Viva el EZLN

EZLN_XLAm 1. Januar 2014 jährt sich der zapatistische Aufstand in Chiapas, Mexiko zum 20. Mal. Die Soli-Party in Zürich steigt am 1. Januar 2014. Infos dazu hier

Auch in Chiapas war der bewaffnete Aufstand das letzte Mittel, um die Lösung zugespitzter sozialer Probleme zu erzwingen. Der Aufstand der Zapatistas brachte die Misere der indigenen Bevölkerung auf die politische Tagesordnung Mexikos und verlieh „denen, die keine Stimme haben“ eine Stimme. Die Rebellion gegen die quasi-feudalen Zustände in Chiapas, einer Region, and der die mexikanische Revolution (1914-17) spurlos vorüberging, war zugleich ein Aufstand gegen den neoliberalen Kurs der Regierung zu einem Zeitpunkt, als die Anti-Globalisierungsbewegung noch nicht existierte – der Beginn am 1.1.1994 war durchaus symbolisch gewählt: es war der Tag des Inkrafttretens des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA).

Nach 12tägigen Gefechten (die Zapatistas hatten 6 Städte besetzt), zog die EZLN zurück in die Berge und die mexikanische Zivilbevölkerung auf die Strasse. Unter dem Druck von Massenprotesten erklärte die Regierung den Waffenstillstand, der – von der Aufstandsbekämpfung der Regierung („Krieg niedriger Intensität“) abgesehen – bis heute gehalten hat. Dass die Aufstandsbekämpfung nicht so brutale Formen annahm wie in anderen Regionen der Welt, lag einerseits an erfolgreichen Deeskalationstechniken der EZLN (berühmt sind die zapatistischen Frauen, die oft die mexikanische Armee am Vorrücken hinderte) und andererseits an einer permanenten internationalen Präsenz in Form von Menschenrechtsbeobachtern in Chiapas.

Die ELZN erwies sich als „Medienguerillas“ und mobilisierte mit Hilfe des Internets und zahlreicher Kommuniqués die Solidaritätsbewegung. Nach rund zweijährigen Verhandlungen gab es – scheinbar – einen ersten Erfolg: Das Abkommen über „Indigene Rechte und Kultur“ wurde am 16.02.1996 von Regierung und EZLN unterschrieben. Dieses Abkommen würde der indigenen Bevölkerung (in ganz Mexiko !) ein gerüttelt Mass an politischer, kultureller und wirtschaftlicher Autonomie zubilligen. Bei den weiteren Verhandlungen zeigte sich, dass die mexikanische Regierung weder die Absicht hatte, dem unterschriebenen Abkommen Geltung zu verschaffen, noch bei anderen Verhandlungsthemen greifbare Ergebnisse zu erzielen. Von diesen Scheinverhandlungen verabschiedete sich die EZLN im August 1996 und widmete sich der Mobilisierung der Öffentlichkeit, um die Umsetzung des o.g. Abkommens zu erzwingen. Dazu zählt u.a. die Durchführung von zwei landesweiten Volksabstimmungen und schliesslich – im Frühjahr 2001 die Reise der kompletten EZLN-Kommandantur in die Hauptstadt – begeleitet und beschützt von Tausenden Vertretern der Zivilgesellschaft.

Parallel zu diesen Bemühungen arbeiteten die Zapatistas seit Jahren der praktischen Umsetzung ihres Autonomiekonzepts. Sie schufen (bereits Ende 1994) mit der Ausrufung der Autonomen Municipios (Kreise) eine eigene Verwaltungsstruktur, wobei – mit vielen Unzulänglichkeiten behaftet – Schritt für Schritt ein eigenes Schulsystem, eine eigene Gesundheitsversorgung und eine eigene ökonomische Basis aufgebaut wird. Neben der subsistenzwirtschaftlichen Versorgung mit Lebensmitteln ist das vielleicht bekannteste Beispiel der in Deutschland vertriebene „Cafe Libertad“, der von der zapatistischen Kooperative „Mut Vitz“ produziert wird. Im Sommer 2003 zogen die Zapatistas Bilanz, analysierten die Vergangenheit, bekannten öffentlich Fehler und reorganisierten ihre Struktur, indem sie „Räte der guten Regierung“ schufen – fünf basisdemokratisch organisierte Lokalregierungen, die für Regionen von jeweils Tausenden zapatistischen Bewohnern verantwortlich sind.

Auch wenn sie nur noch gelegentlich die von der Presse in Europa beachtet werden – die Zapatistas „gehen fragend“ ihren Weg – so wie sie es in der Zeit, wo linke Projekte Anfang der 90er Jahre totgesagt wurden, immer getan haben, und sie sind auch weiterhin eine Inspiration für die „unorthodoxe“ Linke.

Quelle: chiapas.at

 

Rede der EZLN am 18. August 2013

An die Bevölkerung von Mexiko

An die Bevölkerung der Welt

An die alternativen Medien, die anwesend sind

An den Nationalen Indigenen Kongress

An die Compañeros und Compañeras der Anderen [Kampagne] und der Sechsten [Erklärung aus dem Lakandonischen Regenwald] National und International

Als Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung betrachten wir all das, was in sämtlichen Gegenden unseres mexikanischen Heimatlandes passiert, als unser Anliegen, denn es sind dieselben Probleme, unter denen wir alle leiden, weil uns unsere Mutter Erde, die Luft, das Wasser und die Naturreichtümer geraubt werden.

Aber die schlechten neoliberalen Regierungen und die transnationalen Konzerne herrschen mit ihrem Geld und zwingen uns ihre Projekte des Todes in unseren Territorien auf. Wir als originäre Bevölkerungsgruppen und Eigentümer_innen der natürlichen Ressourcen müssen diese jedoch so gut wie möglich verteidigen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, da es um unsere Mutter Erde geht; durch sie leben wir, durch sie atmen wir.

Die schlechte Regierung und die neoliberalen Unternehmen wollen sich aneignen, was unser ist, und wenn wir es verteidigen, verfolgt sie uns, sperrt uns ein, ermordet uns und klagt uns als Gesetzesbrecher an und verurteilt uns zu vielen Jahren Gefängnis, als wären wir Kriminelle. Im Gegenteil sind sie die tatsächlichen Mörder, Verbrecher und Vaterlandsverräter.

Sie sind frei, als wäre das, was sie uns angetan haben, kein Verbrechen. Sie schützen sich mit ihren Gesetzen. Aus diesem Grunde wollen wir den schlechten Regierenden sagen, dass sie sehr klar verstehen sollen, dass wir als originäre Bevölkerungsgruppen nicht mehr zulassen werden, dass sie uns unsere Mutter Erde und unsere Naturreichtümer wegnehmen.

Wir als Zapatistas kämpfen für unsere 13 Forderungen [1] für die Bevölkerung in Mexiko und wir kämpfen ebenso für eine Autonomie, in der die Bevölkerung bestimmt und die Regierung.

Um all das zu erreichen, ist es notwendig, Bewusstsein, Willenskraft und Opferbereitschaft zu haben und gegen jedwede Aggression Widerstand zu leisten.

Compañeros und Compañeras, Brüder und Schwestern, um die Pläne des Todes abzuwehren, die uns die Neoliberalen aufzwingen, ist es notwendig, sich zu organisieren, unsere Kräfte, unseren Schmerz und unsere Rebellion zu vereinen und für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen.

Aus dem CIDECI [2], San Cristóbal de las Casas, Chiapas, Mexiko.

Das sind unsere Worte. Danke.

Übersetzung: Gruppe B.A.S.T.A. – http://www.gruppe-basta.de

1.] Die ursprünglichen elf Forderungen lauten Arbeit, Land, Unterkunft, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden und wurden später noch um die Forderungen nach freier Information und Kultur erweitert.

2.] CENTRO INDÍGENA DE CAPACITACI«N INTEGRAL »FRAY BARTOLOMÉ DE LAS CASAS« A.C. – http://seminarioscideci.org/

VIDEO-AUFZEICHNUNG: (copyleft, realisiert von Gruppe B.A.S.T.A. & Zwischenzeit e.V.)

 

Quelle: www.chiapas.eu

Ich bin kein Marxist

papa-francescoEr sei kein Marxist, liess der aus Argentinien stammende Papst Franziskus am 15. Dezember in einem Interview in der Sonntagsausgabe der italienischen Tageszeitung «La Stampa» wissen. Er reagierte damit auf Vorwürfe aus rechtskonservativen Kreisen in den USA. Ein US?amerikanischer Radiomoderator hatte nach der Veröffentlichung des jüngsten Apostolischen Sendschreibens «Evangelii gaudium» («Freude des Evangeliums») verbreitet, dass das, was da vom Papst zu hören war, «purer Marxismus» gewesen sei.

In dem Stampa-Interview erklärte Franziskus nun dazu, dass seine Botschaft mit den scharfen kapitalismuskritischen Äusserungen, die nicht nur von konservativen Kirchenkreisen, sondern auch von Vertretern der «Wirtschaft» heftig kritisiert worden waren, in der Soziallehre der katholischen Kirche ihre Grundlage habe. Dass er sich so geäussert habe, mache ihn noch nicht zum Marxisten. Die «Ideologie des Marxismus» sei seiner Ansicht nach «irrig». Doch er fügte auch hinzu: «Ich habe in meinem Leben viele Marxisten getroffen, die gute Menschen waren». Darum fühle er sich durch die gegen ihn geäusserte Kritik «nicht angegriffen». Das Versprechen des Kapitalismus, dass der Reichtum irgendwann auch bei den Armen ankomme, habe sich nicht erfüllt.

Wie aus Kreisen seiner Umgebung aus diesem Anlass mitgeteilt wurde, sei Franziskus zwar nie ein Ultrakonservativer gewesen, aber den Jesuitenpatern in Lateinamerika, die sich von der «Theologie der Befreiung» her marxistischen Ansichten näherten, sei er entschieden entgegengetreten. Anstelle der in den 70er Jahren in Lateinamerika verkündeten «Theologie der Befreiung» habe er eine nichtmarxistische «Theologie des Volkes» verfochten.

In dem Sendschreiben «Evangelii gaudium» hatte der Papst umfangreiche Überlegungen zu einer religiösen und moralischen «Erneuerung» der Kirche in den Mittelpunkt gestellt. Die kritischen Aussagen zu den Missständen des heutigen Wirtschaftssystems waren Teil dieser Modernisierungsbestrebungen. Unter anderem heisst es da wörtlich: «Ebenso wie das Gebot ‹Du sollst nicht töten› eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein ‹Nein zu einer Wirtschaft der Ausschliessung und der Disparität der Einkommen› sagen. Diese Wirtschaft tötet… Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann… Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit. Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen».

Vom marxistischen Standpunkt aus ist es eine Frage von nachgeordneter Bedeutung, ob die Kapitalismuskritik ihre Quelle in der katholischen Soziallehre oder in der marxistischen Gesellschaftsanalyse hat. Entscheidend ist, welche Schlussfolgerungen daraus für das heutige Handeln der Menschen zur Überwindung dieser menschenunwürdigen Zustände gezogen werden und ob sich daraus Möglichkeiten eines stärkeren gemeinsamen Vorgehens von Katholiken mit Kommunisten, Sozialisten und anderen Linken ergeben können

«Die Schweiz ist bis heute den Beweis schuldig geblieben»

11 nestleAm 11. September 2005 wird der kolumbianische Gewerkschaftsaktivist Luciano Romero ermordet. Sieben Jahre -später, am 5. März 2012, hat das «European Center for Constitutional and Human Rights» (ECCHR) zusammen mit der kolumbianischen Gewerkschaft «Sinaltrainal» bei der Staatsanwaltschaft Zug Strafanzeige gegen Nestlé und fünf ihrer Führungsmitglieder eingereicht. Der vorwärts sprach mit Rechtsanwalt Marcel Bosonnet, der in diesem Fall die Witwe des ermordeten Romero vertritt. 

Aus der Printausgabe vom 20.Dezember. Unterstütze uns mit einem Abo. 

Marcel, wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Vor dem Mord an Luciano Romero gab es gefährdende Diffamierungen gegen ihn, die von den lokalen Nestlé-VertreterInnen in Kolumbien ausgingen. Den führenden Mitgliedern von Nestlé wird daher vorgeworfen, nichts zur Unterbindung oder zur -Entschärfung der Drohungen unternommen zu haben. Die Beschuldigten waren unter anderem aufgrund von Schutzübernahmeerklärungen verpflichtet, für die Sicherheit von Luciano Romero zu garantieren. Sollte die strafrechtliche Verantwortung einzelner Unternehmensangehöriger aufgrund mangelnder interner Organisation, Überwachung und Dokumentation innerhalb des Unternehmens nicht nachweisbar sein, so kommt der nach dem Gesetz nachrangige Strafanspruch gegen das Unternehmen selbst gemäss Art. 102 Abs. 1 StGB zum Tragen. Denn die mangelnde individuelle Zurechenbarkeit der strafrechtlichen Verantwortung deutet auf schwere Organisationsmängel innerhalb des Unternehmens hin. Aus diesen Gründen haben wir entschieden, gegen die fünf Führungsmitglieder und gegen Nestlé AG als juristische Person Strafanzeige einzureichen. Nach mehr als einem Jahr, in dem die Staatsanwaltschaft in Zug und dann in Renens keine einzige Untersuchungshandlung vornahmen, verfügte die Staatsanwaltschaft Renens am 1. Mai 2013 – das Datum wurde wohl kaum zufällig gewählt –, eine Nichtanhandnahme der Strafuntersuchung, da beide eingeklagten Delikte inzwischen verjährt seien. Gegen diese Verfügung reichten wir beim Kantonsgericht Waadt eine Beschwerde ein. Wir versuchten darin darzulegen, dass es Pflicht einer Staatsanwaltschaft ist, angezeigte Delikte zu verfolgen und nicht einfach zu warten, bis allenfalls das Delikt verjährt ist. Zudem wiesen wir darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft bei der Klage gegen die Nestlé AG von einem falschen Verständnis der Verjährungsfrist ausging, da ein Organisationsmangel in einem Unternehmen gar nicht verjähren kann solange der Mangel, wie im vorliegenden Fall nachgewiesen, weiterhin anhält. Das Kantonsgericht Waadt hat diese Klage vor kurzer Zeit abgewiesen und mehr oder weniger die Argumentation der Staatsanwaltschaft übernommen. Doch ein negatives Urteil allein ergibt noch keinen verlorenen Prozess. Gegen diesen Entscheid werden wir in den kommenden Tagen beim Bundesgericht Beschwerde einreichen.

Was waren die Beweggründe gegen Nestlé AG zu klagen?

Es gibt verschiedene Gründe gegen die Verantwortlichen bei Nestlé und gegen Nestlé AG als juristische Person eine Strafanzeige einzureichen. Der Fall von Luciano Romero bot sich speziell an, da die Unterlassungen der Nestlé-Verantwortlichen sehr gut und detailliert dokumentiert wurden. Zudem ist auf Folgendes hinzuweisen: Der kolumbianische Richter José Nirio Sanchez hat am 26. November 2007 die unmittelbaren Täter Contreras Puello und Ustariz Acuña – beide aus dem Kreise der Paramilitärs – wegen des Mordes an Romero mit Urteil des 2. Strafgerichts des Bezirks Bogotáu zu  Haftstrafen von bis zu vierzig Jahren verurteilt. Im selben Urteil fordert der Richter die kolum-bianische Staatsanwaltschaft auf, weitere Ermittlungen gegen die Auftraggeber der Mörder zu führen und dabei insbesondere auch die Rolle des Unternehmens Nestlé zu untersuchen. Im Urteil lesen wir dazu: «Es wird angeordnet, beglaubigte Kopien zur Verifizierung der Direktoren der Nestlé-Cicolac zu beschaffen zu dem Zweck, ihre mutmassliche Beteiligung oder Bestimmung der Tötung des Gewerkschaftsführers Luciano Enrique Romero Molina zu untersuchen.»Entgegen dieser klaren Anweisung an die kolumbianische Staatsanwaltschaft sind jedoch seitdem keine entsprechenden Untersuchungen eingeleitet worden. Stattdessen wurde der Richter entlassen. In Kolumbien ist zurzeit offensichtlich eine Strafuntersuchung gegen die Verantwortlichen der Nestlé AG aus politischen Gründen nicht möglich. Dies spiegelt den Zustand andauernder Straflosigkeit von schweren Menschenrechtsver-letzungen in Kolumbien wieder, der von in- und ausländischen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen seit vielen Jahren und bis heute scharf kritisiert wird.

Was sind die Hintergründe der Tat?

Am Nestlé-Standort Valledupar, wo Luciano Romero arbeitete, standen hartnäckige Auseinandersetzungen um eine Kollektivvereinbarung und um Entlassungen von ArbeiterInnen im Vordergrund der Gewerkschaftsarbeit. Diese Auseinandersetzungen gehen einher mit einem Klima der Existenzbedrohung für die Gewerkschaft. Bereits wenige Jahre nach der Gründung der Gewerkschaft «Sinaltrainal» begann eine Serie von Gewalttaten gegen Gewerkschaftsmitglieder in den Nestlé-Fabriken in Valledupar, Bugalagrande und Dosquebradas. Seit 1986 wurden 15 bei Nestlé beschäftigte ArbeiterInnen und Gewerkschaftsmitglieder getötet, zwei überlebten Attentate, fünf weitere mussten ins Exil oder sind innerhalb Kolumbiens vertrieben worden. In keinem dieser Fälle – mit Ausnahme von der Ermordung Luciano Romeros – sind die strafrechtlich Verantwortlichen ermittelt und verurteilt worden. In keinem Fall wurde die Rolle Nestlés ermittelt. Die Tätigkeit der Nestlé in Kolumbien und am Standort Valledupar kann zudem nicht isoliert vom Kontext des bewaffneten Konfliktes in der Region betrachtet werden. Denn die Region Cesar, die sich Nestlé für ihre Ansiedlungen ausgesucht hat, gehört zu den konfliktreichsten Regionen Kolumbiens. Landeigentum ist auf einige wenige GrossgrundbesitzerInnen und ViehzüchterInnen – darunter auch Milchlieferanten für Nestlé – konzentriert. Dies hat zu grossen sozialen Ungleichheiten und Konflikten geführt. Die paramilitärischen Gruppen finanzieren sich in dieser Region durch illegale Geschäfte, illegale Steuern und Schutzgelder, die sie bei den Unternehmern der Region eintreiben. Darüber hinaus sind zahlreiche paramilitärische Führungsfiguren gleichzeitig auch Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes. Daher gibt es traditionell enge Verbindungen zwischen GrossgrundbesitzerInnen und Paramilitärs. Auch im Department Cesar gehörten mehrere Führungsmitglieder der Paramilitärs zu den Geschäftspartnern von Nestlé-Cicolac. Der Paramilitarismus in Kolumbien ist aber nicht nur mit der Privatwirtschaft verflochten, sondern arbeitet auch mit staatlichen Institutionen, insbesondere den Sicherheitskräften und dem Geheimdienst «Departamento Administrativo de Seguridad» (DAS), systematisch zusammen. Ehemalige leitende Angestellte der Nestlé-Cicolac sind zudem heute in der kolumbianischen Regierung tätig.

Welche Schwierigkeiten trefft ihr an? 

Wir waren uns immer bewusst, dass es nicht einfach sein wird, die Verantwortlichen der Nestlé AG strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Dass die Staatsanwaltschaften jedoch nicht einmal eine Strafuntersuchung anordneten, keine einzige Untersuchungshandlung tätigten, obwohl die Straftaten damals selbst nach Ansicht der Staatsanwaltschaften nicht verjährt waren, überrascht gleichwohl. Offensichtlich soll eine strafrechtliche Aufarbeitung mit einer scheinheiligen Argumentation unter allen Umständen verhindert werden. Obwohl wir die juristische Situation in der Schweiz nicht mit derjenigen in Kolumbien vergleichen können, ist in diesem Fall die Schweiz den Beweis bis heute schuldig geblieben, dass es nicht auch hier eine «impunidat» (Straffreiheit) für Nestlé gibt.

Wie muss man sich den juristischen Widerstand von Nestlé vorstellen? Sitzen dir da jeweils die drei bestbezahlten Topanwälte der Welt gegenüber?

Nestlé musste seine Anwälte bisher gar nicht ins Spiel bringen, da die Staatsanwaltschaft gar keine Strafuntersuchung eröffnete und keine Untersuchungshandlungen tätigte. So sahen wir einzelne Vertreter der Anwaltschaft bisher leider erst als schweigsame, aber doch als aufmerksame «incognito-Zuhörer» bei unseren diversen Veranstaltungen in der Schweiz.

Viele werden sich sagen: Gegen Néstle zu klagen, bringt nichts. Die sind zu mächtig!

Wir arbeiten eng mit der kolumbianischen Gewerkschaft «Sinaltrainal» zusammen, für die auch Luciano Romero tätig war. Seit Jahren versucht diese Gewerkschaft fundamentale Rechte der Ar-bei-terIn-nen durchzusetzen. Mit der umfangreichen und detailgenauen Strafanzeige ist es uns gelungen, in einer umfangreichen Strafanzeige die strafrechtliche Verantwortung von einzelnen Nestlé-MitarbeiterInnen aufzuzeigen. Dabei betraten wir auch bewusst strafrechtliches Neuland, indem wir neben den natürlichen Personen auch die Nestlé AG selbst direkt wegen Organisationsmangels einklagten. Zweifellos ist das Strafrecht nicht die einzige Möglichkeit gegen Verbrechen von Multis anzugehen. So sind zum Bespiel in Kolumbien Gewerkschafter in einen -Hungerstreik getreten. Wir sind jedoch ebenfalls der Ansicht, dass die Forderung aufrecht erhalten bleiben muss, dass das Strafrecht auch gegen Verantwortliche von multinationalen Konzernen durchgesetzt werden muss.

Schweizer Imperialismus

tell_chWir Eidgenossen sind reich und mächtig: Die 15 umsatzgrössten Unternehmen in der Schweiz haben im 2010 einen Umsatz von 680’873 Milliarden oder 680 Billionen und 873 Milliarden oder 680’873’000’000’000 Franken erzielt. Im Verhältnis dazu hat die Eidgenossenschaft im selben Jahr läppische 191’916 Milliarden Franken eingenommen – nicht mal ein Drittel der Einnahmen der «Big 15». Die Top 5, das sind der Reihe nach Glencore  (145’000 Mil.), Nestlé (109’722) Trafigura (79’200), Novartis (52’682) und Roche (47’473) erzielten einen Umsatz von 434’077 Milliarden,  64,19 Prozent des Totalumsatz der 15 grössten Unternehmen der Schweiz! Und: Für die «Big 15» arbeiten fast eine Million Menschen verteilt auf der ganzen Welt. Noch Fragen zur Frage, wer die Welt mitregiert?

Wir Eidgenossen sind aber auch ein gebildetes Volk. Wir wissen daher, dass unser Reichtum und Überfluss darauf basiert, dass viele andere bitter arm sind und gar nichts haben. Im Kapitalismus ist es wie im Spielkasino: Wenige gewinnen, weil viele  verlieren und der ganz grosse Profit macht der Besitzer der Spielstätte. Natürlich gehören wir in unserem schönen, fetten Land mitten in Europa zu den «Winners». Die «Loosers» kennen wir auch: Laut der Vereinten Nationen (WFP) leiden rund 870 Millionen Menschen weltweit an Hunger, etwa jeder achte (12 Prozent). Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen an Hunger, was einem Todesfall alle drei Sekunden(!) entspricht. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Während wir am Stück des weihnachtlichen Bratens kauen, um ihn besser zu verdauen, stirbt ein Mensch an Hunger. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Häufig sind Kinder betroffen, jedes vierte ist in Ent-wicklungsländern untergewichtig. Wir wissen es, verdrängen es aber gerne gerade vor Weihnachten, um die bevorstehenden Fress-orgien überhaupt überleben zu können.

Wir wissen es: Die Schweizer Multis sitzen an der Schaltzentrale, sie sind wesentlicher Teil des Gehirns des kapitalistischen Monsters, der unglaubliche, mörderische Missstände auf dieser Welt produziert. Spätestens an dieser Stelle sollten wir Eidgenossen aber auch ein Problem haben?: Wir können nicht behaupten, von nichts gewusst zu haben. Wer in der Nähe von  Zürich, Basel, Vevey, Baar oder Rapperswil-Jona wohnt, also praktisch alle Eidgenossen, der hat die Hauptquartiere der Schweizer Multis, der  Mitverantwortlichen für die vielen Schandtaten auf der Welt als Nachbar. Wir wohnen Tür an Tür mit ihnen und niemand kann daher behaupten, sie nicht gesehen zu haben. Wenn wir sie nicht sehen, dann nur weil wir sie nicht sehen wollen, weil wir lieber wegschauen, weil es bequemer und einfacher ist.

Was kann ich dagegen tun? Sorry, das ist aber nicht die Frage. Wenn unser Nachbar ein Mörder und Halunke ist, dann ist die Frage  nicht «Was kann ich dagegen tun?» sondern ganz einfach?:  «Will ich was dagegen tun?»  Wenn wir uns diese Frage mit Ja beantworten, dann finden sich die verschiedensten Formen und Möglichkeiten, sich aktiv für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt zu engagieren – ja, auch hier bei uns in der Eidgenossenschaft! Vielleicht finden wir zwischen den bevorstehenden Fressorgien zwei Minuten Zeit, um uns die Frage zu stellen, ob wir gegen die Ursachen der perversen Ungerechtigkeit auf dieser Welt was tun wollen. In diesem Sinne frohe Festtage liebe Eidgenossen – und denkt daran: Eins … zwei … gestorben!

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Die «grossen Industriellen»

HolcimVor einem Jahr feierte Holcim, das Schweizer Zementunternehmen von Thomas Schmidheiny, sein 100. Jubiläum. In der Schweiz zählt die Familie Schmidheiny zu den vorbildlichsten Industriellen. Doch ob in Indien, Südafrika, Italien oder in der Schweiz: Das Imperium produziert seit jeher Elend und Tod. Ein Blick hinter die Kulisse der Schmidheiny-Dynastie.

Zum 100. Jubiläum von Holcim zögerten die Medien nicht, den grössten Einzelaktionär des Zementunternehmens, Thomas Schmidheiny, als «grossen Industriellen» zu feiern. Durch seine Aktivitäten habe er die «schweizerischen Traditionen und Werte» über Holcim weltweit verbreitet.

Seit 2005 besitzt Holcim die Mehrheit zweier grosser Zementhersteller in Indien (ACC und Ambuja Cement). Nach China ist Indien der zweitgrösste Zementproduzent weltweit. Der Sektor kennt seit einigen Jahren ein jährliches Wachstum von über elf Prozent. Indien stellt also eines der wichtigsten Investitionsfelder des globalen Kapitals dar – und somit auch des schweizerischen Kapitals.

Die lokale Gewerkschaft «Pragapisheel Cement Shramik Sangh» (PCSS) klagt seit mehreren Jahren diese zwei Unternehmen an, weil sie über die Anstellung von befristeten TemporärarbeiterInnen die indischen Mindeststandards unterschreiten: Bezahlung unter dem Mindestlohn, Zwang zur Ausführung der gefährlichsten Tätigkeiten, ständige Drohungen entlassen zu werden. Über 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten heute unter solchen ausbeuterischen Bedingungen.

Darüber hinaus werden ganze Bevölkerungsgruppen – vor allem Kleinbäuerinnen und -bauern – aus gewissen Regionen vertrieben (zum Beispiel aus dem zentralindischen Staat Chhattisgarh), weil vermehrt natürliche Ressourcen für den Bergbau entdeckt werden. In den nächsten Jahren soll die Zementproduktion in dieser Region von 13,5 auf 100 Millionen Tonnen jährlich steigen. Dafür werden weitere Produktionszentren aufgebaut .?.?.? und weitere Kleinbäuerinnen und -bauern vertrieben. Holcim rechtfertigt solche Arbeits- und Lohnbedingunen damit, dass die Übernahme der indischen Firmen auch die Übernahme von «Traditionen» und «Gewohnheiten» bedeute. Holcim könne diese nicht von einem Tag auf den anderen ändern.

Die Tradition des Kapitals – ob «schweizerischer» oder «indischer» Herkunft – bedeutet schlicht Ausbeutung. Diese löst aber auch immer Widerstand aus. Einerseits von den Kleinbauerinnen- und Kleinbaur, die Holcim direkt verurteilen, sie für die verlorenen landwirtschaftlichen Gebiete nicht entschädigt zu haben, andererseits durch die ArbeiterInnen der Zementfabriken selbst, welche über die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen und TemporärarbeiterInnen einem immensen Arbeitsdruck ausgesetzt sind. Arbeitsunfälle und Tod am Arbeitsplatz gehören zum Alltag der indischen ArbeiterInnen.

Das Asbestimperium der Schmidheinys

Hinter Thomas Schmidheiny und der Holcim AG steht eine der einflussreichsten Unternehmerdynastien der Schweiz. Die rheintaler Familie Schmidheiny bereicherte sich über das Geschäft mit dem hochgiftigen Asbeststaub. Letztes Jahr kam es in Italien zu einem Schuldspruch gegen Stephan Schmidheiny. Der Bruder von Thomas (Holcim) wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt. Er ist mitschuldig, in Italien eine Umweltkatastrophe verursacht und Sicherheitsmassnahmen in den italienischen Eternit-Fabriken absichtlich unterlassen zu haben. Bis heute starben allein in Italien über 3000 Menschen an asbestverursachten Krankheiten. Der Reichtum der Schmidheinys scheint seit jeher auf dem Tod von ArbeiterInnen weltweit zu basieren.

Die Geschichte begann 1920 in Glarus, als Ernst Schmidheiny, Urgrossvater von Thomas und Stephan, Anteile der Eternit-Fabrikationsanlage in Niederurnen aufkaufte. In der Schweiz sind bisher 700 Todesopfer bekannt und weitere werden erwartet. Auch die Asbestopfer von Niederurnen reichten gegen die Schmidheinys eine Strafanzeige ein. Das Bundesgericht entschied jedoch im 2003, das Verfahren aufgrund von Verjährung einzustellen. Es wurde lediglich eine Stiftung mit läppischen 1,25 Millionen Franken Stiftungskapital für Asbestopfer geschaffen.

Zur zweiten Generation der Schmidheinys gehören die jungen Erben Max und Ernst junior. Diese entwickelten intensive Geschäftsbeziehungen zu den Nazis und dem Apartheid-Regime in Südafrika. Während des Weltkrieges belegten sie Sitze im -Aufsichts-rat der «Deutschen Asbestzement AG» (DAZAG), die damals massenhaft ZwangsarbeiterInnen ausbeutete. 1941 expandierten die Schmidheinys auch nach Südafrika, wo sie in enger Zusammenarbeit mit dem Apartheid-Regime das Asbestgeschäft zum Florieren brachten. In den südafrikanischen Asbestmienen der Schmidheinys «spotteten die gesundheitlichen und arbeitshygienischen Umstände bis Anfang der achtziger Jahre jeglicher Beschreibung. (…) Arbeiter, die ohne Schutzvorkehrungen knöcheltief im Asbest wateten; offene, vom Wind verwehte Schutthalden, Berge von Produktionsrückständen in unmittelbarer Nachbarschaft von menschlichen Behausungen und Wasserstellen» (Bilanz 2003). 2002 sollte es auch in Südafrika zu -einer Sammelklage kommen, doch der spätere Bundesrat Hans-Rudolf Merz entschärfte die Situation zugunsten der Schmidheinys. Merz ersetzte seinen Busenfreund Stephan Schmidheiny als VR-Präsident der Anova, welche die Auslandinteressen der Schmidheinys vertrat. Zur Kollaboration mit dem Apartheid-Regime behauptete Merz: «Damals war die Apartheid in der Schweiz kein Thema und niemand hat sie verurteilt. (…) Es gab auch viele Leute, die die Apartheid unter dem Aspekt der Erziehung sahen und nicht der Rasse» (Tagesanzeiger, 8. November 2002). Auf dem Höhepunkt des Eternit-Booms beschäftigten die Schmidheinys weltweit über zehntausend MitarbeiterInnen. Obwohl spätestens seit den frühen Siebzigerjahren wissenschaftlich belegt wurde, dass das Einatmen von Asbeststaub zu Krankheit und Tod führen kann, setzten die Schmidheinys ihre ArbeiterInnen noch lange Jahre dem Risiko aus. Da die Krankheit bis zu 30 Jahre nach dem Kontakt mit Asbest ausbrechen kann, werden zu den tausenden Toten noch viele weitere dazu kommen. So viel zu «schweizerische Traditionen und Werte», die Schmidheiny weltweit verbreitet hat.

Die Sparwut der Kantone

providence_streikIn den Kantonen wird gespart. Am Beispiel des Kantons Bern lässt sich gut zeigen, dass die Leidtragenden davon vorwiegend junge, alte, behinderte, kranke oder sozialhilfebeziehende Menschen sind. Dennoch ist die Bereitschaft zum Widerstand gering. Im Berner Parlament liegen -höchstens ein paar kosmetische Änderungen drin.

Aus der Printausgabe vom 20. Dezember 2014. Unterstütze uns mit einem Abo.

Insgesamt 16 Kantone erwägen für 2014 Sparpakete oder haben diese schon beschlossen. Im Kanton Bern geht es um 491 Millionen Franken, im Kanton Luzern um 220 Millionen, im Kanton Freiburg um 415 Millionen und im Kanton Aargau um weitere 120 Millionen. Als Begründung für die Defizite kommen neben der wirtschaftlichen Lage auch immer wieder die Steuersenkungen. Die Kantone hatten sich in einem Konkurrenzkampf um Hochverdienende ständig mit Steuererleichterungen übertrumpft. Das Ergebnis dieser «Standortvorteile» sind grosse Löcher in den Staatskassen, welche nun nicht etwa mit Steuererhöhungen, sondern vorwiegend mit Sparpaketen gestopft werden sollen.

All diese Sparpakete haben eins gemeinsam: Betroffen sind Staatspersonal, Bildungs- und Sozialbereiche, vor allem Spitäler und Krankenkassenprämienverbilligungen. Die Ausgaben für die Sicherheit werden jedoch kaum angetastet. Dies mag mit ein Grund sein, warum die Bürgerlichen die Sparpakete meist kritiklos durchwinken. Letztlich wird die Sparwut der Kantone von den weniger Privilegierten bezahlt.

Im Kanton Luzern sind unter anderem Schulen und Spitäler betroffen. Dabei wird auch eine Woche Zwangsferien für Schulen und Gymnasien ins Auge gefasst, während der Berufsschüler gerne in ihrem Betrieb arbeiten können. Im Kanton Aargau könnte eine Massnahme die Streichung der Einschulungsklassen sein. Diese unterstützen Kinder, welche zu weit entwickelt für den Kindergarten sind, andererseits den Lernanforderungen der regulären Schule noch nicht gewachsen sind. Der Kanton Bern, wo die Kürzungen vorwiegend den «Service Public» treffen, bietet ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Kürzungen konkret auswirken.

Zu den direkten Leidtragenden zählen auch hier in erster Linie junge, alte, behinderte, kranke oder sozialhilfebeziehende Menschen, denn die Kürzungen treffen hauptsächlich Dienstleistungen, auf die sie angewiesen sind. Dies kommt einer Herabsetzung ihre Existenz gleich. In der Gesundheits- und Fürsorgedirektion fallen in den kommenden drei Jahren 108,3 Millionen Franken und in der Erziehungsdirektion 54,35 Millionen Franken weg. Die dramatische Tragweite einer Annahme des Sparprogramms realisieren allmählich auch die Verbände. Der Spitex-Verband rechnet beispielsweise vor, dass er rund 16 000 Menschen nicht mehr betreuen könnte. Der Verband der Berner Pflege- und Betreuungszentren (VBB) warnt vor dem «Schreckgespenst Mehrbettzimmer», das in Altersheimen zum Alltag würde.

Heftig trifft das Sparpaket auch das Berner Staatspersonal. Durch das Einfrieren des Lohnsummenwachstums soll jeder vierte Franken eingespart werden. Zusätzlich werden über 600 Arbeitsstellen gestrichen. Doch die Zahl der betroffenen Menschen übersteigt diejenige des Staatspersonals und der Menschen, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, bei weitem. Laut Karl Marx entspricht der Lohn im Schnitt dem Wert der Arbeitszeit, die es braucht, damit sich eine Arbeitskraft physisch und psychisch erneuern kann. Das Reproduktionsniveau ist nicht immer und überall gleich. In Ländern wie der Schweiz beinhaltet der Lohn zum Beispiel nicht nur eine ausbezahlte Menge Geld, sondern auch einen «Soziallohn». Damit gemeint sind die Dienstleistungen, die den Lohnabhängigen kostenlos oder gegen einen symbolischen Betrag zur Verfügung stehen und zur sozialen Reproduktion beitragen. Dazu gehören zum Beispiel Bildung, Pflege, Betreuung oder Wohlfahrt. Dass der Regierungsrat das Sparmesser genau hier ansetzen will, kommt daher einem Angriff auf alle Lohnabhängigen gleich.

Angriff auf die Frauen

Die Reduktion des Soziallohnes intensiviert und erneuert zudem sexistische Ausbeutungsverhältnisse. Erstens treffen die Lohnkürzungen und der Stellenabbau vorwiegend weibliches Staatspersonal, welches in den betroffenen Bereichen die Mehrheit der Beschäftigten stellt. Da die Bedürfnisse nach Bildung, Pflege, Betreuung oder Unterstützung mit dem sozialen Kahlschlag nicht verschwinden, verlagert sich zweitens ein Teil der reproduktiven Arbeit vermutlich zurück in die Haushalte. Dort sind es nach wie vor vorwiegend Frauen, die in Tausenden von unbezahlten Arbeitsstunden die Lücken des abgemagerten Sozialstaates kompensieren. Drittens entsteht durch den Rückzug des Staates auch ein wachsender Markt für private AnbieterInnen sozialer Dienstleistungen. Im sogenannten Care-Sektor werden Pflege-, Erziehungs- oder Betreuungsaufgaben nach kapitalistischen Prinzipien organisiert. Reproduktive Tätigkeiten lassen sich allerdings nicht einfach rationalisieren, wie Arbeitsabläufe in einer Fabrik. Reproduktionsarbeit braucht Zeit und lässt keine hohe Wertschöpfung zu. Deshalb sind im Care-Sektor Gewinne nur möglich, wenn die Löhne tief und die Arbeitsverhältnisse prekär gehalten werden. Auch hier trifft es hauptsächlich Frauen, derzeit zunehmend Migrantinnen mit unstabilen Aufenthaltsbewilligungen.

Obwohl im März über 20 000 Angestellte gegen die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lohnbedingungen auf die Strasse gingen, sieht es derzeit nicht danach aus, als ob das Berner Sparpaket auf Widerstand stossen wird. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament weiss, was sie zu gewinnen hat und wird das Sparpaket verteidigen oder sogar ausbauen. Die parlamentarische Linke scheint sich bisher auf kosmetische Änderungsvorschläge beschränken zu wollen. Zusammen mit den etablierten Gewerkschaften, den Personalverbänden und den Betroffenenorganisationen geht es ihr höchstens «um eine faire Umsetzung» der Sparmassnahmen. Die neoliberale Denkweise durchdringt die so genannten RepräsentantInnen der Lohnabhängigen dermassen, dass sie vor einer grundsätzlichen Absage zum Angriff von oben zurückschrecken. Die Frage ist, ob wir das auch tun.

Wir trauern um Nelson Mandela

mandelaDie Partei der Arbeit der Schweiz  (PdAS) nimmt mit grosser Trauer die Nachricht des Todes von Nelson Mandela zur Kenntnis. Mandela war der Leader im Kampf gegen das rassistische, unmenschliche, südafrikanische Apartheidregime. Regime, mit dem die «neutrale»  Schweiz Jahrzehnte lang zusammengearbeitet hat.

Nach 27 Jahren Haft, in denen er von verschiedene europäischen Staaten und Staatschefs (Maggie Thatcher) als «Terrorist» bezeichnet wurde, kam er am 11.Februar 1990 wieder frei und wurde 1994 zum Präsidenten Südafrikas gewählt. Schon vor seiner Verhaftung war Nelson Mandela einer der wichtigsten politischen Führer seines Landes: Als militanter Chef der Jugendliga des ANC baute er den Widerstand gegen das rassistische Apartheidsystem auf.

Mandela wurde mit dem Nobelpreis für  den Frieden geehrt, sowie mit der «Medaille für Verdienste um die Freundschaft der Völker» der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und dem Orden «José Marti» der Republik Kuba. Diese Ehrungen sind Beweise und unterstreichen die pazifistischen, fortschrittlichen und antiimperialistischen Überzeugungen eines Mannes, der schon zu Lebzeiten Weltgeschichte geschrieben hat.

Mandela beschreibt in seiner Autobiographie «Der Lage Weg zur Freiheit» seinen Kampf mit den folgenden Worten: «Ich habe gegen die weisse Vorherrschaft gekämpft und ich habe gegen die schwarze Vorherrschaft gekämpft. Mein teuerstes Ideal ist eine freie und demokratische Gesellschaft, in der alle in Harmonie mit gleichen Chancen leben können. Ich hoffe, lange genug zu leben, um dies zu erreichen. Doch wenn dies notwendig ist, ist dies ein Ideal, für das ich zu sterben bereit bin.»

Mandela war, ist und bleibt Hoffnungsträger  und Vorbild für viele Menschen in Südafrika, auf dem ganzen afrikanischen Kontinent und auf der ganzen Welt!

 Partei der Arbeit der Schweiz
6. Dezember 2013