Die Cindy-Belegschaft im Warnstreik

Seit heute Morgen stehen die Kunden des Cindy’s Diner an der Steinenstrasse in Basel vor geschlossenen Türen. Das Personal ist in einen Warnstreik getreten, da der Mövenpick-Konzern nach wie vor von einem Sozialplan absehen will. «Wir bleiben hier bis auf unsere Forderungen eingegangen wird», sagt die junge Angestellte, die seit 6 Uhr morgens für ein faires Ende von Cindy’s Diner kämpft.

Gestern Nachmittag haben die Angestellten des stadtbekannten Fast-Food-Restaurants an der Personalversammlung einstimmig einen Streikbeschluss gefasst. Heute Morgen stehen sie zusammen mit den Gewerkschaftssekretären der Unia vor dem Eingang des Cindy’s. «Eine Massnahme, zu der sich das Personal zusammen mit der Unia gezwungen sieht, da sich der Mövenpick-Konzern bisher nicht an den Verhandlungstisch setzen wollte und weiterhin auf stur schaltet», schreibt die Gewerkschaft in ihrer Medienmitteilung. So verteilen jetzt die Angestellten des Cindy’s Flyer statt Hamburger und sammeln weiter Unterschriften für die Petition, welche einen Soziaplan vorsieht. «1500 Unterschriften haben wir bereits, die einen anständigen Sozialplan für die Angestellten des Cindy’s fordern», sagt Roman Künzler, Gewerkschaftssekretär der Unia, «Und es werden stündlich mehr», fügt er hinzu.

Mövenpick unter Druck

Trotz der breiten Unterstützung aus der Basler Bevölkerung und dem kämpferischen Engagement der Cindy-Belegschaft, ist der Grosskonzern Mövenpick bisher hart geblieben. Er hat allen 21 Angestellten auf Ende März gekündigt und ihnen nur sieben Tage Zeit gelassen, um eine Massenentlassung zu verhindern. Eine Frist, die zu kurz ist und gegen das geltende Gesetz verstösst. Auch bei den sechs Filialen, die alleine in Zürich in den letzten zwei Jahren geschlossen wurden, missachtete Mövenpick die Konsultationsfristen systematisch, arbeitete keinen Sozialplan aus und kümmerte sich nicht um die soziale Verantwortung.

Der humanitäre Notstand der EU

Seit dem Sturz des tunesischen Regimes fliehen Tausende von Menschen auf die italienische Insel Lampedusa. Um dem Flüchtlingsstrom zu begegnen, forderte Italien die Hilfe der EU. Heute findet ein „Europäischer Polizeikongress“ statt, auf dem auch der Direktor der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Ilkka Laitinen, erwartet wird. Dabei sind die Fronten schon klar gezogen.

Die Vergangenheit: Ein Pakt zwischen Teufeln

In Zeiten, da die tunesische Diktatur unter Ben Ali noch bestand, schien für die EU alles gut. Italien hatte mit dem Regime ein Abkommen über die „Flüchtlingsabwehr“ geschlossen. Der Flüchtlingsstrom versiegte, denn die tunesische Regierung liess die Seewege mit Patrouilleschiffen bewachen und sagte zu, Flüchtlinge wieder ins eigene Land aufzunehmen. Da man mit Staaten wie Lybien und Ägypten ähnliche Verträge geschlossen hatte, war der Erfolg einschneidend: Innerhalb eines Jahres sank die Zahl der Flüchtlinge, die auf der italienischen Insel Lampedusa landeten, von 20.000 auf gut 400. Auch in dieser Hinsicht dienten die Diktaturen im arabischen Raum also zur Erhaltung von EU-Interessen.

Die Gegenwart: Vom „humanitären Notstand“

Nach dem Sturz der tunesischen Diktatur – nun wohl bitter bedauert vom EU-Personal – wurden die Verträge nicht weiter eingehalten. Man weigerte sich, Flüchtlinge ins eigene Land zurückzuführen und auch die Kontrolle der Fluchtwege wurde kaum mehr betrieben. So kamen, vom Mittwoch bis zum Sonntag letzter Woche, etwa 5.000 Flüchtlinge aus Tunesien in Italien an. Daraufhin erklärte Italien den „humanitären Notstand“. Dieser besteht in der Tat: Da man sich weigert, die Flüchtlinge ins Landesinnere zu lassen, sind die Notunterkünfte Lampedusas hoffnungslos überfüllt. So hat der Präfekt von Palermo, unter dessen Zuständigkeitsbereich Lampedusa gehört, „Sondervollmachten“ bekommen und der Zivilschutz wurde eingeschaltet. Damit nicht genug: Italien wollte sogar eigene Soldaten in Tunesien stationieren, um der Flüchtlinge Herr zu werden. Dieses Vorgehen wurde aber von Tunesien scharf zurückgewiesen.

Die Zukunft: Die Schotten dicht machen?

Inzwischen scheint die neue tunesische Regierung dem Druck nachgegeben zu haben. Gestern berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tunesiens, dass bereits möglichst viele Fluchtwege blockiert worden seien. Darüber hinaus trifft sich heute in Berlin der EU-Polizeikongress. Auf diesem wird auch der Direktor von Frontex, der europäischen Grenzschutzagentur, erwartet. Vor dem Treffen zeichnen sich die Fronten bereits klar ab: Die bürgerlich-rechten Parteien, insbesondere die deutsche CDU/CSU pocht auf eine Ausweitung der Befugnisse von Frontex, damit Flüchtlingswellen schon auf dem Seeweg abgefangen werden können. Auch im Gespräch: Besonders „fahrlässige“ Staaten (will heissen: Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen) sollen aus dem Schengen-Verbund ausgeschlossen werden. Dies fordert etwa der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Die Argumentation spricht eine deutliche Sprache: Es sei „nicht Aufgabe des Asylrechts, Wirtschaftsmigranten in die EU zu lassen“. Schon erstaunlich, wie man in der Rechten in jedem Menschen einen potentiellen Attentäter auf den eigenen Wohlstand sehen kann…

Rechtsextreme im Netz: Eine Gefahr?

Am vergangenen Freitag, dem 11.2. , hörten ca. 25 Personen den Schilderungen von Michael Weiss zu. Dieser war aus Berlin angereist, um die Erkenntnisse des „Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums“ (Apabiz) über die Aktivitäten Rechtsextremer in Social Networks mit Interessierten zu teilen. Organisiert wurde der Abend von der Antifa Bern in den Räumen der Reitschule.

Die schwierige Einteilung des Rechtsextremismus

Das Apabiz, gegründet in den 80ern, sammelt seit Jahren Daten über die rechte Szene und versucht sich an einer Bewertung. So konnte Michael Weiss denn auch erschreckende Zahlen nennen, die auf empirischen Studien beruhen: zwischen 5 und 10% der deutschen Bevölkerung besitzen ein Gedankengut, dass als faschistisch einzuordnen ist. Ausserdem sind bereits 4% aller 15jährigen in rechten Vereinen, Kameradschaften oder Parteien anzutreffen. Was prozentual als vernachlässigbar erscheint, geht, in absoluten Zahlen gesehen, in die Millionen. Und diese Zahlen dürften nicht nur auf die deutsche Bevölkerung zutreffen.

Dabei fällt die Einteilung der „Rechten“ schwer. Man kann drei grobe Kategorien ziehen: die „Aktivist(Inn)en“, die sich selbst als Nazis begreifen und in Parteien organisiert oder auf Aufmärschen anzutreffen sind; die „Nachbarschafts-Nazis“, die sich selbst gar nicht als rechtsextrem empfinden, deren Meinungen aber eine faschistische Grundhaltung widerspiegeln; die Personen (meist Jugendliche), die sich selbst nicht als Nazis sehen, in den meisten Fällen auch kein direkt faschistisches Gedankengut haben, aber im Kontakt mit Faschisten stehen und auf rechte „Kulturveranstaltungen“ gehen. Schwer ist die Einteilung in diese Kategorien, weil insbesondere der letzte Typ kaum fassbar ist. Die Grenzen verfliessen und die Frage, wo eigene faschistische Haltung beginnt und Mitläufertum endet, ist oftmals nur subjektiv beantwortbar. Interessanterweise ist es gerade durch Facebook und ähnliche Social Networks möglich, eine genauere Studie über den jetzigen Rechtsextremismus anzustellen.

Nazis im Netz: Von Unsichtbaren und Provokateuren

Jeder kennt Facebook: Millionen nutzen es, die meisten davon unbedacht. Durch Facebook und Co ist es möglich, eine Flut von Informationen über das Individuum zu erhalten. Auch Neonazis machen da keine Ausnahme. Die Untersuchungen des Apabiz lassen eine Einteilung in zwei Sorten von Neonazis im Netz zu: die ersten, die man als „bekennende Nazis“ bezeichnen könnte, die mit offen faschistischen Bildern, Texten und Liedern prahlen; die anderen, die vermeiden, einen Bezug zu ihren faschistischen Aktivitäten und Meinungen auf ihrer Facebook-Seite herzustellen, die aber durch ihre Freunde enttarnt werden. Was in diesem Zusammenhang auffällig und besorgniserregend ist, ist folgendes: Auf den Seiten der „bekennenden Nazis“ lassen sich, neben Kommentaren anderer Rechter, auch Freundschaftsanfragen, Gästebucheinträge und Kommentare „normaler“ Menschen finden. Das deutet darauf hin, dass das Vorhandensein einer faschistischen Meinung / faschistischer Propaganda bereits als normal hingenommen wird. Teils nimmt dieses Verhalten auch kuriose Blüten an: Da gratuliert die Mutter im Gästebuch zum Geburtstag, über ihr die Freunde aus der Kameradschaft, die Hitlerbilder schicken und daneben der Bruder, der gleichzeitig auch in der Facebook-Gruppe „Kein Bock auf Nazis“ ist.

Stellt virtuelle Präsenz eine wirkliche Gefahr dar?

Die Frage, die sich aus faschistischen Gruppen mit teils 10.000 Mitgliedern ergibt, ist einfach: Stellt die Präsenz der Faschisten im Netz eine wirkliche Gefahr da und führt die Online-Aktivität der Neonazis zu mehr Nazi-Aktivitäten auf der Strasse? Glücklicherweise deuten die Beobachtungen des Apabiz nicht in diese Richtung. In den Gegenden, in denen die Neonazis besonders aktiv im Netz waren, konnte keine erhöhte rechte Aktivität auf der Strasse gemessen werden. Umgekehrt: Dort, wo die Nazis besonders stark in der Gesellschaft verankert sind und bereits (reale!) Strukturen geschaffen haben, sind sie im Netz geradezu unterrepräsentiert. Dies scheint sich durch den Aufbau der Social Networks erklären zu lassen. In ihnen ist es extrem leicht, eine grosse Masse von Menschen zu erreichen. Jeder Eintritt in eine Gruppe erfordert nur einen Mausklick, Einladungen sind ebenso schnell verschickt. Die dialektische Kehrseite dieser Einfachheit ist die Schwäche der Bindungen, die so aufgebaut werden. Eine Nazi-Gruppe kann schnell Tausende von Mitgliedern bekommen, dies aber nur, weil die Schwelle einzutreten so gering ist. Hingegen ist die Mobilisierung einer solchen Gruppe (dahin, dass sie etwa einen Aufmarsch organisiert) mit der enormen Erhöhung der Hemmschwelle verbunden: Nur die Wenigsten sind dazu bereit. So sammeln sich Nazis zwar leicht Massen, aber eben Massen von Unüberzeugten, die nicht lange darüber nachdenken, ob oder nicht sie einer Gruppe beitreten.

Während also die Rekrutierung neuer, aktiver Personen in die Naziszene durch Facebook kaum stattfindet, scheint es andere Gefahren zu geben. Die Taktik der Antifa, die auf der Isolierung von Rechtsextremen beruht, wird durch Facebook enorm erschwert. Social Networks liefern die Möglichkeit, sich mit der „Szene“ verbunden zu fühlen. Und dies auch dann, wenn man in seinem Ort eigentlich der einzige ist, der die rechte Meinung vertritt. So wird eine Strategie, die auf die Zerrüttung dieser Verbundenheit basiert, konterkariert. Auch eine zweite Gefahr zeichnet sich deutlich ab: Durch das Vorhandensein rechtsextremer Propaganda in Social Networks besteht immer die Chance, dass rechte Parolen, Bilder und letztlich Meinungen sich langsam und schleichend normalisieren. Es scheint schwer, die Öffentlichkeit für Faschismus zu sensibilisieren, wenn sie tagtäglich von faschistischer Propaganda umgeben ist. Besonders heimtückisch ist dies, weil sich eine derartige Propaganda nicht immer als solche zu erkennen gibt und so als „selbstverständlich“ hingenommen werden kann.

Antifaschistisch entgegenwirken?

Wie man dem Auftreten der Rechten im Netz entgegentreten soll, ist umstritten. Michael Weiss gab zu verstehen, dass bereits die Abschätzung der Gefahren schwer fällt, was durchaus verständlich ist. Eine Möglichkeit den Rechten zu begegnen, wird von den Benutzern der Social Networks erprobt. So gibt es etwa eine „Virtuelle Lichterkette“ (eine eigens gegründete Gruppe), die bereits mehrere Hunderttausend Mitglieder hat und den Facebook-Anbieter dazu bringen will, die NPD-Seite zu löschen. Allerdings scheint es auch hier fraglich, wie viel Überzeugung tatsächlich hinter jedem der Gruppenmitglieder steckt und inwieweit eine Löschung von Inhalten wirklich nützlich ist. Da die Möglichkeit der Wiederanmeldung besteht, scheint man sich einer Sisyphos‘ Aufgabe zu hinzugeben.

Eine andere Möglichkeit wäre das Infiltrieren rechter Gruppierungen durch Antifaschisten. Der Nachteil ist jedoch offensichtlich: Es würde eine enorme Arbeit bedeuten und, vielleicht noch schlimmer, wohl auch die Aufgabe der eigenen Anonymität. In Anbetracht dieser Perspektiven muss überlegt werden, ob die Antwort auf Rechte im Netz tatsächlich auch im Netz stattfinden soll. Denkbar ist es nämlich ebenso, dass die antifaschistische Arbeit sich weiterhin auf die Strasse, auf die direkte Aufklärung der Menschen vor Ort, konzentriert. So gesehen: Wenn die Antifa ihre Aufgabe in der Realität erfüllt, dann sei den Nazis das Netz geschenkt – es wird ein trostloser Ort für sie.

Mubaraks Ende

Nach einem chaotischen Tag trat der ägyptische Präsident Mubarak gestern von allen Ämtern zurück. Damit wurde die drängenste Forderung der Millionen Demonstranten erfüllt. An die Stelle Mubaraks tritt ein Militärrat, der die Regierungsgeschäfte übernehmen und den Übergang zu Neuwahlen regeln soll.

Der Tag, an dem Mubarak ging

Noch am Donnerstagabend  verkündete Mubarak, er selbst werde den Übergang zu einer neuen Regierung leiten. Daraufhin folgte ein Tag, an dem sich die Ereignisse überschlugen. Das Militär, das verkündet hatte, alle Forderungen des Volkes würden erfüllt, gab am Freitagmorgen bekannt, es würde Mubarak unterstützen. Während die Proteste weiter anhielten und sich Demonstranten auch vor Regierungsgebäuden und Medienanstalten sammelten, riegelte das Militär ganze Bezirke ab, teilweise sogar mit Stacheldraht. Dann kam die nächste grosse Nachricht des Tages: Mubarak verliess Kairo und wurde per Helikopter zum Badeort Sharm el Sheik ausgeflogen. Am Abend verkündete Vizepräsident Suleiman dann, dass Mubarak zurückgetreten sei und dass ein Militärrat die anstehende Übergangsphase zu freien Wahlen regeln werde.

Jubel im ganzen Land

Die Nachricht von Mubaraks Rücktritt löste flächendeckenden Jubel aus. Die 30 Sekunden, die Suleiman sprach um den Regierungswechsel zu verkünden, genügten, um ein ganzes Land in Euphorie zu versetzen. Nach 18 Tagen, die die Demonstrationen anhielten, wurde nun also die Hauptforderung der Menschen in Ägypten erfüllt. Der Rücktritt Mubaraks wurde als Zeichen gewertet, dem Willen des Volkes endlich zu entsprechen. Heute normalisierten sich die Zustände in Ägypten langsam: Zivilisten und Militär arbeiteten gemeinsam daran, die errichteten Barrikaden zu demontieren.

Hussein Tantawi neben Robert GatesDemokratie durch das Militär?

Nun liegt die weitere Gestaltung der Ereignisse in Ägypten beim Militär. Die Spitze des Militärrates, der jetzt Ägypten regiert, bildet Hussein Tantawi. Er ist Feldmarschall, Oberkommandierender der Streitkräfte und war Verteidigungsminister unter Mubarak. Angekündigt wurde die Aufhebung des Ausnahmezustandes und die Abhaltung freier Wahlen. Dabei erklärte ein Militärsprecher, dass „die Armee eine legitime zivile Regierung nicht auf Dauer ersetzen werde“.

Diese Entwicklung der Ereignisse ist schwer zu beurteilen. Einerseits kann der Rücktritt Mubaraks nur als Erfolg der Volksbewegung gewertet werden. Andererseits macht die Übergabe der Regierungsgewalt an einen Militärrat misstrauisch. Das Militär trat in der gesamten Zeit der Proteste als dritte Macht in Ägypten, neben Mubaraks Administration und den Demonstranten, auf. Es ist unklar, wessen Interessen nun vertreten werden. Die ägyptische Armee ist eine Wehrpflichtarmee; die meisten ihrer Angehörigen und niederen Offiziere haben durchaus Sympathie mit den Demonstranten bekundet. Die Generalität und oberste Leitung der Armee stellt jedoch eine eigene Klasse dar: Sie ist es, die durch das Regime Mubaraks profitierte und sowohl Macht wie auch Villen zu verteidigen hat. Dass sich derlei Privilegien am besten in der Diktatur sichern lassen, ist eine alte Binsenweisheit und es verwundert deshalb auch nicht, dass Hussein Tantawi zu den engen Vertrauten Mubaraks gerechnet wird. Ob das Militär seinen Ankündigungen nach freien Wahlen und Abgabe der eigenen Macht also Taten folgen lassen wird, ist mehr als unklar. Immerhin: Das ägyptische Volk hat seine Entschlossenheit im Kampf gegen Despoten glorreich bewiesen.

Ägypten: Revolution oder Militärputsch?

In seiner mit Spannung erwarteten Rede enttäuschte Präsident Mubarak gestern seine Bevölkerung: Er erklärte, dass er selbst den Übergang zu einer neuen Regierung leiten werde, dass er weiterhin im Amt bleibe. Damit schürt Mubarak den Zorn seines Volkes, welches seinen sofortigen Rücktritt erwartet hatte. Für den heutigen Tag sind sowohl Demonstrationen im ganzen Land wie auch eine Ansprache der Militärführung angekündigt.

Die Enttäuschung der Massen

Mit seiner Weigerung zurückzutreten, könnte Mubarak ungeahnte Entwicklungen in Gang gesetzt haben. Weitere Demonstrationen sind angekündigt und es werden bis zu 2 Millionen (!) Demonstranten im ganzen Land erwartet. Dabei wurde gestern eine Enttäuschung spürbar, die durchaus in Wut umschlagen könnte. Es mag Mubaraks letzte Chance gewesen sein, friedlich und sebstbestimmt sein Amt zu verlassen. Allein die Masse der Demonstranten gibt ihnen die Machtmittel in die Hand, die Herrschaft Mubaraks und seiner Schergen endgültig zu beenden. Ihre Forderungen nach einer neuen Verfassung, nach Mubaraks sofortigem Abtritt und Neuwahlen innerhalb von 60Tagen wurden bislang nicht erfüllt, wurden allenfalls verlacht. Vielleicht ist dies also der Tag, da die Massenproteste in eine wirkliche Revolution umschlagen.

Die unbestimmte Grösse: Das Militär

Neben Mubarak mit seiner Regierung und den Demonstranten gibt es noch eine dritte Macht in Ägypten: das Militär. Im Verlauf der letzten Tage wurde immer deutlicher, dass das ägyptische Militär einen Staat im Staat darstellt. Bislang war dies den Demonstranten von grossem Nutzen, denn stünde das Militär auf Mubaraks Seite, wären blutige Gefechte wahrscheinlich gewesen. Nun aber wird das Militär zu einer unbestimmten Grösse in Ägypten. Auch das Militär verfügt über Machtmittel in Form von Truppenstärke und Waffen und niemand weiss, wie es sich nun positionieren wird. Gestern verkündete ein Militärsprecher, dass „alle Forderungen des Volkes erfüllt werden“. Daraufhin hoffte man, dass Mubarak in seiner Ansprache seinen Rücktritt erklären werde. Nachdem dies nicht geschehen ist, hat das Militär ebenfalls eine Ansprache für diesen Morgen angesetzt.

Denkbar ist, dass das Militär Mubarak seines Amts enthebt. Also ein Militärputsch. In diesem Fall wäre eine Militärherrschaft zu befürchten. Denn eines ist auch klar: Das Militär hat ganz eigene Interessen, die sich kaum mit denen des Volkes decken dürften. Bei freien Wahlen, die unter Umständen die Muslimbrüder begünstigen würden, hätte das Militär einiges zu verlieren. Es ist also unwahrscheinlich, dass das Militär den demokratischen Prozess befördern wird. Damit befindet sich Ägypten in einer kritischen Lage: Revolution und Militärputsch erscheinen gleichsam wahrscheinlich, schliessen sich aber gegenseitig aus.

13 Millionen Hektar Wald abgeholz

Die massive Entwaldung der indonesischen Insel Sumatra beeinflusst messbar den Klimawandel. Abgeholzt wird hauptsächlich für Papier und Zellstoff und die Umwandlung in Palmöl-Plantagen. Europa zählt zu den Hauptabnehmern der Produkte, die aus diesen  Rohstoffen hergestellt werden.

Nach WWF-Analysen hat der Waldverlust zwischen 1985 und 2008 mit etwa 7,5 Gigatonnen CO2-Emissionen zu Buche geschlagen. Dies entspricht etwa 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, die in den 1990er Jahren durch Änderungen in der Landnutzung entstanden sind.

Die Abholzung, Trockenlegung und Brandrodung von Torfmoorwäldern hat zwischen 1990 und 2002 zusätzlich geschätzte 1,1 Gigatonnen CO2 jährlich verursacht. Sumatra hat seit 1985 die Hälfte seiner Tropenwälder verloren, über 13 Millionen Hektar.

„Sumatra war einmal ein grünes, tropisches Paradies. Das ist vorbei”, sagt WWF-Experte Markus Radday. Statt dichten Waldes mit bunter Artenvielfalt beherrschen Ölpalmen und Akazien die Insel. Abgeholzt wird hauptsächlich für Papier und Zellstoff und die Umwandlung in Palmöl-Plantagen. Europa zählt zu den Hauptabnehmern der Produkte, die aus diesen  Rohstoffen hergestellt werden. Besonderen Anteil an der Waldzerstörung haben zwei Papier- und Zellstoffgiganten: die Firmen Asia Pulp & Paper (APP) und Asia Pacific Resources International Holdings (APRIL).

„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“, so Markus Radday. „Zuerst trifft der Kahlschlag die Menschen, Tiere und Ökosysteme vor Ort. Früher oder später aber spüren wir ihn alle.“ Jetzt komme es darauf an, den Kahlschlag zu stoppen, die verbliebenen Wälder zu erhalten und mit Aufforstungen den Schaden zu begrenzen.

Wälder sind gigantische Kohlenstoffspeicher, besonders tropische, die im Vergleich zu anderen Wäldern doppelt so viel des Klimagases speichern können. Tropenwälder wirken darüber hinaus kühlend auf das Weltklima. „Intakte Wälder sind ein wichtiges Bollwerk gegen den Klimawandel“, sagt WWF-Experte Radday  Deshalb sei es wichtig, im Rahmen eines künftigen Klimaabkommens dem in den Wäldern gebundenen Kohlenstoff einen finanziellen Wert zu geben.

Damit liessen sich auch die berühmtesten Bewohner der sechstgrössten Insel der Erde retten: Orang-Utan, Sumatra-Elefanten, -Tiger und -Nashorn. Höchstens 2.800 Exemplare des Sumatra-Elefanten durchstreifen die Insel noch – 1985 waren es doppelt so viele. Der Bestand der heute maximal 7.000 Sumatra Orang-Utans wurde seither ebenfalls halbiert. Das Sumatra-Nashorn, von dem 1991 noch785 Tiere gezählt wurden, schafft es heute auf höchstens 200 Individuen. Von den 1.000 Sumatra-Tigern, die vor 30 Jahren auf der Insel heimisch waren, leben derzeit allenfalls noch 679 Exemplare.

Quelle: tierschutznews.ch

Repression gegen das Personal

Der Milliardenkonzern Marché International will das Fast-Food-Restaurant Cindy’s in Basel per Ende März schliessen. Die Angestellten fordern mit einer Petition einen Sozialplan. Der zur Mövenpick-Gruppe gehörende Konzern reagiert mit Repression. Er  liess die Petitionsbögen beschlagnahmen und verbot der Belegschaft den Kontakt zu den Gewerkschaftssekretären der Unia.

Die Situation im Basler «Cindy’s» spitzt sich zu: Von ihrer auf Ende März geplanten Entlassung mussten die Mitarbeitenden aus der Zeitung erfahren. Seither kämpfen sie für einen anständigen Sozialplan. Der verantwortliche Konzern Marché International schaltet jedoch auf stur. Ein Brief der Belegschaft an die Geschäftsleitung ist bis jetzt unbeantwortet geblieben. Gestern liess das Management im Cindy’s sogar Petitionsbögen beschlagnahmen, mit welchen die Belegschaft für einen Sozialplan kämpft. Den Angestellten wurde zudem untersagt, während der Arbeitszeit mit ihrer Gewerkschaft Unia in Kontakt zu treten. Und heute Nachmittag drohte das Management Unia-Vertretern sogar mit Hausverbot und polizeilicher Räumung.

Diese massive Repression sagt viel über die Betriebskultur des Grosskonzerns aus: „Der Konzern wird mit quasi feudalistischen Unterdrückungsmethoden geführt. Das ist die Handschrift des milliardenschweren Mövenpick-Hauptaktionärs und Financiers deutscher Rechts-Parteien, Baron August von Finck“, sagt Toya Krummenacher, Leiterin Sektor Tertiär der Unia Nordwestschweiz.

Die 21 Angestellten des Cindy’s lassen sich aber nicht einschüchtern. Sie kämpfen weiter für einen fairen Sozialplan und führen die Unterschriftensammlung fort – nun halt auf der Strasse vor dem Restaurant und im Internet. Die Petition, die bei der Kundschaft auf viel Sympathie stösst, steht auf der Unia-Website zum Download bereit.

Petition unterschreiben unter: http://unia.ch/Online-Petition.5303.0.html

50000 für eine bessere Welt

Am 6. Februar wurde das Weltsozialforum in Dakar mit einer beeindruckenden Karawane eröffnet. Die Karawane war mit 50.000 Teilnehmern eine friedliche, bunte, musikalische und lebendige Demonstration für eine bessere Welt.

Vertreter vieler verschiedener Organisationen aus aller Welt sind nach Dakar gekommen. Besonders stark vertreten sind afrikanische Bewegungen, die für ihr Recht auf Unabhängigkeit, Frauenrechte und Lösungen ökologischer wie ökonomischer Missstände und für ein würdiges Leben eintreten.

Auf diesem WSF muss man schon unterscheiden zwischen Schwerpunkten und Themenvielfalt. Es gibt drei strategische Achsen: Die theoretische Vertiefung von Kapitalismuskritik, deren praktische Umsetzung und schliesslich die Entwicklung von Alternativen zum bestehenden System. Daran anschliessend gibt es 12 Arbeitsachsen, denen sich die einzelnen Veranstaltungen zuordnen lassen. Der eigentliche – oder besser – der quantitative Schwerpunkt der Themen wird durch die konkreten Probleme und Lebensumstände der AfrikanerInnen gesetzt: Nahrungsmittelknappheit, landlose Bauern, traditionelle Fischer in aussichtsloser Konkurrenz zum industrialisierten Fischfang der grossen Konzerne, etc. waren solche Themen auf den Spruchbändern in der Demonstration wie jetzt in zahlreichen Workshops. Die „grossen“ politischen Schwerpunkte werden von Organisationen wie etwa attac formuliert, die auf ihrem Demonstrationstransparent forderten „für eine solidarische, ökologische und sozial gerechte Welt“. Natürlich wird die Finanz- und Wirtschaftskrise vielfältig thematisiert. Mehr noch als auf früheren Weltsozialforen wird aber immer wieder die Frage nach Alternativen gestellt. Die Kapitalismuskritik ist schärfer und prononcierter und häufig verbunden mit der Forderung nach einer nachkapitalistischen solidarischen Gesellschaft.

Die Stimmung ist – insbesondere für Europäer – überwältigend wegen des Temperaments und der bunten Vielfalt der AfrikanerInnen und insbesondere der Farbenpracht der Afrikanerinnen. Unter diesen TeilnehmerInnen ist ganz deutlich eine optimistische Aufbruchstimmung zu spüren. Diese Gesamtstimmung wird nicht getrübt durch die komplizierten Diskussionen unter der Gründergeneration der Sozialforumsbewegung über die Zukunft des WSF und seine Effektivität im Angesicht der weltweiten sozialen Kämpfe gegen die Krisenfolgen. Mit dem Beschluss der Versammlung der Sozialen Bewegungen, im März einen Tag der Solidarität mit der Revolution in den nordafrikanischen Länden und im Oktober einen weltweiten Aktionstag im Kampf gegen Verschuldung und die bedrückenden „Sparpakete“ zu veranstalten, hat dieses ESF in Dakar auch seine praktische Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Die revolutionäre Entwicklung in der arabischen Welt wird mit Begeisterung und leidenschaftlichen Solidaritätsbekundungen aufgenommen. Dazu gehörten spontane Kundgebungen während der Eröffnungsdemonstration ebenso wie eine eindrucksvolle Solidaritätsdemonstration heute mit vielen tausend Teilnehmern durch das Stadtzentrum von Dakar. Dass der Funke gezündet hat, belegen zahlreiche Rufe während dieser Kundgebungen „Wade weg!“, mit denen der Rücktritt des patriarchalischen senegalesischen Präsidenten verlangt wurde. Natürlich gab es auch Workshops zu diesem Thema, auf denen unter anderen der Sprecher von attac Tunesien, Fathi Chamkhi, über die Situation und die Perspektiven des Landes berichtete.

Hugo Braun, Dakar. Quelle: kommunisten.de

Und jetzt Algerien

Bei den Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise in Algerien wurden drei Menschen getötet und 826 weitere verletzt, 763 davon Polizisten. In Ägypten scheinen die letzten Stunden von Mubarak angebrochen zu sein.

„Im Schatten der Ereignisse in Ägypten spitzen sich in Algerien die Proteste gegen die Regierung weiter zu“, ist auf der Homepage der NZZ zu lesen. Zwei Tage vor einer von Regimegegnern geplanten Massendemonstration in der Hauptstadt Algier gab es erneut Berichte von Streiks, Selbstverbrennungen und Plünderungen in öffentlichen Einrichtungen. Mit Spannung wird in Algerien der für Samstag geplante Protestmarsch erwartet. Die Organisatoren wollen ihn trotz eines Demonstrationsverbotes starten lassen. Sie fordern einen demokratischen Wandel und ein sofortiges Ende der autoritären Herrschaft von Präsident Abdelaziz Bouteflika. Der 73-Jährige ist seit 1999 im Amt. Aus Angst um seine Macht hatte Bouteflika zuletzt bereits weitreichende Versprechungen gemacht und ein Ende des seit 19 Jahren geltenden Ausnahmezustands in Aussicht gestellt. Am Donnerstag machten Gerüchte die Runde, dass noch vor dem Protestmarsch am Samstag vier bislang verbotene Parteien zugelassen werden könnten.

Game over

Die Gerüchte über den Rücktritt Mubaraks zogen am Abend Zehntausende jubelnde Menschen auf den Tahrir-Platz in Kairo. Der für den Grossraum Kairo zuständige General Hassan al-Rueini hatte am Nachmittag vor den Demonstranten erklärt: «Alle eure Forderungen werden heute erfüllt.»

Kommentar: Zweierlei Freunde

Das ägyptische Volk demonstriert. Millionen sind auf der Strasse und fordern die Absetzung des Regimes und die Schaffung einer neuen, demokratischen Verfassung. Die einen Sprechen von Protest, die anderen von Revolution. Dabei geniesst das Volk derzeit zweierlei Freundschaften.

Die erste Freundschaft kommt von denen, die Macht haben. Es ist die Freundschaft der USA und Europas, die nun die Umsetzung des Volkswillens fordern und ihre Sympathie mit den Demonstranten kundgetan haben. Diese Freundschaft scheint dem ägyptischen Volk nützlich, denn sie kommt von einem starken Freund mit grossen Mitteln. Was aber ist der tiefe Kern dieser plötzlichen Solidarität? Es ist das Eigeninteresse der Herrschenden. Gezwungen von der öffentlichen Meinung und getrieben von den moralischen Standards, die man aufbaute um sie anderen vorzugaukeln, hat man sich mit dem ägyptischen Volk gemein gemacht. Man unterstützt es. Wir haben aber gesehen, dass dies nicht von Anfang an galt. Solange es noch wahrscheinlich schien, dass Mubarak und seine Schergen sich halten können, solange hielt man sich mit Kritik zurück. Unvergessen ist, dass es gerade die westlichen Staaten, gerade ihre Regierenden, gerade die sind, die sich jetzt Freunde des Volkes nennen, die über Jahrzehnte gute Geschäfte mit der Diktatur in Kairo gemacht haben. Wenn sie sich nun mit dem Volk verbrüdern, dann, weil sie hoffen, auch mit dem zukünftigen Ägypten weiter paktieren zu können. Es ist nicht das Mitfühlen mit der Sache der Massen, sondern der drohende Verlust von Profiten, der die Regierungen des Westens umtreibt. Es ist keine Frage: Wenn Ägypten ein stabiles Land wäre, dann gäbe es diese Freundschaft nicht.

Die zweite Freundschaft ist kleiner in Masse und Wirkung. Ihr Nutzen offenbart sich erst auf den zweiten Blick und sie verbringt kaum grosse Taten. Es ist die Freundschaft der Linken, der Sozialisten und Kommunisten mit dem ägyptischen Volk. Dies sind die echten Freunde des Volkes; sie teilen die Bedürfnisse der Ägypter nach einem Ende der Despotie und sind bereit, in jeder Minute ihre Solidarität offen kundzugeben. Sie sind die Ehrlichen, Unbeirrbaren, Rationalen. Ihre Freundschaft mit dem Volk bestand vor den Demonstrationen, sie besteht nun und wird auch danach bestehen. Dabei ist es ganz gleich, welchen Ausgang die Proteste nehmen. Es sind die Linken, die das Zögern der Regierenden am schärfsten kritisieren, die sie zur Aktion mahnen, die ihnen ihre Doppelmoral vorwerfen. Darin liegt ihr Nutzen. Er ist begrenzt, aber er ist da. Auch dies ist keine Frage: Bestünde der Westen aus sozialistischen Ländern, man hätte – kein Zweifel! – die Demonstranten nach Kräften unterstützt.

Erneuter Angriff auf Flüchtlingsrechete

Der FDP-Nationalrat Philipp Müller will die fundamentalen Flüchtlingsrechte gleich mit zwei parlamentarischen Initiativen beschneiden. Das FIMM Schweiz appelliert an die zuständigen Instanzen, den Initiativen nicht stattzugeben.

Der FDP-Nationalrat Philipp Müller greift frontal die Rechte der anerkannten Flüchtlinge an. Mit den beiden parlamentarischen Initiativen «Kein Flüchtlingsstatus für Familienangehörige» und «Keine Bevorzugung von Personen aus dem Asylbereich bei der Niederlassungsbewilligung» will er sich auf Kosten von schutzbedürftigen Personen im Wahljahr politisch profilieren.

Mit äusserst grossem Bedauern nimmt das FIMM Schweiz zur Kenntniss, dass die Staatspolitische Kommission des Nationalrats den beiden Initiativen zugestimmt hat. Das FIMM Schweiz ruft hiermit die weiteren zuständigen Instanzen auf, den gefassten Entscheid zugunsten der anerkannten Flüchtlinge zu berichtigen.

Beide parlamentarischen Initiativen verletzen die fundamentalen Rechte der anerkannten Flüchtlinge. Im Unterschied zu den anderen Einwanderern haben anerkannte Flüchtlinge heute das Recht auf Familiennachzug und den Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz. Diese Regelung ist insofern berechtigt, als dass man davon ausgehen kann, dass anerkannte Flüchtlinge nicht in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren können. Sie müssen also ihr Leben von Grund auf neu aufbauen. Dazu müssen sie ihre Familien in Sicherheit bringen können und in der Lage sein eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.

Der FDP-Nationalrat Philipp Müller will den schutzbedürftigen Personen ebendiese Rechte grundlos aberkennen. Das ist nicht nur aus ethischer Sicht fragwürdig und ein integrationspolitischer Unsinn. Es steht auch im krassen Widerspruch zur humanitären Tradition der Schweiz.

Weitere Infos: www.fimm.ch

Ägypten: USA fordern sofortige Reformen

Während die Massenproteste in Ägypten anhalten, fordern die USA die sofortige Umsetzung von Reformen. Man setzt hierbei auf den Dialog mit Omar Suleiman, der von Mubarak als Vizepräsident eingesetzt wurde. Dem steht die Drohung des ägyptischen Aussenministers gegenüber, der verlauten liess, dass die Streitkräfte intervenieren würden, sollte „Chaos“ ausbrechen.

Forderungen der USA…

US-Regierungssprecher Robert Gibbs gab am Mittwoch bekannt, dass die amerikanische Regierung mit den „Fortschritten“ in Ägypten unzufrieden ist. Er sprach darüber, dass die „Minimalforderungen des ägyptischen Volkes“ noch nicht erfüllt seien. Nun erhöht Amerika den Druck auf ägyptens Herrschaftsriege und fordert, dass „ein ordentlicher Übergang jetzt zu beginnen hat und ohne Verzögerungen unmittelbare und unumkehrbare Fortschritte hervorbringen muss“. Dabei setzt man offenbar auf Omar Suleiman, den Vizepräsidenten Ägyptens. Joe Biden (US-Vizepräsident) sprach am Mittwoch persönlich mit Suleiman, um ihm die Wünsche der USA mitzuteilen. Offenbar will man auf diese Weise die Zusammenarbeit mit Mubarak umgehen und seine Regierung spalten.

Dabei befinden sich die USA in einem Dilemma: Einerseits will man nicht die Sympathien Suleimans verlieren, andererseits ist man getrieben von den eigenen moralischen Ansprüchen und der öffentlichen Meinung. So kommt es auch, dass die USA einmal fordern, den „Dialog“ der Regierung mit der Opposition auf Zivilgruppen auszudehnen, die bislang nicht an den Gesprächen beteiligt waren, und dann sagen, man könne Ägypten keine Reformen diktieren. Entschieden hingegen ist man in der Frage des Militärs: Von diesem erbittet sich die US-Regierung weitere Zurückhaltung bezüglich der Demonstranten.

…und Reaktionen aus Kairo

Die Regierung um Mubarak und Suleiman weist die Forderungen der USA zurück. „Wenn man einem großen Land wie Ägypten Forderungen nach sofortigen Reformen stellt, dann drückt man ihm seinen Willen auf“, sagt der ägyptische Aussenminister Gheit. Dieser zeigte sich empört, denn die ägyptische Regierung sei immer ein „guter Freund“ der USA gewesen und habe die „beste aller Beziehungen“ aufrechterhalten. Auch drohte Gheit damit, dass die Armee intervenieren würde, wenn Chaos ausbräche.

Allerdings musste sich das Regime in Ägypten dem öffentlichen Druck ein Stück weit beugen. Man will sechs Artikel der Verfassung ändern lassen, die u.a. die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglichen und die Kandidatur von Oppositionskandidaten erschweren. Die Wünsche des Volkes gehen jedoch viel weiter: Man will eine gänzlich neue Verfassung. So sind die „Reformen“ des Regimes blosse Spiegelfechtereien.

16000 auf einen Schlag!

Über 16000 Arbeitslose werden am 1. April ausgesteuert. Ab dann gilt das neue Regime in der Arbeitslosenversicherung. Etwa 5000 der Ausgesteuerten müssen dann direkt bei der Sozialhilfe anklopfen. Geld bekommen die Betroffenen allerdings nur, wenn sie ihr Vermögen bis auf 4000 Franken aufgebraucht haben.

Zwischen 15’400 und 16’100 Arbeitslose dürften im April 2011 schweizweit ausgesteuert werden. Das sind etwa so viele Menschen wie im ganzen Kanton Appenzell Innerrhoden mit 15’700 Einwohnern zurzeit leben.

Dies hat eine Umfrage der Nachrichtenagentur SDA in allen Kantonen ergeben. Einzig der Kanton Zürich nannte keine konkrete Zahl. Anfang April tritt das revidierte Gesetz über die Arbeitslosenversicherung in Kraft, welches das Schweizer Volk am 26. September 2010 gutgeheissen hat. Weil Arbeitslose neu weniger Taggelder beziehen können, werden sie früher ausgesteuert. Besonders betroffen ist die Romandie. Aber auch die Kantone Bern (rund 2000 Personen), St. Gallen (bis 2500) sowie der Aargau und das Tessin (beide rund 1000) rechnen mit vielen Ausgesteuerten.

«Schock» in Lausanne

Allein in der welschen Schweiz werden 6100 bis 6500 Menschen den Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren – am meisten in den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg. In der Waadt dürften 2500 Personen ausgesteuert werden, in Genf 1300 und bis zu 1400 in Neuenburg. Bundesrat Johann Schneider-Ammann ging im Dezember von 17’000 Betroffenen aus, wie er in der Fragestunde des Nationalrats sagte. Das sind rund 10 bis 12 Prozent der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Personen.

Wie viele zusätzliche Stellen nötig sein werden, um diesen «Schock» – so die Wortwahl der Lausanner Sozialbehörden – zu bewältigen, steht in den meisten Kantonen noch nicht fest.

Seco: «Kurzfristige Mehrkosten von 98,5 Mio.»

Wie hoch die Mehrkosten sind, welche die Kantone durch diese Verschiebung weg von der Arbeitslosenversicherung hin zur Sozialhilfe berappen müssen, ist noch unklar. Erst wenige Kantone können die Beträge beziffern. Basel-Stadt rechnet mit einer finanziellen Mehrbelastung zwischen 3 und 6 Mio. Fr. Das Tessin geht derweil von Mehrkosten zwischen 5,6 und 13 Mio. Fr. aus, Waadt von 25 Mio. Fr., Genf von 11 Mio. Fr. und Neuenburg von 4 Mio. Fr. Im Vorfeld der Abstimmung hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die kurzfristigen Mehrkosten für die Kantone mit maximal 98,5 Mio. Beziffert.

Quelle und vollständiger Artikel: www.tagesschau.ch

Jean Ziegler: Das Gold von Maniema

Hans Peter Gansner. Jean Zieglers bisher einziger Roman ist der eindrückliche Versuch, den Alptraum zu verarbeiten, der den Autor nach den Erlebnissen im Kongo Anfangs der Sechzigerjahre durchlebte.

Am Morgen nach der Ermordung von Patrice Lumumba am 17. Januar 1961 bricht die Apokalypse über den Kongo herein. An den Hängen der Vulkane und an den Ufern der grossen Seen, in den Savannen, Dschungeln und Sümpfen erheben sich die Völker, attackieren die von den weissen Söldnern Oberst Cermiers unterstützte Obrigkeit und bedrohen die Minen von Maniema, wo die phantastischsten Gold-, Diamanten- und Uranschätze der Welt liegen. Zwei Männer geben diesen chaotischen Rebellionen Einheit, Ziel und Kraft und schmieden zutiefst verfeindete Stämme zu einer Armee zusammen.

Unaufhaltsame Tragödie

Die widersprüchlichsten Leidenschaften – Aufopferung, Liebe, Hass und unbändige Hoffnung – beseelen die Frauen und Männer der Rebellenarmee. Aber zwischen dem bewaffneten Gewerkschafter und Humanisten Thomas Lusangi und dem dogmatischen Revolutionär Malcolm Santos aus der Karibik, die zusammen kämpfen, jedoch nicht mit denselben Mitteln und nicht für dasselbe Ziel, erfolgt der Bruch, der die Niederlage des Aufstandes besiegelt. Niemand kann die Tragödie aufhalten. Am allerwenigsten Isabel, die Thomas liebt und von Santos des Verrats verdächtigt wird… Der spannende Öko-Politkrimi, der 1996 beim renommierten Pariser Verlag «Seuil» seine Erstausgabe erlebte, ist jetzt in einer stilistisch überarbeiteten Neuausgabe mit einem sehr eindrücklichen Titelfoto von Jean Revillard im Verlag «Neuer Weg» herausgekommen. «Das Gold von Maniema» ist Jean Zieglers einziger Roman. Der Literaturkritiker Jean-Philippe Caudron schrieb anlässlich der Erstausgabe in der Zeitung «La Vie»: «Besessen von der Grausamkeit der Kämpfe zwischen den schwarzen Stämmen, vom mörderischen Zynismus der weissen Söldner, die den Minenbaronen zu Hilfe eilten, versucht Jean Ziegler, der Zeuge der Apokalypse war, über vierzig Jahre später seine Alpträume zu exorzisieren. Ein Triumph!»

Die kongeniale Übersetzung stammt von Hanna van Laak. Zwei Euro je Buch gehen an die Kongosolidarität der Hilfs- und Solidaritätsorganisation «Solidarität International» (SI) für das Ngenyi-Volksbildungszentrum im Kongo.

Hinweis: Eben ist ein Dokumentarfilm über Jean Ziegler herausgekommen: «Jean Ziegler, Contre l’ordre du monde.» Gedreht hat ihn Elisabeth Jonniaux im Auftrag des französischen Fernsehkanals «La Huit» und des Produzenten «GroupeGalactica». Erstausstrahlung: 23. Februar 2011 auf «France Ô», um 20.30 Uhr.

Vom Wahnsinn der UBS

Die Jahresbilanzen der UBS sind nun bekannt: Die UBS machte im Jahr 2010 einen Gewinn von 7,16 Mrd. Franken. Damit schreibt die Bank, die mit 68 Mrd. an Steuergeldern gerettet werden musste, zum ersten Mal seit 2006 wieder schwarze Zahlen. Pikant sind die geplanten Bonus-Zahlungen: Sie sollen aus einem Topf erfolgen, der satte 4,3 Mrd. Franken umfasst.

UBS: Geschichte eines Kasinos

Im Zuge der Immobilien- und Bankenkrise der Jahre 2008 und 2009 geriet auch die UBS in eine wirtschaftliche Schieflage. Man nahm teil am weltweiten Roulettetisch und verspielte Milliarden. Am Ende des Jahres 2008 hatte man ein unglaubliches Gelddefizit von mehr als 60 Milliarden Franken angehäuft. Dass man sich verspekuliert hatte gab man – in guter Bankenmanier – natürlich nicht sofort bekannt. Bis zum Oktober 2008 hielt man eisern an den Parolen von der „soliden Bank UBS“ fest, dann musste man sich jedoch eingestehen, dass man aus eigener Kraft mit dem Kapitalverlust nicht fertigwerden konnte. Also wandte man sich an den Staat, der – getreu dem Motto „Too Big to Fail“ – die UBS mit einem historisch einzigartigen Rettungspaket von 68 Mrd. Franken rettete. Die Bedingungen der Rettung war die Begrenzung der Bonuszahlungen an die Manager. Im Zuge dieses „Sündenfalls“ der UBS wurde auch ein Teil der Managerriege ausgewechselt, etwa Marcel Ospel. Erst durch diese Entlassungen entging die Bank Sanktionen durch dir Bankenkommission, denn es war offenbar geworden, dass sie mit ihren Spekulationen im Immobiliengeschäft Gesetze gebrochen hatte.

Neue Gewinne und neue Gehälter

In den Jahren 2007 bis 2009 machte die Bank Verluste. Im letzten Jahr betrugen die noch 2,74 Mrd. Franken. Nun aber konnte man erste Gewinnmeldungen bekanntgeben. Um die 7,16 Mrd. Franken soll die Bank im letzten Jahr gewonnen haben. Nun könnte man meinen, dass eine Bank wie die UBS, die durch staatliche Hilfe gerettet wurde und einige Jahre der Verluste hinter sich hat, daran arbeitet, hohe Kapitalrücklagen aufzubauen. Tatsächlich aber hat die UBS ihr Verhalten nie überdacht. Während man im Rettungsjahr 2008 den Bonuspool noch um 80% reduzierte (von geplanten 9,5 Mrd. Franken auf 2 Mrd. Franken), stockte man ihn 2009 schon wieder kräftig auf und erreichte einen Topf von satten 4,6 Mrd. Franken, die zur Auszahlung an „erfolgreiche“ Manager bereitstanden. Auch in diesem Jahr wird das Niveau des Vorjahres in etwa gehalten: Gute 4,3 Mrd. Franken dürfen als Boni ausgezahlt werden. Dass überhaupt eine Reduzierung (im Vergleich zum letzten Jahr) stattfand, liegt an den neuen Auflagen der Finanzmarktaufsicht. Diese forderte einerseits die Reduzierung des Bonuspools um 10% und andererseits, dass ein drittel der Boni erst verspätet ausgezahlt werden dürfe, für den Fall, dass die Gelder doch anderweitig benötigt werden.

Es ist also schon erstaunlich, mit welch unfassbarer Unbelehrbarkeit die UBS wirtschaftet. Ein Blick auf die Zahlen genügt, um sich des Irrsinns bewusst zu werden: Ein Gewinn von 7 Mrd. Franken steht Extrazahlungen von 4,3 Mrd. Franken gegenüber. Umgekehrt: Würde die UBS auf derlei Zahlungen verzichten, könnte sie ihren Gewinn um mehr als 50% erhöhen. Begründung der UBS: Derlei Boni müssen gezahlt werden, um Topleute halten zu können. Frage normaler Menschen: Was sind das für Topleute, die den Gewinn der Bank um 50% senken und sie, vor nichtmal drei Jahren, in den Abgrund gerissen haben?

Ökologischer und ökonomischer Unfug

Neben aktuellen Themen, wie der Lage in Ägypten und der Euro-Krise, steht auf dem heutigen EU-Gipfel in Brüssel die Energieversorgung Europas im Mittelpunkt. Ein Gipfel mit wenig Energie.

Die Umweltschutzorganisation WWF mahnt an, dass die Staats- und Regierungschefs der Union die bereits beschlossenen Ziele endlich mit verbindlichen Massnahmen untermauern müssen. «Wir verbrennen Jahr für Jahr Milliarden Euro auf dem Scheiterhaufen eines veralteten, unsicheren und ineffizienten Energiesektors», sagt Regine Günther, Leiterin Klimapolitik beim WWF Deutschland. «Das ist ökologischer und ökonomischer Unfug.»

Angesichts des schnell fortschreitenden Klimawandels hatte man sich bereits im Oktober 2009 darauf verständigt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren zu wollen. Wichtige, ehrgeizige Zwischenziele fehlen aber noch. Auch die Vorgabe, die Energieeffizienz in Europa bis 2020 um zwanzig Prozent (im Vergleich zu 1990) zu steigern, werde nach derzeitigem Stand nicht erreicht. Es müsse dringend mit konkreten Massnahmen nachgesteuert werden, so der WWF. Die derzeitige Beschlussvorlage des EU-Gipfels, die dem WWF vorliegt, sei in dieser Hinsicht ungenügend. «Anstatt jetzt schon der drohenden Zielverfehlung entgegenzusteuern, ist von einer Wiedervorlage im Jahr 2013 die Rede. Diese Verzögerungstaktik wird den drängenden Problemen auf dem Energiesektor nicht gerecht. Europa hat sich den Herausforderungen einer sicheren, sauberen und effizienten Energieversorgung bisher ungenügend gestellt», kritisiert Günther.

Nicht verhandelbar

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat heute klargestellt, dass er eine Schwächung der Flankierenden Massnahmen im Rahmen der künftigen Weiterentwicklung der bilateralen Abkommen unter keinen Umständen hinnehmen wird. Er fordert vielmehr deren konsequente Anwendung.

SGB-Präsident Paul Rechsteiner stellte fest, dass die EU die Flankierenden Massnahmen kritisiert, obwohl in Verhandlungen eine Einigung gefunden worden sei (Beispiele: Kautionen, Voranmeldefristen,Verbot von Temporärarbeit aus dem Ausland). Die neu von der EU verlangte Übernahme der EU-Rechtsentwicklung sei wegen „der katastrophal arbeitnehmerfeindlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den letzten drei Jahren (…) für das Schweizer System zum Schutz der Löhne besonders gefährlich. Wenn (…) die kommerziellen Binnenmarktfreiheiten den national verankerten Arbeitsrechten plötzlich vorangestellt werden und für die Arbeitsbedingungen nicht mehr, wie heute in der Schweiz, das sogenannte Leistungsorts-, sondern das Herkunftsortsprinzip gelten soll, würde das Fundament der flankierenden Massnahmen ausgehöhlt.“ Der Bundesrat dürfe deshalb in dieser Frage keine Konzessionen machen; die Gewerkschaften würden ein künftiges Verhandlungspaket mit aufgeweichtem Lohnschutz resolut bekämpfen.

Auf die mangelhafte Anwendung der Flankierenden Massnahmen verwies SGB-Chefökonom Daniel Lampart: „Bis jetzt sind, trotz festgestellter Lohnverstösse, zu wenig Mindestlöhne eingeführt, insbesondere in der Deutschschweiz, wo die Flankierenden Massnahmen nur ungenügend angewendet werden.“ Lampart forderte u.a. Mindestlöhne für kleine Firmen der Reinigung und der Sicherheit, für Journalisten sowie eine rasche Allgemeinverbindlicherklärung des Temporär-GAV durch den Bundesrat.

Weitere Informationen unter: www.sgb.ch

«Not in our Name!» – die PdA in München!

Die Partei der Arbeit hat am Samstag, 5. Februar an der Demonstration in München gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz (SIKO) der NATO teilgenommen. 32 AktivistInnen, vom Schulkind bis zur Genossin, die seit über 40 Jahren in der PdA ist, haben die Carfahrt auf sich genommen. Und dies um gemeinsam gegen die Kriegstreiber der Welt zu protestieren.

 Als die vier Berner GenossInnen in den Zug Richtung Zürich einsteigen ist es 6.30 Uhr. Noch nicht ganz wach, aber mit einem Lächeln im Gesicht haben wir ein Ziel vor Augen: Die Demo in München gegen die Nato-Sicherheitskonferenz. Treffpunkt ist der Busbahnhof am Sihlquai in Zürich. Hier warten die GenossInnen aus Zürich und Luzern. «Sogar die Berner sind pünktlich!», spottet der nationale Sekretär der PdAS, der offensichtlich die Pünktlichkeit der BernerInnen bezweifelt hatte. Er gesteht mir sogar, dass er um eine Pizza gewettet hat, dass die BernerInnen zu spät erscheinen würden. Er hat verloren und wurde eines Besseren belehrt.

Kurzes schwitzen in Schwatzen

Um 7.45 Uhr fahren wir von Zürich los. Viele neue und junge GenossInnen sitzen im Car. Die jüngste unter uns ist Laura und sie geht noch in die Primarschule. Laura ist die Tochter des Sekretärs. Warum wir demonstrieren gehen, versteht sie wohl noch nicht ganz. Wie sich in München dann zeigen wird, ist sie jedoch schon eine routinierte Demo-Teilnehmerin und weiss beim Tragen von Transparenten und Fahnen gut mitzuhelfen. Die Zürcher GenossInnen sind gut vertreten. Meist junge AktivistInnen. Auch einige Luzerner GenossInnen sind anwesend, darunter Goran, der die Fahrt organisiert hat. Mit ihm kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien ein Vertreter der «Partija Rada», sprich Partei der Arbeit, mit. Als Geschenk hat er uns fünf Fahnen mit unserem Logo mitgebracht. Herzlichen Dank Genosse.

In den mittleren Reihen des Cars sitzt Margrit. Sie ist pensioniert, seit über 40 Jahren Mitglied der PdA und eine langjährige Aktivistin der Schweizerischen Friedensbewegung. Sie ist sichtlich erfreut über die grosse Anzahl von jungen GenossInnen.

Der Grenzübergang verläuft ohne Zwischenfälle und ohne jegliche Kontrolle. Die anfänglichen Ängste bezüglich Kontrollen sind verschwunden. Zu früh gefreut? zu sein. Die kleine Ortschaft «Schwatzen», etwa 25 Kilometer nach der Grenzen, bringt uns zum Schwitzen. Ein moderner Streifenwagen der deutschen Zollpolizei befiehlt uns, ihm zu folgen und die Autobahn zu verlassen. Doch noch eine Kontrolle? Nein, die Polizisten wollen nur wissen, ob wir die Autobahnsteuer bezahlt haben. Geld regiert eben die Welt. Die Fahrt nimmt wieder ihren Lauf nach München. Im Bus werden verschiedene Diskussionen entfacht. Ich frage Adrian, ein Mitglied der PdAZ, was ihn dazu bewegt so früh aufzustehen, um an der Demo teilzunehmen. «Der Widerstand gegen die NATO ist heute wichtiger denn je. Die NATO ist ein vom Grosskapital kontrolliertes Militärbündnis. Die Ressourcenknappheit wird die Militärische Zusammenarbeit der imperialistischen Staaten vergrössern. Dies wird zu weiteren Kriegen führen». Er fügt hinzu: «Der 11. September läutete den ersten Bündnisfall der NATO ein. Dieses Ereignis war aber auch der Anfang einer neupolitisierten Generation, die vor allem in Verschwörungstheoretischen Kreisen aktiv sind. Deshalb finde ich es gut, dass die PdA dieses Thema wieder aufgreift, um an junge Menschen zu mobilisieren.»

Krieg für zwei Pipelines

Kurz vor 13 Uhr erreichen wir die Landeshauptstadt des Freistaates Bayern. Wir mischen uns unter den vielen DemonstratInnen, die sich auf dem Marienplatz vor dem imposanten Rathaus versammelt haben. Der Platz im Herzen von München ist voll mit PazifistenInnen, KommunistInnen, Junge Leute aus Umweltschutzkreisen und Rastafari. Eine bunte und konsequente Einheitsfront gegen die NATO. Völlig abwesend ist die SPD. In molekularer Grösse ist die Linkspartei dabei. Durch Lautsprecher wird die Reihenfolge der Demo-Zusammensetzung vorgetragen. Wer über deutsche Organisationsmanie immer wieder lästert, wird heute in seinen Vorurteilen bestätigt. Mit deutscher Disziplin geht die Demo pünktlich um 13.15 Uhr los. Eines der Haupthemen der Demo ist der Afghanistan-Einsatz der Deutschen Bundeswehr. Dazu meint der Theologe Eugen Drewermann in seiner Rede an der Abschlusskundgebung: «(…)Doch der Krieg in Afghanistan wird geführt für die beiden Erdöl-Pipelines, und um den Fuss in die Tür zwischen Indien und China zu bekommen, aus rein geostrategischen Gründen. Weltmachtansprüche verdienen aber nicht den fortgesetzten Mord von Menschen. (…) Wollen wir denn eines Tages über den blutverschmierten Teppich von Tausenden von Menschenleichen gehen? Dieser Krieg ist ein Verbrechen und er ist nicht zu gewinnen (…)». Drewermann setzt noch einen drauf: «Die NATO mischt sich ein überall, wo sie nichts verloren hat, in der permanenten Gier nach Öl, Bauxit, Uran und was sie alles meint zu brauchen für ihren Selbsterhalt. Uns gehört aber nicht die Welt. Immer noch sollten wir die Menschen, die da wohnen fragen, ob wir bei ihnen auch willkommen sind».

Die Polizei ist überall

Nicht weit vom Marienplatz entfernt ist ein kleines Grüppchen von etwa zehn Leuten auf einem Flachdach verschanzt. Bei näherem Hinsehen, kann ich feststellen, dass es sich um sogenannte «Antideutsche» handelt. Israel-Fahnen schwingend versuchen sie die Demo-TeinehmerInnen zu provozieren. Doch niemand lässt sich provozieren. Sie haben ein Transparent mit der Aufschrift «Gegen den Antisemitismus – den Iran in die Schranken weisen» aufgehängt. Darauf zu sehen ist auch das Logo der Antifaschistischen Aktion, aber ohne roten und schwarzen Fahnen sondern mit der amerikanischen und israelischen. Im späteren Verlauf der Demo versuchen vier der Antideutschen die TeilnehmerInnen erneut zu provozieren. Die Polizei steht aber dazwischen. Polizisten gibt es übrigens überall. Eine junge Berner Genossin versucht nach der Demo die Polizei-Fahrzeuge zu zählen. Sie kommt auf hundert, bricht dann entnervt die Übung ab, da sie gerade mal einen kleinen Bruchteil der herumstehenden Polizeifahrzeuge gezählt hat. Die Polizei begleitet uns stets links und rechts auf dem Bürgersteig. Während der Demo treten verschiedene Redner auf. Darunter ein gut 80jähriger Antifaschist. Er spricht über die politisch aktive Jugend und lobt ihre Arbeit. Still ist es im Demonstrationszug. Alle hören dem emotionalen Beitrag zu. Dann eine ehrliche und laute Ovation für den Alten Genossen. Die Demo geht dem Ende zu. Etwas erschöpft vom gut zweistündigen Marsch durch die Münchner Innenstadt, stehen wir wieder auf dem Marienplatz. Die Demo ist im Vergleich zu den letzten Jahren friedlich verlaufen.

Die letze kleine Aufregung kurz bevor wir abfahren: Während wir auf den Car warten, werden einige GenossInnen von der Polizei kontrolliert. Doch nichts Besonderes. Im Bus ist Laura die fitteste. Sie quatscht und scherzt mit allen. Erst gegen 21.00 Uhr fällt sie in einem tiefen Schlaf. Gegen 22.30 Uhr stehen wir wieder am Zürcher Sihlquai. Erschöpft vom langen Tag, aber überglücklich an der Demo gegen die Kriegstreiber dieser Welt teilgenommen zu haben.

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