeitsbedingungen schützten. Tempi passati: 2014 jährt sich der vertragslose Zustand zum 10. Mal!

Mangelnder Gesamtarbeitsvertrag

Der aktuelle Fall zeigt aus der Sicht von syndicom vor allem auf, wie dringend notwendig es wäre, einen neuen Gesamtarbeitsvertrag für JournalistInnen in der Deutschschweiz und im Tessin auszuhandeln. Die Gewerkschaft fordert die Verleger zum wiederholten Mal zur Rückkehr zu vertragspartnerschaftlichen Regelungen auf.

Forcierte Konvergenz und Sparmassnahmen

Nicht nur der fehlende GAV, auch die vielerorts forciert eingeführte konvergente Arbeitsweise, welche unter dem Strich einer Fusion verschiedener Redaktionen gleichkommt, hat die Arbeitsweise der Medienschaffenden drastisch verändert: die Arbeitsbelastung durch wiederholte Sparmassnahmen und Stellenabbau, übermässige Arbeitszeiten und Tempodruck hat ein Mass angenommen, das für viele JournalistInnen nicht mehr erträglich und gesundheitsgefährdend ist. Und das nicht zuletzt die Qualität der Medien drückt.

Es braucht mehr Stellen

Natürlich dürfen die Anzeige beim Arbeitsinspektorat und die verlangte Arbeitszeiterfassung nicht Selbstzweck sein. Es geht darum, die übermässige Arbeitsbelastung in den Griff zu bekommen: Die Redaktionen müssen wieder mit genügend Stellen dotiert werden, nicht vermeidbare Überstunden sind mit fairen Kompensationsmöglichkeiten und mehr Ferien abzugelten.

Nestlé vor Bundesgericht

nestleIm Mordfall Luciano Romerlo legt das ECCHR Beschwerde beim Bundesgericht ein. Hier das Communique.

Das «European Center for Constitutional and Human Rights» hat mit den Züricher Anwälten Marcel Bosonnet und Florian Wick den Fall des ermordeten Gewerkschafters Luciano Romero vor das Schweizer Bundesgericht gebracht. Sie vertreten die Witwe des kolumbianischen Aktivisten, der für ein Nestlé-Tochterunternehmen gearbeitet hat. Im Dezember 2013 hatte das schweizerische Kantonsgericht Waadt eine Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen abgelehnt.

Das Kantonsgericht bestätigte damit die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass die Tat verjährt sei. Die Staatsanwaltschaft Waadt hatte nach 15 Monaten Untätigkeit entschieden, keine Ermittlungen gegen Manager der Nestlé AG oder das Unternehmen selbst aufzunehmen.
Hierbei verkennt jedoch das Gericht, dass sich die Verjährung im Fall der Strafbarkeit des Unternehmens nicht nach der Tatzeit des Verbrechens richtet. Der Konzern selbst hat noch nichts unternommen, um die fehlerhafte Organisation in dem Unternehmen zu beheben. Dieser sogenannte Organisationsmangel, welcher die Strafbarkeit Nestlés begründet, kann deshalb noch nicht verjährt sein. Das Gericht berücksichtigt hierbei auch nicht die kürzlich verlautbarte Rechtsposition des Schweizer Nationalrates (BBl. 2012 9253, 9271), welche die Auffassung des ECCHR und der Anwälte Bosonnet und Wick unterstützt.

Der Mord an einem weiteren Nestlé-Arbeiter und Gewerkschafter in Kolumbien im November 2013 zeigt deutlich, dass sich an der Haltung des Nestlé-Konzerns zu seinen Gewerkschaftern nichts geändert hat. Entgegen eigener Bekundungen auf der Firmenwebseite und auf Konferenzen hat sich Nestlé offensichtlich immer noch keinen Umgang mit Betriebsangehörigen und Gewerkschaftern angeeignet, der diese nicht in Lebensgefahr bringt. Denn der Ermordung des Gewerkschafters waren erneut Diffamierungen durch das kolumbianische Management von Nestlé vorausgegangen.

ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck kommentiert die Gerichtsentscheidung wie folgt: «Es ist erschütternd, dass die Schweizer Justiz nicht gewillt ist, fundierten Vorwürfen gegen Unternehmen nachzugehen. Es ist jedoch klar, Schweizer Unternehmen tragen – auch strafrechtliche – Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im außereuropäischen Ausland. Wenn das geltende Schweizer Recht es den Opfern derartiger Straftaten nicht ermöglicht, ihre Rechte durchzusetzen, gehört es – ebenso wie die Gesetzbücher anderer europäischer Staaten – reformiert.»

Berlin / Zürich, 9. Januar 2014

Zum Interview mit Marcel Bosonnet aus dem vorwärts vom 21. Dezember 2013 klicke hier

Wir besetzen mit Liebe!

kein_abrissIn der Nacht auf den 3. Januar wurden zwei Fabrikgebäude auf dem Labitzkeareal vor ihrer vorzeitigen Zerstörung gerettet. Wir haben sie besetzt.

Durch unsere Besetzung unterstützen wir den Auszugsboykott einer Mietpartei und solidarisieren uns mit den zahlreichen bereits vom Areal verdrängten ehemaligen Mieter_innen. Ihr Verschwinden ist ein Verlust für Altstetten. Wir wurden Zeug_innen, wie alle Räume, die wir nicht rechtzeitig besetzen konnten, während der Schlüsselübergabe unbenutzbar gemacht wurden: Mit Vorschlaghammer und Pickel wurden sämtliche Fenster und Sanitäranlagen aller ehemaligen Ateliers, Wohnräume und Clubs kaputtgeschlagen.

Die Geld- und Immobilienverwaltungsgesellsch
aft Mobimo AG gedenkt die Baubewilligung für ihr Neubauprojekt auf dem Labitzke-Areal frühestens diesen Frühling einzugeben. Für Abbruch und Altlastensanierung plant sie zehn Monate ein (gemäss Schweiz Aktuell vom 19.12.2013). Sie spekuliert auf die Erteilung der Baubewilligung im Herbst 2014. Das vor kurzem erst präsentierte Projekt soll bis dahin realisierbar sein. Ihr öffentlich kommunizierter Zeitplan entspricht dem unwahrscheinlichen Optimalfall. Die Vorstellung, dass keine Einsprachen und städtische Auflagen anfallen, widerspricht jeglicher demokratischen Logik.

Ein weiteres Mal wird in der Stadt Zürich ein Abriss auf Vorrat im grossen Stil angegangen: Durch Spekulation im Namen der Profitmaximierung wird ein weiterer für eine lebendige Stadt notwendiger Kultur- und Lebensraum mit einem Handstreich vernichtet. Die Mobimo zeigt masslose Gier, wenn sie eine Verschiebung des Baubeginns um wenige Monate als schlimmer empfindet, als dass ein wertvoller und lebensfroher Mikrokosmos so lang wie möglich blühen kann.

Christoph Egli, Immobilienbewirtschafter der Mobimo, „gestattete“ uns, diese „Show“ bis Montag Morgen durchzuziehen und dann zu gehen. Die Mobimo weiss nicht, wovon sie spricht. Die Räume sind unsere Lebensgrundlage, Showbusiness interessiert uns nicht. Nun droht sie über die NZZ, die viel besungene Trachtengruppe Urania zu bemühen, uns mit brachialer Gewalt aus den Gemäuern zu vertreiben. Diese Gewalt kotzt uns an, wir besetzen mit Liebe.

Eure Besetzer_innen